WHO-Fortschrittsbericht: Verpasste Ziele
Ein neuer WHO-Bericht zeigt Erfolge, aber auch Lücken bei der Umsetzung der globalen Strategien des Gesundheitssektors für HIV, Hepatitis und sexuell übertragbare Infektionen.
Die Weltgemeinschaft ist im Kampf gegen HIV, Hepatitis und andere sexuell übertragbare Infektionen (STI) zwar vorangekommen, doch viele der für 2020 gesetzten Ziele wurden nicht erreicht. Das geht aus einem neuen globalen Fortschrittsbericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor.
Coronakrise hat die Situation verschärft
HIV, virale Hepatitis und sexuell übertragbare Infektionen stellen nach wie vor eine große Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Die Coronakrise ist dabei keineswegs die Hauptursache, denn schon zuvor waren viele Länder nicht auf der Zielgeraden. Die Pandemie hat die Situation allerdings verschärft.
HIV
Etwa 1,7 Millionen Menschen haben sich 2019 neu mit HIV infiziert, damit ist die HIV-Inzidenz auf den niedrigsten Stand seit 1990 gesunken. So erfreulich dies auf den ersten Blick erscheint – als globales Ziel angestrebt waren weniger als 500.000 Neuinfizierte bis 2020.
Sexuell übertragbare Krankheiten
Zahlen stagnieren
Ernüchternd sind die aktuellen Daten zu den verbreitetsten Geschlechtskrankheiten. Trotz der ehrgeizigen Ziele stagniert die Inzidenz. Tag für Tag kommt es weltweit zu geschätzt einer Million sexuell übertragenen Infektionen (STIs) – und in deren Folge jährlich zu 2,3 Millionen Todesfällen und 1,2 Millionen Krebserkrankungen.
Hepatitis
Auch bei Hepatitis B und C verzeichnet die WHO weiterhin hohe Fallzahlen. Für 2019 wurden rund 3 Millionen neue Infektionen sowie 1,1 Millionen Hepatitis-bedingte Todesfälle registriert. Die Defizite sind augenfällig: So werden lediglich 10 % der chronischen Hepatitis-B-Infektionen überhaupt diagnostiziert und nur 22 % behandelt. Dabei ist die Reduzierung der Hepatitis-B-Infektionen eines der wenigen Gesundheitsziele im Rahmen der globalen Nachhaltigkeitsstrategie.
Etwas besser sehen die Zahlen bei Hepatitis-C-Infektionen aus. Hier werden 21 % der Fälle erkannt und 62 % der Infizierten – etwa 9,4 Millionen Menschen – erhalten eine Behandlung. Das ist ein Anstieg um mehr als das Neunfache seit 2015. Diese Fortschritte täuschen allerdings nicht darüber hinweg, dass die für 2020 gesetzten Ziele verpasst wurden und der Abstand zu den Zielen für 2030 umso größer ist.
Erfolge für Schwangere
Es gibt allerdings auch wichtige Erfolgsgeschichten: So sind bei der Prävention und Versorgungen von Schwangeren deutliche Fortschritte zu verzeichnen. Inzwischen verfügen mehr und mehr Länder über nationale Strategiepläne und aktualisierte Richtlinien zur Behandlung von STIs, wie etwa Syphilis-Screening bei schwangeren Personen im Rahmen der Schwangerenvorsorge und die Impfung gegen humane Papillomviren.
Deutlicher Rückgang der Sterblichkeit und der Infektionen bei Neugeborenen
Übertragungen von Syphilis und HIV auf Babys während der Schwangerschaft und bei der Geburt sind deutlich zurückgegangen. Zwei Drittel aller Menschen mit HIV bzw. 85 % der schwangeren Menschen, die mit HIV leben, erhalten eine antiretrovirale Therapie. Dies hat zu einem deutlichen Rückgang der Sterblichkeit und weniger Infektionen von Neugeborenen geführt.
Weitere Ziele
Doch weiterhin haben viele Menschen keinen Zugang zu diesen lebenswichtigen Maßnahmen. Die am stärksten betroffenen und stärker gefährdeten Bevölkerungsgruppen haben in vielen Fällen keinen Zugang zu HIV/STI-Test-, Präventions- und Behandlungsangeboten. Durch die Coronapademie wurden zudem viele dieser Angebote ausgesetzt oder konnten nur einschränkt aufrechterhalten werden.
„Der Rechenschaftsbericht hätte vor einem Jahr, also vor Covid-19, ganz anders ausgesehen“, sagt Dr. Meg Doherty, Direktorin der WHO-Abteilung für globale HIV-, Hepatitis- und STI-Programme.
Maßnahmen beschleunigen und Interessensvertretungen unterstützen
„Unsere bisherigen Fortschritte zeigen aber, dass wir über Maßnahmen und Ansätze verfügen, mit denen eine große Wirkung erreicht und gegen Covid-19, HIV, virale Hepatitis und STIs vorgegangen werden kann.“ Der Bericht sei ein Aufruf zum Handeln. „Wir haben neun Jahre Zeit, um unsere globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“, erklärt Dr. Meg Doherty. Dies sei zwar ehrgeizig, aber möglich. Dazu müssten die Maßnahmen allerdings beschleunigt und von allen Interessensvertretungen unterstützt werden.
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