SEXTOURISMUS

„Käufliche Liebe ist auch nicht teurer als eine Beziehung“

Von Bernd Aretz
Straßenszene Bangkok
Zweimal im Jahr fährt Robert Beckmann, 57, für mehrere Wochen nach Thailand als Tourist, der nicht nur Land und Leute kennenlernen, sondern auch Sex haben möchte. Bernd Aretz sprach mit ihm über seine schwule Biografie und sein Verhältnis zur bezahlten Liebe.

Vor dreißig Jahren lebte er im Ysenburger Land als monogamer Familienvater. „Glücklich war ich nicht, die Sexualität war nicht sonderlich befriedigend,“ erzählt Robert. Bei der Masturbation hätten sich immer wieder Männer in seine Fantasien geschoben. Frankfurts Schwulenszene war ihm, auch weil sie zu öffentlich war, noch verschlossen.

„Sein erster Mann war ein Profi, der behutsam mit ihm umging“

„Die Erlösung und Erweckung kam für mich, als ich in einem Gratisblättchen die Kleinanzeigen einiger Escorts entdeckte. Nach mehreren Telefonaten, war es endlich so weit.“ Mit zitternden Knien, nervös, ängstlich, aber mit einem naiven Urvertrauen in die Seriosität und Verschwiegenheit sexueller Dienstleister traf er den ersten Mann seines Lebens, mit dem er sich auf sexuelle Entdeckungsreisen begab.

Sein Vertrauen wurde nicht enttäuscht. „Frisch geduscht konnte ich endlich den ganzen Körper eines Mannes erforschen, streicheln, riechen, lecken und war selber Subjekt liebevoller Zuwendung.“ Er hatte Glück. Sein erster Mann war ein Profi, der behutsam mit ihm umging, mit dem er über seine Lebenssituation sprechen konnte,wobei auch schon damals die merkwürdige neue amerikanische Krankheit Thema der Unterhaltung war.

„Ziemlich schnell nahm sich HIV viel Raum in seinem  Leben“

Weitere Kontakte mit Escorts brachten ihn schnell dazu, klare familiäre Verhältnisse zu schaffen, auszuziehen und als schwuler Mann zu leben. „Es folgten mehr oder weniger monogame und offene Beziehungen, offen auch für gemeinsame Erlebnisse im größeren Kreis.“

Autor Bernd Aretz
Autor Bernd Aretz

Ziemlich schnell nahm sich HIV viel Raum in seinem  Leben. „Mein Partner starb, um mich herum erlebte ich die zunehmende Angst.“ Das war noch in der Zeit, als die Medizin nicht sehr viel mehr bieten konnte als redliches Bemühen und einen zugewandten menschlichen Umgang. Die Aidshilfen machten es sich zur Aufgabe, die Vereinzelung zu durchbrechen, und boten den Raum für Engagement. Für ihn hieß und heißt das immer noch Organisation des Positiven-Cafés, Prävention auf dem Parkplatz, im Pornokino und in der Schule, Standbetreuung und Nothilfeeinsätze im Einzelfall.

Das geschieht natürlich nicht allein, sondern sozial eingebunden mit Menschen, die zum Teil auch seine Freunde geworden sind. Engagement ist ja nichts Mildtätiges, sondern hilft gegen Isolation. „Für mich ist eine Triebfeder, dass ich nicht allein alt werden möchte, sondern um mich herum eine lebendige schwule Szene erhalten will, in der ich auch Sex haben möchte.“

Ein Thailand-Urlaub eröffnete ihm eine neue Welt

Beziehungen stehen zurzeit nicht an. Die Verletzungen des letzten mehrjährigen Versuchs wirken noch nach. Billig war der nicht, weder emotional noch finanziell. „Und von der Gewährung oder Verweigerung sexueller Begegnungen als Kampfmittel in der Beziehung habe ich die Nase gestrichen voll.“ Zur Erholung brauchte er erst mal einen mehrwöchigen Urlaub. Der fand vor etwa drei Jahren in Thailand statt und eröffnete Robert, anknüpfend an seine ersten schwulen Erfahrungen, eine neue Welt.

„Ich war vorher schon häufiger in Thailand, aber es war das erste Mal, dass ich dort Sex für Geld hatte. Das ging nicht von mir aus, sondern ich wurde von einem jungen Mann verführt, der mir hinterher seinen Preis nannte, was mich zunächst überraschte. Aber er erklärte mir dann, er könne es sich bei seinen finanziellen Verhältnissen nicht leisten, einen ganzen Abend umsonst mit einem Mann zu verbringen, der nicht die große Liebe für ihn sei. Er hat mich aufgeklärt, wie das Geschäft in Thailand läuft und wie die Preise sind. Danach habe ich über PlanetRomeo Moneyboys gebucht, Männer zwischen 25 und 40, vielleicht auch 45, sie sehen ja teilweise jünger aus, als sie sind.“

Plädoyer für einen fairen Umgang mit den Moneyboys

Robert ist da nicht so festgelegt. Zentral ist ein freundliches Gesicht. Ein knackiger Hintern ist ihm wichtiger, als zehn Jahre mehr oder weniger.

