„Pillen zum Schutz vor HIV“: DISCOVER-Studie jetzt auch in Deutschland
Um herauszufinden, ob Descovy genauso gut schützt wie Truvada (bei weniger Nebenwirkungen), führt Gilead deshalb parallel in Europa und den USA die DISCOVER-Studie durch. Daran teilnehmen können 5000 HIV-negative Männer und trans* Frauen ab 18 Jahren, die Sex mit Männern haben und dabei häufig HIV-Risiken eingehen.
Die Teilnehmer_innen werden über einen Zeitraum von mindestens 48 Wochen Medikamente einnehmen. Ob es sich bei um Truvada® oder Descovy® handelt, erfahren sie zunächst nicht.
Vier Zentren in Deutschland – Zahl der Plätze begrenzt
Ab sofort können nun auch vier HIV-Schwerpunktpraxen in Berlin, München und Frankfurt (Adressen am Ende des Beitrags) damit beginnen, Interessierte zu Untersuchungen einzuladen und Proband_innen in die Studie aufzunehmen.
Das Infektiologikum Frankfurt/Main, das Interdisziplinäre HIV-Zentrum am Klinikum rechts der Isar in München sowie das Zentrum für Infektiologie Berlin/Prenzlauer Berg gehen von jeweils etwa 50 Studienplätzen aus. Der Berliner HIV-Spezialist Heiko Jessen, der den deutschen Arm der Studie leitet, wird in seiner Praxis voraussichtlich sogar bis zu 450 Proband_innen betreuen. Die Liste der Interessierten ist bereits lang, dennoch sind weitere Bewerbungen erwünscht.
International stehen 5000 Studienplätze an rund 100 Studienzentren zur Verfügung. 3000 davon sollen bereits belegt sein. Feste Kontingente für die beteiligen Länder bzw. HIV-Zentren gibt es nicht: „Die Verteilung ist kompetitiv – sprich: sie hängt von der Geschwindigkeit der Rekrutierung anderer Zentren ab“, erklärt auf Nachfrage die Gilead-Pressesprecherin Daria Munsel.
Verspäteter Start in Deutschland
Einer der Gründe für den späteren Studienstart in Deutschland war offenbar, dass Gilead beim Rekrutierungsverfahren „nacharbeiten“ musste und dass dies „etwas holprig“ geschah, wie einer der beteiligen deutschen Ärzte berichtet.
Im November 2016 hatten HIV-Aktivist_innen dem Unternehmen in einem offenen Brief vorgeworfen, potenzielle Teilnehmer_innen nicht ausreichend darüber zu informieren, dass Sicherheit und Wirksamkeit von Descovy zum Schutz vor HIV noch nicht erwiesen seien. Stattdessen werde der Eindruck erweckt, Descovy sei definitiv sicherer, wirksamer und besser verträglich als Truvada. Darüber hinaus habe Gilead die Studie ohne Einbindung der HIV-Community vorangetrieben. Auch die Deutsche AIDS-Hilfe hatte deshalb Gilead angemahnt, die Spielregeln einzuhalten.
Ist Descovy genauso sicher, aber nebenwirkungsärmer?
Ob Descovy (in der HIV-Therapie) wirklich nebenwirkungsärmer ist als Truvada, darüber gingen die Aussagen in der letzten Zeit auseinander.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) hatte im August 2016 keinen entsprechenden Beleg feststellen können – vor allem, weil die von Gilead eingereichten Studiendaten dafür nicht ausreichend waren. Zugleich seien vereinzelt Fälle bekannt geworden, bei denen bislang mit Truvada behandelte HIV-Patient_innen über neurologische Nebenwirkungen wie dauerhafte Schlaflosigkeit, Depressionen oder Persönlichkeitsveränderungen klagten, nachdem sie ohne Umstellungsindikation zu Descovy gewechselt waren. Gilead wollte diese Nebenwirkungen auf Nachfrage jedoch nicht bestätigen.
Bei der Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI) im vergangenen Monat wiederum berichtete ein HIV-Forschungsteam von einer besseren Knochendichte bei HIV-Patiente_innen nach dem Wechsel zu Descovy, außerdem sei Descovy bei der Unterdrückung der HIV-Vermehrung überlegen und es gebe weniger Nierenprobleme.
Erste PrEP-Studie in Deutschland
Für die Teilnehmenden der DISCOVER-Studie sind die Medikamente kostenfrei, ebenso die studienbezogenen Untersuchungen und Labortests. Damit besteht zum ersten Mal in Deutschland für einige wenige Interessent*innen kostenloser Zugang zu Truvada, wobei die Teilnehmer_innen nicht wissen, ob sie das erwiesenermaßen vor HIV schützende Präparat Truvada oder Descovy bekommen.
Truvada ist seit dem Sommer 2016 in der EU auch zur HIV-PrEP zugelassen und seit Oktober letzten Jahres auch in Deutschland verschreibungsfähig. Die Kosten (derzeit rund 800 Euro monatlich allein für die Tabletten, hinzu kommen regelmäßige Untersuchungen) werden aber nicht von den Krankenkassen erstattet. In Frankreich wird die PrEP seit 2016 von der Sozialversicherung finanziert, und auch in Norwegen können die Kosten übernommen werden.
Für weitere Informationen können sich Interessierte an diese HIV-Zentren wenden:
Infektiologikum Frankfurt: studien@infektio-research.de
Interdisziplinäres HIV-Zentrum (IZAR) am Klinikum rechts der Isar: IZAR@mri.tum.de
Praxis Jessen² + Kollegen Berlin: discover@praxis-jessen.de
Zentrum für Infektiologie Berlin: Studiencentrum@zipb.de
(ascho/hs)
Diesen Beitrag teilen
1 Kommentare