ROBERT KOCH-INSTITUT

HIV-Diagnosen: Stagnation und Anstieg

Von Holger Wicht
Die Zahl der gemeldeten HIV-Neuinfektionen in Deutschland stagniert weiterhin auf hohem Niveau. Ein deutlicher Anstieg ist hingegen bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), in Berlin zu verzeichnen. Auch bei den über 40-Jährigen MSM erhöhen sich die Infektionszahlen weiter. Das hat heute das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) in einer Pressemitteilung und seinem Epidemiologischen Bulletin bekannt gegeben. Das RKI betont außerdem, dass die Zahl der AIDS-Neuerkrankungen „unakzeptabel hoch“ sei. Die Analyse beruht auf den HIV- und Aids-Meldedaten für das Jahr 2008.

Berlin: Vermehrt HIV-Infektionen durch Syphilis

2.806 HIV-Neudiagnosen sind dem RKI gemeldet worden – „keine nennenswerte Veränderung“ im Vergleich zu den 2.774 Fällen im Vorjahr, heißt es in der Pressemitteilung. In Berlin sind die Infektionszahlen bei Männern jedoch um 7 Prozent auf 329 Fälle gestiegen. Der Grund ist ein starker Anstieg bei MSM, die hier etwa 85 Prozent der Neuinfektionen ausmachen.

Das RKI hebt hervor, dass ein Zusammenhang mit dem starken Anstieg der Syphilis in Berlin bestehe. Von 2007 um 2008 hatte sich in der Hauptstadt die Zahl der gemeldeten Syphilis-Fälle um 46 Prozent erhöht. Die Epidemiologen befürchten nun, dass in den kommenden Jahren die HIV-Infektionszahlen auch in anderen Regionen aufgrund der Syphilis steigen könnten. So wurde 2008 zum Beispiel auch in Hamburg wieder häufiger Syphilis diagnostiziert. Die Syphilis verstärkt – wie auch andere sexuell übertragbare Krankheiten – das Risiko der HIV-Übertragung.

Bei den MSM ab 40 steigt die Zahl der HIV-Neuinfektionen seit Jahren kontinuierlich an; dieser Trend setzt sich offenbar fort. Teilweise liegt das laut RKI allerdings daran, dass ältere Männer sich seltener testen ließen – es schlagen also jetzt verstärkt Infektionen zu Buche, die schon länger bestehen.

Gute Nachricht: Der Anstieg bei den MSM hat vorerst ein Ende.

Die gute Nachricht: Insgesamt ist der Anstieg der Neuinfektionen in der Gruppe der MSM offenkundig vorerst zu Ende: Mit 1.555 Meldungen blieb die Zahl fast exakt stabil (2007: 1.552 Fälle). Im Jahr zuvor war in dieser Gruppe noch ein Anstieg von 12 Prozent zu beklagen. 65 Prozent der gemeldeten Neuinfektionen entfallen auf die Gruppe der MSM.

Der Anteil derjenigen Menschen, die sich bei heterosexuellen Kontakten infiziert haben, lag 2008 unverändert bei 17 Prozent (403 Fälle). Bei Menschen aus Ländern, in denen HIV besonders häufig vorkommt (Hochprävalenzländer, HPL) wurde HIV etwas häufiger diagnostiziert als im Vorjahr, sie machen 12 Prozent der Neudiagnosen aus (296 Fälle). Der Anteil der Drogengebraucher ist erneut leicht gesunken und liegt jetzt bei 5 Prozent (123 Neudiagnosen).

Bei einem Prozent der Neuinfektionen – immerhin 21 Fälle – handelt es sich um Übertragungen von Müttern auf ihre Kinder. Elf der Kinder wurden in Deutschland geboren. In sechs Fällen war bei der Mutter in der Schwangerschaftszeit kein HIV-Test durchgeführt worden.

Die Zahl der gemeldeten HIV-Neudiagnosen darf nicht mit den Neuinfektionen verwechselt werden, die das RKI mit einem komplizierten Verfahren schätzen muss. Denn oft liegen zwischen Infektion und positivem HIV-Test Jahre. Das RKI geht zurzeit von rund 3.000 HIV-Neuinfektionen pro Jahr in Deutschland aus. Ende 2008 lebten etwa 63.500 Menschen mit HIV in Deutschland.

RKI: „Aids ist eine weitgehend vermeidbare Komplikation der HIV-Infektion“

Die Aufschlüsselung der gemeldeten Diagnosen nach betroffenen Gruppen erfolgt auf Basis der Fälle, in denen der Infektionsweg bekannt ist (85 Prozent).

Schätzungsweise 1.100 Menschen sind laut RKI im letzten Jahr neu an Aids erkrankt, obwohl „AIDS heute eine weitgehend vermeidbare Komplikation einer HIV-Infektion“ sei.

Das RKI schließt daraus: „Die Beweggründe für die fehlende Wahrnehmung von HIV-Testangeboten beziehungsweise ein zu langes Hinauszögern des Behandlungsbeginns (…) sollten daher gezielt erhoben und analysiert werden. Es gilt, geeignete Strategien zu entwickeln, um zu gewährleisten, dass einem größeren Teil der Betroffenen die Fortschritte in der Behandlung rechtzeitig zur Verfügung stehen.“

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