Thailand: Ziel unzähliger (Sex-)Touristen
Thailand: Ziel unzähliger (Sex-)Touristen

„Schön ist, wenn wir sexuell gleich ticken. Das ist ja leider nicht immer der Fall.“ Im Chat werden erst einmal die Bedingungen abgeklopft. Ort, Zeit und Preis. „Da gibt es ja Standards, an die ich mich auch halte. Ich möchte und kann die Preise nicht verderben. Ich bin nicht der reiche Onkel aus Amerika. Aber Feilschen mag ich auch nicht. Die Männer müssen zum Teil ja davon leben. Da muss man fair mit ihnen umgehen.“

Das Feilschen der Freier, das Robert manchmal beobachtet, sei aber nicht unbedingt nur Ausdruck von Geiz, sondern ein Versuch zu glauben, dass man mit ihnen auch um ihrer selbst willen Sex hat. „Nach meiner Beobachtung haben in Thailand Frauen da noch stärker drunter zu leiden als ihre männlichen Kollegen. Ich finde das nicht gut.“

Dreingaben für nette und sexuell besonders talentierte Männer

Der vereinbarte Preis sei zu zahlen, so Robert, und wenn jemand nett und sexuell vielleicht besonders talentiert sei, gebe es noch was extra drauf oder eine Einladung zum Essen, ein T-Shirt oder auch mal ein Fläschchen Poppers. „Meine Sache ist das mit dem Poppers ja nicht. Mir reicht hin und wieder eine Potenzpille und der Mann als Droge. Aber vor Ort ist das Zeug teuer, und man kann den Männern damit eine Freude machen.“

Und manchmal kann Robert mit ihnen weit mehr erleben als Sex. Zu Einzelnen hält er auch von Deutschland aus über den Chat einen losen Kontakt. Ein Mann, mit dem er einen halben Urlaub verbrachte, macht nicht nur Reisebegleitung, sondern auch Führungen. Da lernt man dann nicht nur die besseren kulinarischen Adressen jenseits der Touristenströme kennen. Man trifft sich in der Disco und am Strand.

Als Stammgast und Stammfreier kennt Robert inzwischen auch die familiären Verhältnisse einiger Männer, ihre Hoffnungen und Sehnsüchte und ihre Lebensplanung. „Es ist ja sehr unterschiedlich. Manche haben einen Beruf und machen das nur als Nebenerwerb, manch einer bezahlt so sein Häuschen ab, andere verjubeln alles und fragen an, wenn die Miete völlig überraschend mal wieder fällig ist, ob man sie nicht kurzfristig buchen kann. Ich kenne inzwischen Männer, denen ich völlig vertraue. Bei anderen schließe ich Uhr und Handy lieber weg.“

Robert erwartet eine seriöse Dienstleistung

Robert macht sich da nichts vor. Es passiert zwar auch mal, dass ein schwuler thailändischer Mann mit ihm jenseits aller finanziellen Interessen Sex haben möchte, weil er als attraktiv gesehen wird, aber in der Mehrzahl sind es gewerbliche Kontakte, in denen er ein zwar anspruchsvoller, aber verlässlicher und hoffentlich umgänglicher Kunde ist.

Und so erwartet er auch vom Gegenüber eine seriöse Dienstleistung. Wenn die nicht erbracht wird, kommt der Mann auf die schwarze Liste. Am liebsten sind ihm ehrliche, freundschaftlich-geschäftliche Kontakte. Dazu gehört für Robert auch das Gespräch über HIV und über Kondome. Da ist er ganz klar: „Ich gebe nur noch ehrliche Antworten, alles andere würde mich verfolgen.“ Pariser mag er zwar nicht, aber der Respekt gebietet es, sich entsprechenden Wünschen nicht zu verweigern.

„Das schnelle Verlieben ist nicht mehr seine Sache“

Er mag die Männer. Das schnelle Verlieben ist nicht mehr seine Sache. Seine Erfahrungen damit, wie er früher in Beziehungen geschlittert ist, lassen ihn vorsichtiger werden. Er schließt nichts aus. Aber bis es sich vielleicht ergibt, bleibt die Erkenntnis, dass er von dem, was seine Liebesbeziehungen letztlich gekostet haben, er noch viele Jahre seinen Urlaub als Tourist in freundlicher Verbundenheit mit den Moneyboys verbringen kann.

2 Kommentare

Richy 27. April 2014 15:54

Meine Güte, unglaublich für mich , wie kaltblütig bzw. mit welcher emotionalen Kälte hier von Sexualität geschrieben wird. Wer Menschen liebt, mutet ihnen keine Prostitution zu. Prostitution geschieht nie wirklich freiwillig. Werbung für Thailand zu betreiben (auch das Paradies Pädokrimineller) , wo Mädchen, Jungen, Frauen auf den Strich geschickt werden, ist unerträglich. Und bitte, schreiben Sie nicht von `käuflicher Liebe`. Das brutale, knallharte Geschäft mit dem Sex, das zumeist und weltweit von Männern als Sexkäufer in Gang gehalten wird, hat so gar nichts mit Liebe zu tun. Es ist beschämend oder typisch für viele Männer, was sie für eine Vorstellung von Beziehungen, Liebe haben – Penetration ist anscheinend Alles. Dieser Typ Mann gehört für mich eigentlich auf die schwarze Liste!

Susanne Pielchau 19. August 2015 17:07

Schockierend wie hier Prostitution in Thailand als ‚käufliche Liebe‘ ( Liebe??) romantisiert wird und auch noch ein Kosten- Nutzen- Vergleich mit Beziehungen aufgestellt wird. Dass die Deutsche AIDS – Hilfe so einen Beitrag veröffentlicht, finde ich unverantwortlich !

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