„Im Bett mit dem Staatsanwalt“
Hinter dem witzigen Titel steckt ein ernstes Thema: Wie beeinflusst die Rechtsprechung in Deutschland das Leben von Menschen mit HIV? Spätestens seit dem Prozess von No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa und ihrer Verurteilung nach § 223 StGB (Körperverletzung) stellen sich viele Positive die Frage: Kann mich das auch treffen? Nadjas Ex-Freund hatte sie angezeigt, nachdem sie mit ihm ungeschützten Sex hatte und er sich mit HIV infiziert hat.
Für viele HIV-Negative ist die Sache so einfach wie klar: Wer positiv ist, hat das gefälligst mitzuteilen oder muss sich zumindest um den Schutz kümmern. Und die bisherige rechtliche Situation gibt ihnen recht: Jeder, der sich mit HIV infiziert hat und dies weiß, muss den Sexpartnern durch Kondome schützen oder sich vorher als positiv outen. Klingt einfach, ist es aber nicht immer. Und es gibt mehr als Schwarz und Weiß:
Was, wenn Positive unter einer funktionierenden medikamentösen Therapie überhaupt nicht mehr ansteckend sind? Kann man dann auf Kondome und Outing verzichten, oder ist man damit rechtlich schon mit einem Bein im Knast? Dass solche Fragen vielen Positiven unter den Nägeln brennen, beweisen die mehr als 50 Interessierten im Workshop.
Am Nachmittag besuchte ich einen Workshop mit dem schönen Titel: PoBe meets VW. So richtig neugierig scheinen die 51.000 VW-Mitarbeiter allerdings nicht zu sein, niemand erschien, die PoBe blieb unter sich. Spannend war der Workshop trotzdem, machte er doch deutlich, wie schwierig es ist, sich am Arbeitsplatz als positiv zu outen. Die zwei Referenten, einer von WV, einer von IBM, berichteten, dass sie am Arbeitsplatz offen leben und damit sehr gute Erfahrungen gemacht haben, bestätigten aber auch, dass sie in ihren Firmen die einzigen offen lebenden HIV-Positiven sind. Das fand ich erschütternd.
Zum Abschluss doch noch eine kleine Bettgeschichte: Um vom anstrengenden Kongress mal abzuschalten, gibt es einen speziellen Ruheraum. Der eifrige Sicherheitsdienst hat diesen gestern abgeschlossen, dabei aber nicht bemerkt, dass sich darin noch eine Person befand, die eingeschlafen war. Ein paar Stunden später wurde ihr Klopfen und Rufen dann doch noch gehört. Sie trug’s mit Fassung und konnte sich tiefenentspannt dem weiteren Kongressgeschehen hingeben.
Weitere Informationen
Dossiers zum Thema HIV und Strafrecht auf aidshilfe.de
Positive Begegnungen 2012/Bock bloggt 1: Wissenswertes über Wolfsburg
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1 Kommentare
Kristal 26. August 2012 23:18
Zum Workshop „PoBe sucht VW“ kann ich nur bestätigen: Ich bin genau so erschüttert gewesen. Bei so großen Unternehmen nur jeweils eine Person. Eigentlich nichts, was einem Mut für ein Coming-Out im Betrieb macht. Aber es gibt einen Aspekt, den man dann doch nicht verdrängen kann. Es braucht erste Wegbereiter in den Betrieben und der Öffentlichkeit als positives Beispiel. Deshalb mein Dank an die beiden Referenten im Workshop.