Aus für PrEPVacc

Schwerer Rückschlag für die HIV-Impfstoff-Forschung

Von Armin Schafberger
Cabotegravir-Depotspritzen

Im Dezember 2023 wurde die PrEPVacc-Studie wegen Unwirksamkeit der untersuchten HIV-Impfstoffe gestoppt. Damit ist unwahrscheinlich, dass noch in diesem Jahrzehnt eine Impfung gegen HIV auf den Markt kommt.

Es hätte eine Erfolgsgeschichte für die erste in Afrika koordinierte und von afrikanischen Instituten und Forscher*innen durchgeführte HIV-Impfstoffstudie werden können. Und es wäre die erste große durch europäische Forschungsmittel geförderte Impfstoffstudie gewesen.

Doch am 6. Dezember 2023 verkündete die Studienleitung aus Entebbe (Uganda) den Stopp: Von beiden in der PrEPVacc-Studie verwendeten HIV-Impfstoffen sei kein Erfolg mehr zu erwarten.

Detaillierte Ergebnisse werden später veröffentlicht. Das gilt auch für den zweiten Arm der Studie, in dem die orale Einnahme eines HIV-Medikaments mit den Wirkstoffen Emtricitabin (FTC) und Tenofoviralafenamid (TAF) bzw. Tenofovordisoproxil (TDF) untersucht wird.

PrEPVacc-Misserfolg beendet Impfstoff-Zuversicht

In PrEPVacc gab es drei Gruppen: zwei Gruppen der Teilnehmer*innen bekamen unterschiedliche Spritzen, die je einen DNA- und einen Protein-Impfstoff enthielten, eine dritte Gruppe erhielt eine Scheinimpfung (Placebo).

Die Impfstoffe für die beiden Gruppen hatte man auf Basis der bisher einzigen Impfstoffstudie mit wenigstens einem gewissen Erfolg aufgebaut: RV144. Die Studie wurde 2009 in Thailand abgeschlossen, erreichte aber gerade einmal einen etwa 30%igen Schutz, der zudem nur wenige Monate anhielt.

Die PrEPVacc-Studie war so aufgebaut, dass sie als Erfolg einen 70%igen Schutz hätte zeigen müssen. Das wurde nicht erreicht.

Damit ist ein zwar weiterentwickeltes, aber letztlich veraltetes Impfstoffkonzept gescheitert.

Das Aus von PrEPVacc bedeutet auch das Auf für einen HIV-Impfstoff in diesem Jahrzehnt.

Armin Schafberger

Die großen Hoffnungen der letzten Jahre hatten eigentlich auf drei Studien mit neueren Impfstoffkonzepten gelegen, doch auch diese Studien scheiterten:

  • Die Uhambo-Studie (HVTN 702) mit über 5400 Frauen und Männern in Südafrika wurde im Februar 2020 ohne Erfolg beendet.
  • Im August 2021 wurde die Imbokodo-Studie (HVTN 075) mit über 2600 jungen Frauen aus Malawi, Mozambik, Südafrika, Sambia und Zimbabwe abgebrochen. Die Schutzwirkung der Impfung betrug nur ca. 25%. Das ist zu wenig für die Prävention.
  • Im Januar 2023 kam das Aus für die Mosaico-Studie (HVTN 706) mit knapp 4000 Männern und trans Frauen, die Sex mit Männern haben. Diese Studie wurde in Nord- und Südamerika sowie Europa durchgeführt und brachte ebenfalls keinen Erfolg.

Mit dem Stopp der PrEPVacc-Studie ist damit derzeit keine große (und damit teure) Studie mehr unterwegs, in der an tausenden von Personen geprüft wird, ob ein Impfstoff auch Infektionen verhindern kann. Da solche Studien Jahre benötigen, um einen Effekt zu zeigen, bedeutet das Aus von PrEPVacc damit auch das Aus für einen HIV-Impfstoff in diesem Jahrzehnt.

Neue Impfstoffkonzepte vor alten Problemen

Die Impfstoffentwicklung geht dennoch weiter. Die nächsten Kandidaten setzen – wie auch schon die Covid-Impfstoffe – auf Messenger-RNA (mRNA) und versuchen nicht nur, eine breite Antikörperwirkung zu erzielen, sondern auch, die zelluläre Antwort des Immunsystems gegen HIV zu stärken.

Die Grundprobleme der HIV-Impfstoffforschung aber bleiben bestehen:

  • Es gibt kein Modell einer erfolgreichen natürlichen Immunabwehr, die HIV aus dem Körper entfernt oder eine Infektion verhindert, die man mit der Impfung nachbauen könnte. Kein Mensch hat jemals die Infektion aus eigener Kraft besiegt, auch wenn das Immunsystem bei einigen wenigen Menschen mit HIV (sogenannte Elite Controller) die HIV-Vermehrung auch ohne Medikamente kontrollieren kann.
  • Die große genetische Variabilität und die hohe Mutationsrate des Virus machen eine Impfstoffentwicklung schwer. Die genetische Vielfalt von HIV ist viel höher als z. B. bei Grippeviren.
  • HIV greift mit den Helferzellen ein zentrales Element des Immunsystems an, und auch ein durch die Impfung stimuliertes Immunsystem scheint davor nicht geschützt.

