Safer Sex 3.0

#PrEPfuerAlle, die sie brauchen: Neue Botschaften der Deutschen Aidshilfe

Von Holger Sweers
© DAH, Bild: Renata Chueire

Die PrEP bietet selbstbestimmten und zuverlässigen Schutz vor HIV. Um allen, die die PrEP brauchen, den Zugang und die Anwendung zu erleichtern, haben wir neue Botschaften und Materialien entwickelt.

Seit 2019 ist die medizinische HIV-Prophylaxe PrEP in Deutschland eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung für „Menschen mit substanziellem HIV-Risiko“. Schätzungen zufolge gab es Ende 2024 rund 40.000 Nutzer*innen (wie schon Ende 2023), fast alle davon Männer, die Sex mit Männern haben.

Das Potenzial der PrEP ist damit aus Sicht der Deutschen Aidshilfe bei Weitem nicht ausgeschöpft – sie könnte noch viel mehr Menschen vor HIV schützen und zu einer Sexualität ohne Angst vor HIV beitragen. So sind zum Beispiel viele Frauen noch nicht ausreichend über die PrEP informiert worden und auch viele Sexarbeiter*innen haben wir noch nicht mit Infos zur PrEP erreicht. Ein Thema kann die PrEP aber zum Beispiel auch für Reisende sein, die in Ländern mit weiter HIV-Verbreitung sexuelle Kontakte haben.

Die Deutsche Aidshilfe hat deshalb neue PrEP-Botschaften und -Materialien entwickelt, um möglichst viele Menschen über diese HIV-Schutzmethode zu informieren. Im Zentrum stehen dabei die Menschen, für die eine PrEP infrage kommen könnte, und Menschen, die für den Zugang zu PrEP wichtig sind, zum Beispiel Mitarbeiter*innen von Gesundheitsämtern und Beratungsstellen oder auch Ärzt*innen, die die PrEP verschreiben.

Neue PrEP-Botschaften

Die wichtigsten neuen Botschaften der Deutschen Aidshilfe (DAH) zur HIV-PrEP lauten:

  • PrEP-Start: Um den PrEP-Beginn möglichst einfach zu machen, empfiehlt die Deutsche Aidshilfe eine Doppeldosis = zwei Tabletten auf einmal frühestens 24 bis spätestens 2 Stunden vor ersten möglichen HIV-Kontakt.
    Das gilt unabhängig von der beabsichtigten Dauer der täglichen Tabletten-Einnahme (Kurz-PrEP rund um geplante sexuelle Kontakte oder Dauer-PrEP), unabhängig von der Art des HIV-Risikos (sexuell oder über injizierenden Drogenkonsum), unabhängig von der sexuellen oder geschlechtlichen Identität und den sexuellen Praktiken (eindringender oder aufnehmender Analverkehr, eindringender und aufnehmender Vaginalverkehr und Neovaginalverkehr) und unabhängig von den beim Sex beteiligten Schleimhäuten (also z.B. von Rektum und Enddarm, Penis, Vagina oder Neovagina).
  • PrEP-Schutzphase: Für den Zeitraum mit einem HIV-Risiko (von einem Tag bis zu undefiniert vielen Tagen) empfiehlt die DAH 1 Tablette täglich alle 24 Stunden (plus/minus 2 Stunden) nach der Doppeldosis.
    Wenn man ein dauerhaftes HIV-Risiko hat, wenn man seine Sexkontakte nicht gut planen kann oder will oder wenn man mit dem Starten, Stoppen und erneuten Starten nicht gut zurechtkommt, sollte man die PrEP über einen längeren Zeitraum täglich einnehmen (Dauer-PrEP).
    Wenn man seine HIV-Risiken auf kurze Zeiträume eingrenzen und seine Sexkontakte in der Regel gut planen kann, bietet sich eine Kurz-PrEP rund um diese Kontakte an. Damit spart man Tabletten und auch Nebenwirkungen.
  • PrEP-Schutzabsicherung/-Stopp: Nach dem letzten HIV-Risiko nimmt man zur Beendigung der PrEP weiterhin 1 Tablette täglich für 2 Tage oder für 7 Tage ohne HIV-Risiko.
    Die 2 Tage zur Schutzabsicherung/zum PrEP-Stopp gelten für eindringenden Sex (eindringenden = „aktiven“ Analverkehr und eindringenden Vaginalverkehr oder Neovaginalverkehr) und aufnehmenden = „passiven“ Analverkehr.
    Die 7 Tage
    zur Schutzabsicherung/zum PrEP-Stopp gelten für aufnehmendem Vaginalverkehr oder Neovaginalverkehr sowie auch zur Beendigung einer PrEP bei intravenösem Drogenkonsum.
Screenshot

Hintergründe der neuen PrEP-Empfehlungen der Deutschen Aidshilfe[1]

PrEP-Aktivist*innen in aller Welt setzen sich dafür ein, allen Menschen, die die PrEP brauchen (könnten), die nötigen Informationen zu liefern, den Zugang und die Anwendung so einfach wie möglich zu machen und mögliche negative Auswirkungen der PrEP (zum Beispiel langfristige Nebenwirkungen) zu minimieren – zum Beispiel durch ein Einnahmeschema, das weniger Tabletten als die dauerhafte tägliche Einnahme erfordert.

