BEHINDERT? MOBIL!

„Positive Reaktionen stärken einen“

Von Philip Eicker
JanisMcDavid
Janis McDavid lässt sich nicht behindern: Er hat keine Arme und Beine, ist aber mobiler als so mancher anderer.

„Bist du mobil?“ – das ist eine wichtige Frage bei der schwulen Dating-Seite Gayromeo. Mobil, das heißt: Auch spät noch raus aus der Wohnung, rein ins Auto, schnell zum Date, auch aufs Land, wenn längst kein Bus mehr fährt. Für Janis McDavid ist die Antwort klar: Ja, ich bin mobil! Der 23-Jährige hat zwar weder Arme noch Beine, dafür aber einen Mercedes Sprinter. Den steuert Janis mit einem Joystick, der am Fahrersitz angebracht ist, links auf Schulterhöhe, wo Janis einen superkurzen Arm hat. So kann der passionierte Autofahrer Gas geben, bremsen, lenken – und jederzeit zum Date aufbrechen.

Nur manchmal wollen die anderen Leute nicht. Oder genauer: Sie wollen nicht mehr, wenn sie erfahren, dass Janis ohne Gliedmaßen geboren wurde. „Ich hatte mal einen ganz netten Gayromeo-Chat“, berichtet er. Als Janis seine Behinderung erwähnt, nimmt das Gespräch eine 180-Grad-Wendung. „Er fing an, mich aufs Wüsteste zu beschimpfen, dass ich total bescheuert wäre und nichts könnte“, berichtet Janis. Keine Arme, kein Gehirn, so die Logik. „Das Gespräch habe ich dann schnell beendet“, sagt Janis. „Aber das war so heftig, dass es mich einige Tage danach noch beschäftigt hat.“

Neugierige Blicke sind Alltag

Das beste Gegenmittel gegen Pöbeleien in schwulen Chaträumen sind gute Freunde. Janis hat ihnen von dem Vorfall erzählt. „Wenn man sich mit vielen Leuten unterhält, stellt man schnell fest, dass es völlig irrelevant ist, was mein Chatpartner geschrieben hat.“ Mittlerweile postet Janis auch Ganzkörperfotos von sich. „Wer damit nicht umgehen kann, klickt mich dann gar nicht erst an. Dann muss ich mich nicht mit solchen Leuten beschäftigen.“ Janis hält inne und fügt an: „Eigentlich ist das genau die Einstellung, die man bei anderen nicht mag: Ich grenze mich ab. Aber ich glaube, hier ist das der praktischere Weg.“

Der Pöbel-Chat war zum Glück eine Ausnahme. Aber neugierige Blicke sind Alltag. Wo immer Janis aufkreuzt, steht er im Mittelpunkt. Sobald er mit seinem Rollstuhl über die Rampe aus dem Sprinter rollt, richten sich die Augen auf ihn. „Draußen kann ich nie Nasebohren, weil es irgendjemand schon sehen würde“, witzelt Janis. So richtig verstehen kann der gebürtige Hamburger die Fixierung auf seinen Körper nicht. „Der eine hat rote Haare, der andere keine Arme. Das war für mich kein großes Ding. Wenn die Voraussetzungen stimmen, kann ich alle Dinge genauso machen wie andere Leute auch.“ Und deshalb tut Janis das, was ein 23-Jähriger nun mal so tut: Er studiert Wirtschaftswissenschaften in Witten, macht ein Praktikum bei IBM in Berlin, engagiert sich nebenher beim schwul-lesbischen Jugendnetzwerk Lambda. In den Ferien reist er gerne durch Europa. Im Sommer war er mit Freunden in Barcelona.

Seine Selbstständigkeit hat sich Janis in kleinen Schritten antrainiert. Erster Schritt: Als Teenager ohne Eltern Schokolade kaufen gehen und einen Kunden um Hilfe bitten. Nächste Etappe: Allein zum Bus, den Fahrer nach einer Rampe fragen. „Beim ersten Mal ist das sehr schwierig“, sagt Janis, „aber sobald man positive Reaktion von Mitmenschen bekommt, dann stärkt einen das.“ Noch ambitionierter: Zum ersten Mal auf die schwule Party in Bochum. Diskos sind keine guten Orte für einen Rollstuhl: dunkle Gänge, dichtes Gedränge, dichte Männer. „Da muss man damit rechnen, angerempelt zu werden“, sagt Janis lachend. „Aber das hält mich nicht davon ab, hinzugehen.“

„Auch ohne Arme und Beine geht man studieren, arbeiten und feiern“

Im Rollstuhl auf die Party? Das hat einem Gast imponiert. „Ist ja toll, dass du mal rauskommst und nicht nur zuhause auf dem Sofa sitzt“, lobte er Janis. Der muss lachen, als er die Geschichte erzählt. „Wer mich kennt, weiß, dass ich kaum Zeit zu Hause verbringe.“ Als Janis das erzählt, sitzt er auf einem alten Plüschsofa mit Schnörkellehnen. Zum Raufklettern hat er sich mit Kopf und Schultern auf den Rand gelegt und sich mit der Muskelspannung seines Oberkörpers auf die Sitzfläche gerollt. Entspannt angelehnt argumentiert Janis nun ausführlich, warum er dieses Möbel so selten nutzt. „Auch wenn man keine Arme und Beine hat, geht man studieren, arbeiten und feiern“, betont Janis. Und natürlich hat Janis Sex. „Das fragen sich viele Leute, aber sie sind zu schüchtern, mich das direkt zu fragen“, sagt Janis. Dabei fände er Fragen viel besser als Fantasieren. „Die Leute machen sich dann irgendwelche Vorstellungen von meinem Körper – anstatt zu fragen, wie es wirklich ist.“

Janis will möglichst vielen Menschen zeigen, wie es wirklich ist. Deshalb berichtet er aufwww.janis-mcdavid.de aus seinem Alltag. „Ich will zeigen, dass man auch ohne Arme und Beine ein ganz normales Leben haben kann.“ Ein wichtiges Thema auf der Website, ist die Fortbewegung: Janis auf der Rollstuhl-Messe, Janis als Testfahrer bei den Rolli Power Days, wo er rollstuhlgerechte Autos prüft, Janis unterwegs in Vietnam. „Wenn die Leute einen Rollstuhl sehen, denken sie sofort: Der Arme kann fast nichts tun“, sagt Janis. „Mit meinen Reisen beweise ich das Gegenteil.“ Soviel zu der Frage: Bist du mobil?

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