PrEPVacc testet auch die HIV-PrEP

Im Rahmen der PrEPVacc-Studie wurde darüber hinaus auch zur medikamentösen HIV-Prophylaxe PrEP geforscht. Wie auch bei der Impfung gab es zwei Gruppen mit verschiedenen Ansätzen. Eine Gruppe erhielt täglich eine Tablette mit den schon lange aus der HIV-Therapie und der PrEP bekannten Wirkstoffen Tenofovirdisoproxil (TDF) und Emtricitabin (FTC). Die andere Gruppe erhielt eine Weiterentwicklung von TDF namens Tenofoviralafenamil (TAF) plus Emtricitabin.

Das ältere TDF/FTC ist weltweit als PrEP gebräuchlich. Das neuere TAF/FTC ist zwar in einigen Ländern wie z.B. in den USA, Kanada und Großbritannien zur PrEP zugelassen (für Männer und trans* Frauen), nicht aber in der EU und afrikanischen Staaten.

Hoffnung auf Erkenntnisse zur HIV-PrEP bei Frauen

In den Ländern südlich der Sahara sind hauptsächlich junge Frauen von HIV betroffen. Daher hatte sich die afrikanische Studienleitung entschlossen, die Impfstoff-Studie auch um eine PrEP-Studie zu erweitern, denn die Datenlage für die „alte“ PrEP mit TDF/FTC ist für Frauen deutlich schlechter als für Männer. Einige Studien in Subsahara-Afrika hatten entweder gar keinen Schutzeffekt (FEM-PrEP– oder VOICE-Studie) oder einen schlechteren als bei den Männern ergeben (TDF2- und Partners-PrEP-Studie).

Es ist zu hoffen, dass der PrEP-Arm der Studie Erkenntnisse zur Schutzwirkung von TDF/FTC und TAF/FTC bei Frauen ermöglicht.

Armin Schafberger

Ein Faktor war, dass die sogenannte Adhärenz, also das Einhalten der Einnahmevorschriften, bei Frauen geringer war – unter anderem, weil einige Frauen Stigmatisierung und auch Gewalt durch die Partner fürchteten, wenn HIV-Medikamente bei ihnen zu Hause gefunden würden. Zum anderen aber handelt es sich auch um ein biologisches Problem: Tenofovir reichert sich in der Vaginalschleimhaut schlechter an als in der Schleimhaut des Enddarms. Frauen erreichen zwar auch einen fast 100-prozentigen Schutz, dürfen aber keine der täglichen Einnahmen vergessen. Bei Männern bzw. für Analverkehr hingegen reichen für den gleichen Schutzeffekt vier Einnahmen pro Woche.

Die Nachfolgesubstanz TAF/FTC wurde von der Herstellerfirma dann gar nicht mehr an Frauen erforscht und sie ist nicht für Frauen zugelassen. Das ist eigentlich ein Skandal – über den die wissenschaftliche Welt erstaunlich still hinweggegangen ist. Angesichts dieser Ungleichbehandlung und der Dringlichkeit, mit der man mehr Schutzoptionen für junge Frauen in Afrika braucht, ist daher zu hoffen, dass der PrEP-Arm der Studie Erkenntnisse zur Schutzwirkung von TDF/FTC und TAF/FTC bei Frauen ermöglicht.

Auch wenn die HIV-PrEP die Nase vorn hat: Eine Impfung wäre nötig

Während die HIV-Impfung bisher nur Rückschläge erlebt hat, schreibt die HIV-PrEP weiter Erfolgsgeschichte.

2021 wurde in den USA und im Herbst 2023 in Europa und afrikanischen Ländern eine PrEP mit dem HIV-Medikament Cabotegravir zugelassen, die nur alle zwei Monate in den großen Gesäßmuskel injiziert wird. Der Vorteil: man muss keine HIV-Medikamente zu Hause haben, und außerdem verhüten viele Frauen in Afrika mit der Monatsspritze. Sie könnten die HIV-PrEP-Spritze also unbemerkt von ihrem sozialen Umfeld in ihre Schutzstrategie integrieren.

Außerdem laufen zurzeit die großen PURPOSE-PrEP-Studien mit dem HIV-Medikament Lenacapavir. Diese PrEP muss nur alle sechs Monate subkutan (also wie eine Insulin- oder Heparin-Spritze) injiziert werden. Wie wissen allerdings noch nicht, ob diese PrEP schützt – die Studien werden um 2027 abgeschlossen sein.

Die Impfstoff-Forschung hingegen wird es nach den Schlappen der letzten Jahre schwer haben, Forschungsmittel zu erhalten und gegenüber einer gut wirksamen und breiter aufgestellten PrEP in der Prävention zu bestehen.

Dennoch werden wir HIV und Aids wahrscheinlich nur mit einer Impfung beenden – idealerweise schon im Kindesalter durchgeführt und lebenslang wirksam. Mit reichlich Hoffnung vielleicht im nächsten Jahrzehnt?

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