Erforderlich sind dafür möglichst einfach verständliche und umsetzbare Anleitungen zum PrEP-Start, zur PrEP-Einnahme und zum PrEP-Stopp.

Die für Deutschland gültigen Deutsch-Österreichischen PrEP-Leitlinien (die derzeit gültige Fassung stammt von Anfang 2024) beziehen sich vor allem auf die dauerhafte tägliche Einnahme der Tabletten-PrEP, nennen die Kurz-PrEP rund um sexuelle Kontakte lediglich als Option für Männer, die Sex mit Männern haben, und geben kaum konkrete Hinweise zum Start und Stopp einer PrEP etwa für trans oder nicht-binäre Personen.

Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der bisherigen Interpretation der Datenlage zu erklären: Lange Zeit waren Expert*innen der Meinung, dass vor allem eine hohe Wirkstoffkonzentration in den genitalen oder rektalen Schleimhäuten für den Schutz vor HIV entscheidend sei. Dies führt bis heute zu Einnahmeschemata, die im Prinzip von den beim Sex eingesetzten Organen und ihren Schleimhäuten abhängen. Mittlerweile aber interpretieren viele Expert*innen ältere und neuere Forschungsergebnisse so, dass wahrscheinlich der Wirkstoffspiegel in bestimmten Immunzellen für die PrEP-Schutzwirkung wichtiger ist, und zumindest die neuen britischen Leitlinien stimmen dem schon zu. Es handelt sich dabei um die sogenannten peripheren mononukleären Blutzellen (PBMCs), zu denen die HIV-Zielzellen gehören. Diese Zellen werden nicht vom Geschlecht, der Geschlechtsidentität, der Sexualität oder der Art des HIV-Risikos (sexuell oder beim Teilen von Spritzbesteck zum Drogenkonsum) beeinflusst. Sie kommen im gesamten Körper vor, sodass sowohl HIV-Risiken beim Sex als auch beim injizierenden Drogenkonsum abgedeckt sind.[2]

PMBCs

PBMCs steht für periphere mononukleäre Blutzellen, Englisch: Peripheral Blood Mononuclear Cells, PBMCs. Dabei handelt es sich um etwa 70–90 % Lymphozyten (weiße Blutkörperchen: T-Zellen, B-Zellen und natürliche Killerzellen), 10–20 % Monozyten und 1–2 % dendritische Zellen; von den T-Zellen wiederum sind zwei Drittel CD4-Zellen und ein Drittel CD8-Zellen.

Das neue Verständnis der PrEP-Wirkungsweise führt zu der Aussage, dass alle die PrEP mit einer Doppeldosis beginnen können, also dass bei allen Menschen schon 2 Stunden nach der Einnahme von 2 PrEP-Tabletten auf einmal eine ausreichende Schutzwirkung vor HIV gegeben ist.

Bisher wurde und wird zum Beispiel cis Frauen und einigen trans und nicht-binären Menschen mit aufnehmendem Vaginalverkehr gesagt, dass sie sieben Tage lang (oder sogar noch länger) täglich 1 Tablette einnehmen müssen, bevor sie geschützt sind.

Wichtig zur Vereinfachung der PrEP ist darüber hinaus die Botschaft, dass zum Schutz vor einer sexuellen HIV-Übertragung alle Nutzer*innen auch eine Kurz-PrEP rund um sexuelle Kontakte machen können. Bisher sahen das die meisten Leitlinien anders und nannten die Kurz-PrEP (auch „intermittierende PrEP“, „anlassbezogene PrEP“ oder „PrEP on demand“ genannt) lediglich als eine nicht von der Zulassung gedeckte, aber praktizierte Option für Männer und trans Frauen, die Sex mit Männern haben.

Ähnlich wie der schon Anfang 2024 aktualisierte und im Juli 2025 in der neuesten Ausgabe veröffentlichte UK Guide to PrEP will die Deutsche Aidshilfe deshalb mit neuen Materialien über diese neuen PrEP-Botschaften informieren und die PrEP-Anwendung erleichtern.

Eine ausführliche Darstellung der Hintergründe bietet der Beitrag „Neue PrEP-Leitlinien aus Großbritannien: Warum sie so spannend sind“ vom Juli 2025.

