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„Ich bin ein Therapieerfolg“

Von Werner Bock
Finger auf Tastatur
Soll ich – oder lieber nicht? Mit dieser Frage beschäftigten sich in einem Workshop über 30 Personen. Es ging darum, wie offen man mit der eigenen HIV-Infektion umgehen will. Spannend fand ich, dass dieses Thema auch viele Menschen interessierte, die schon lange, manche sehr lange HIV-positiv sind. Im Workshop waren Leichtigkeit und Schwere spürbar. Für die meisten ist das Coming-out, die Frage nach dem Wann, Wo und Wie, ein langer Prozess. Sie stellt sich in verschiedenen Lebensbezügen immer wieder neu. Sag ich es am Arbeitsplatz? Soll ich das meinen alten Eltern überhaupt zumuten? Wann muss ich ehrlich sein? Und ist das Weglassen der halben Wahrheit gleichbedeutend mit lügen?

Wie sagt man „es“ überhaupt? Die Antwort darauf hat viel damit zu tun, wie Menschen die HIV-Infektion für sich selbst erleben. Die alten Zuschreibungen von Krankheit und Gesundheit passen nicht mehr. Eine Teilnehmerin sagte: „Wir nehmen Tabletten nicht, weil wir krank sind, sondern weil wir gesund bleiben wollen.“ Ein anderer Teilnehmer beschrieb es so: „Früher sagte ich, ich bin krank, dann sagte ich, ich bin HIV-infiziert. Heute sage ich: Ich bin ein Therapieerfolg.“ Diese Sichtweise fand ich sehr erfrischend.

Immer neue medizinische Fortschritte lassen auch das Thema „Heilung“ am Horizont – und in einem Workshop – erscheinen. Nicht in den nächsten zwei, drei Jahren, aber durchaus als Szenario, das im eigenen Lebenslauf Wirklichkeit werden könnte. Geforscht wird zu verschiedenen Ansätzen: Sie reichen von möglichst früher Therapie – in der Hoffnung, das Immunsystem so fit zu machen, dass in späteren Jahren auf Medikamente ganz verzichtet werden kann – über neue Therapie-Möglichkeiten mit Antikörpern bis hin zur Gentherapie. Das Virus soll aus dem Körper verschwinden, oder zumindest – auch ohne ständig Medikamente einnehmen zu müssen – unter Kontrolle gebracht werden.

Wie gesagt: Zukunftsmusik. Was heißt das aber für Positive jetzt? Wie steht es z. B. um die Bereitschaft, selbst an Medikamenten-Studien teilzunehmen? Skepsis ist verbreitet. „Mir geht es seit 15 Jahren gut. Warum sollte ich an Studien teilnehmen und mich vielleicht einem Risiko aussetzen? Es kann ja eigentlich nur schlimmer werden“, sagt ein Teilnehmer. Ein anderer meint: „Wir müssen aber auch unseren Teil zur Forschung beitragen und können bei Medikamentenstudien nicht immer sagen: Macht das mal in Afrika.“ Ein schwieriges Thema, bei dem es im Einzelfall gut abzuwägen gilt.

Bevor es nun zu ernst wird: Therapie gibt es allabendlich auch im Tagungsbüro der PoBe: für gestresste Mitarbeiter. Heilung verspricht man sich aus einem Mix von Gin und Tonic. Für die besonders Gesundheitsbewussten gibt’s auch noch ein Stück Gurke. Ich begebe mich jetzt auch in die Behandlung. Mal sehen, ob ich morgen ein Therapieerfolg bin. Schön wär´s.

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