Hepatitis C: Rotes Blut und weißer Staub

Von Redaktion
Portrait Axel J. Schmidt
Axel J. Schmidt, Robert Koch-Institut (Foto: A. Bliemeister)

Schwule mit HIV bekommen häufiger Hepatitis C als andere Männer. Woran das liegt, hat ein Forscherteam um Axel J. Schmidt vom Robert Koch-Institut untersucht – die Ergebnisse und Empfehlungen für die Prävention

Seit etwa zehn Jahren registrieren Kliniken und HIV-Schwerpunktpraxen einen Anstieg von Hepatitis-C-Infektionen bei schwulen Männern mit HIV. Problematisch daran: Bei HIV-Positiven und anderen Immungeschwächten verläuft diese Leberentzündung in der Regel rascher, und es kommt häufiger zu einem Leberversagen. Warum vor allem HIV-positive Männer, die Sex mit Männern haben, von Hepatitis C betroffen sind, ist allerdings bislang noch nicht völlig geklärt. Um die (Hinter-)Gründe zu erhellen, hat das Team um Axel J. Schmidt in einer Studie zum Sexualverhalten von 101 HIV-positiven Männern unter die Lupe genommen, 34 davon Hepatitis-C-konfiziert.

Die auffälligste Gemeinsamkeit der Koinfizierten: Viele berichteten von Blutungen nach dem Analverkehr – anders als die positiven Männer ohne Hepatitis C aus der ähnlich zusammengesetzten Vergleichsgruppe. Eine weitere Auffälligkeit: Koinfektionen traten öfter bei Männern ein, die passives „Fisting“ („Faustfick“) praktizierten. Bei dieser Sexualpraktik führt der Partner die Hand oder den Unterarm in den Enddarm ein, was dort mitunter zu Blutungen führt.

Ist dann der fistende Partner die Infektionsquelle? „Nein, unverletzte Haut stellt weder Austrittspforte noch Eintrittspforte für HCV dar, auch wenn die Haut mit Blut in Berührung kommt“, erklärt Schmidt. Zur Übertragung von Hepatitis C kommt es offenbar vor allem beim Sex mit mehreren Männern nacheinander, zum Beispiel beim Gruppensex. „Wir nehmen an, dass die Infektion nicht zwischen den beiden Sexpartnern direkt übertragen wird, sondern von einem passiven Partner über den Fister zum nächsten passiven Partner“, so Schmidt. Der aktive Sexpartner „trägt“ dabei HCV-haltiges Blut weiter. Dies kann übrigens auch dann passieren, wenn der eindringende, aktive Partner Handschuhe benutzt, denn an ihnen kann sich ebenfalls Blut befinden.

Gefährliche Wissenslücke: Hepatitis C kann auch über die Nase übertragen werden

Ein altbekannter Übertragungsweg auf den die Forscher ebenfalls aufmerksam machen: der Konsum von Kokain, Amphetamin („Speed“) oder Ketamin über die Nase. Wird beim „Sniefen“ das Röhrchen oder ein aufgerollter Geldschein weitergereicht, kann HCV-haltiges Blut aus der Nasenschleimhaut weitergegeben werden. Zwei Drittel der befragten Studienteilnehmer wussten das nicht. „Diese Infektionsgefahr ist unterbelichtet, obwohl sie seit Jahren bekannt ist“, stellt Schmidt fest.

Wissenslücken gibt es auch in punkto Schutzmöglichkeiten: „Viele Menschen glauben, dass Hepatitis C sexuell genauso übertragen wird wie HIV, und dass man sich deshalb genauso davor schützen kann wie vor HIV“, erläutert Schmidt. 90 Prozent hatten angenommen, durch konsequente Kondomverwendung definitiv vor Hepatitis C geschützt zu sein. Ein Irrtum: „Die altbekannten Safer Sex-Regeln sind ein Konstrukt, um das Risiko von HIV-Infektionen zu senken“, betont Schmidt. „Sie gelten nicht automatisch für andere Krankheiten mit anderen Übertragungswegen.“ HCV ist bei fast allen sexuellen Praktiken sehr viel schlechter übertragbar als HIV. Kommt jedoch Blut ins Spiel, kehrt sich dieses Verhältnis um: HCV ist über kontaminiertes Blut viel leichter zu übertragen als HIV. Ist Hepatitis-C-haltiges Blut erst einmal am Kondom, kann es sehr leicht von einem passiven Partner zum andern wandern.

Für HIV-positive Schwule müssen andere Empfehlungen für die Hepatitis-C-Prävention verbreitet werden als die gewohnten Safer-Sex-Regeln, fordert Schmidt. Als Beispiel formuliert er gleich zwei „Faustregeln“ fürs Fisten: „Fisten nur mit Handschuh – und pro Handschuh nur ein Arsch.“ Ganz allgemein müsse das Bewusstsein für Situationen geschärft werden, in denen man mit Blut in Kontakt kommen kann: „Wer Kokain, Speed oder Ähnliches konsumiert, sollte zum Sniefen ein eigenes Röhrchen verwenden und dies nicht mit anderen teilen“, so Schmidt. „Beim Analverkehr sollte man für jeden Partner ein neues Kondom und beim Fisten neue Handschuhe verwenden.“ Auch die Benutzung eines gemeinsamen Gleitmitteltopfs sei problematisch, da sich im Gleitmittel HCV-haltiges Blut befinden kann.

Überzogene Angst vor Hepatitis C begünstigt weitere Übertragungen

Der große Verdienst der Sexstudie: Sie schafft Klarheit, wo bisher viel vermutet wurde. Die Autoren warnen vor einer Bagatellisierung des Problems – Hepatitis C ist eine ernsthafte Erkrankung –, aber auch vor überzogener Angst. Denn beim Sex zu zweit – ob mit Faust oder ohne – kann Hepatits C nur sehr schwer übertragen werden.

„Es ist wichtig, Männer mit HIV und Hepatitis C nicht sexuell auszuschließen“, betont Schmidt. Schon bei HIV zeige sich: Je öfter HIV-positive Menschen aus Angst vor Ansteckung als Sexpartner abgelehnt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie nur noch mit anderen Positiven Sex haben. Die Wissenschaftler sprechen hier von „Netzwerkverdichtung“. Tritt in solchen sexuellen Netzwerken dann eine neue Infektion auf – wie in diesem Fall HCV –, ist die Gefahr, sich anzustecken, sehr viel größer – vor allem dann, wenn niemand darüber spricht. Der sexuelle Ausschluss schwuler Positiver mit HCV ist diskriminierend und führt vor allem dazu, dass zu Hepatitis C weiterhin geschwiegen wird.

Was also ist gefragt? Sachliche Information und Aufklärung sowie leicht verständliche und umsetzbare Präventionsempfehlungen – Faustregeln im besten Sinne.

Philip Eicker

Zur Studie „Trouble with Bleeding“

1 Kommentare

Ralf Runniger 9. September 2011 11:03

Aus meiner Sicht ist auch ein wichtiger Aspekt bei der HCV-Übertragung die gemeinsame Benutzung von Spülstäben oder Schläuchen, so wie es in Berlin im Lab und Ajpnia und in verschiedenen Saunen üblich ist.

Lieben Gruß

Ralf Runniger

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