Neue PrEP-Materialien der Deutschen Aidshilfe

PrEP: selbstbestimmter Schutz vor HIV
Broschüre, A6, 52 Seiten, auf Deutsch

Die Broschüre informiert darüber, was die PrEP ist und wie sie wirkt, für wen die PrEP besonders geeignet ist, wie man die PrEP bekommt und welche Kosten entstehen können, welche Untersuchungen wichtig sind, welche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen die PrEP hat und wie man die PrEP startet, einnimmt und wieder beendet. Außerdem nennen wir wichtige Adressen, wo man weitere Informationen zur PrEP bekommt und wo man sich zur PrEP beraten lassen kann.


PrEP: selbstbestimmter Schutz vor HIV
Flyer, A7, 8 Seiten, auf Deutsch, Türkisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Rumänisch, Ukrainisch und Russisch

Der Flyer bietet die wichtigsten Informationen zur PrEP: Was ist die PrEP? Wie nimmt man die PrEP ein? Was bietet die HIV-PrEP? Hat die PrEP Nebenwirkungen und Wechselwirkungen? Für wen ist die PrEP geeignet? Wie bekomme ich die PrEP?
Er kann kostenlos bestellt, online angesehen oder heruntergeladen werden.


HIV-PrEP auf Privatrezept
Flyer, DIN lang/Querformat; 8 Seiten

Die PrEP ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und darf in diesem Rahmen nur von geschulten Ärzt*innen verschrieben und begleitet werden. Sie kann aber von allen Ärzt*innen auch auf Privatrezept verschrieben werden. Davon können zum Beispiel Menschen profitieren, die überhaupt keinen oder keinen leichten Zugang zu dieser Leistung haben. Dazu gehören etwa Personen ohne gesetzliche Krankenversicherung, zum Beispiel manche trans Frauen in der Sexarbeit, Menschen in Regionen mit schwierig zu erreichender PrEP-Versorgung oder Personen, die nur sporadisch ein HIV-Risiko haben, zum Beispiel Reisende mit sexuellen Kontakten in Ländern mit weiter HIV-Verbreitung. Der Flyer informiert Ärzt*innen, Berater*innen und auch mögliche PrEP-Nutzer*innen über die Möglichkeit der Privatverschreibung, das PrEP-Einnahmeschema, die nötigen Untersuchungen sowie die mit der Privatverschreibung verbundenen Kosten. Außerdem nennt er Links und Adressen für weitere Informationen sowie die PrEP-Beratung und -Begleitung.

Der Flyer (auf Deutsch) kann derzeit nur online angesehen und heruntergeladen werden.


PrEPared, 2 Motive
Postkarten und Aufkleber

Die Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU hat Postkarten mit Informationen zum vereinfachten PrEP-Einnahmeschema sowie Aufkleber herausgebracht, die unter dem Titel „PrEPared“ (Wortspiel aus PrEP und prepared, vorbereitet) auf die medikamentöse HIV-Prophylaxe aufmerksam machen. Zur Verfügung stehen die sexpositiven Motive „Ärsche“ – die PrEP ist gerade für Menschen mit aufnehmendem Analverkehr eine gute Möglichkeit, sich selbstbestimmt vor HIV zu schützen, ohne auf die Mitwirkung von Partner*innen angewiesen zu sein – und „Mund“, weil die PrEP in Deutschland derzeit nur als orale PrEP, also über die Einnahme von Tabletten möglich ist.

Die Postkarten und Aufkleber können kostenlos bestellt werden; die Motive stehen außerdem zur Online-Ansicht und zum Download zur Verfügung.


PrEP – Schutz vor HIV auch für Drogengebrauchende
Flyer, A7, 10 Seiten)

Die PrEP schützt auch vor HIV, wenn man beim intravenösen Drogenkonsum Spritzen oder Nadeln mit anderen teilt. Sie schützt aber nicht vor Hepatitis C, deshalb ist Safer Use für intravenös Drogen Gebrauchende wichtig – Safer Use schützt vor HIV und Hepatitis C. Die HIV-PrEP ist aber dann eine Option für Menschen mit intravenösem Drogenkonsum, wenn sie keinen Zugang zu sterilem Spritzbesteck haben, zum Beispiel in Haft. Und die PrEP schützt intravenös Drogen Gebrauchende natürlich auch dann vor HIV, wenn sie ungeschützten Sex haben.


Fußnoten

[1] Ausführliche Informationen dazu bietet der Beitrag „Warum die neuen HIV-PrEP-Leitlinien aus Großbritannien so spannend sind“ auf magazin.hiv (Juli 2025).

[2] Die neuen britischen Leitlinien bleiben dennoch vorsichtig und empfehlen vorerst weiterhin eine längere Phase (7 Tage) zur Beendigung einer PrEP für aufnehmenden Vaginalverkehr und Neovaginalverkehr sowie für intravenösen Drogenkonsum.

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