Eine Kommission der Vereinten Nationen soll staatliche Verletzungen der Menschenrechte von HIV-Positiven reduzieren. Auf Regionalkonferenzen diskutieren HIV-Aktivisten, Experten und Regierungsvertreter zunächst über diskriminierende Gesetze und Zustände. Peter Wiessner war in Moldawien mit dabei, wo die Situation in Osteuropa und Zentralasien erörtert wurde – und kann erste Erfolge vermelden

Osteuropa und ZentralasienIn zahlreichen Ländern der Welt verhindern Gesetze effektive Maßnahmen gegen HIV und verletzen die Menschenrechte von HIV-Positiven beziehungsweise von besonders stark von HIV bedrohten Gruppen wie Männern, die Sex mit Männern haben, und Drogengebrauchern.

Um daran etwas zu ändern, hat das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) im Juni 2010 eine Kommission einberufen, der engagierte Politiker aus dem HIV-Bereich, Juristen und HIV/Aids-Aktivisten angehören.  Sie soll Empfehlungen entwickeln, um diskriminierende und hinderliche Gesetzte aus dem Weg zu räumen.

Bis zum Jahr 2012 soll die Kommission bei mindestens zehn Regierungen Gesetzesänderungen anregen. Das Gremium arbeitet dabei unabhängig. Das ist außergewöhnlich, sind doch die Vereinten Nationen üblicherweise auf diplomatische  Zurückhaltung geeicht, wenn es darum geht, Missstände zu benennen.

Um die regionalen Gesetzeslagen und ihre Folgen zu erforschen, hat UNDP seit Beginn des Jahres sieben regionale Konsultationen initiiert, bei denen Politiker, HIV-Experten und Aktivisten miteinander diskutieren. Zur Vorbereitung dieser Treffen werden die regionalen HIV-Communities gebeten, Erfahrungsberichte einzureichen und Themen
vorzuschlagen.

Moldawien kündigt Abschaffung diskriminierender Einreisebestimmungen an

Am 18. und 19. Mai fand in Chişinău, Moldawien (im Bild rot markiert), die Konsultation für die Länder Osteuropas und Zentralasiens statt – Länder in denen vieles im Argen liegt.

Eingangs ging es allerdings zunächst um die globale Entwicklung. Vivek Divan, vormals Jurist und Aktivist für die HIV-Organisation HIV Lawyers Collective  in Mumbai, und
jetzt Sekretär der Kommission, skizzierte in einem Vortrag relevante Entwicklungen der letzten Jahre. Rückschläge habe es vor allem in den Bereich des Patentrechts gegeben. Man beobachte verstärkt Behandlungsunterbrechungen, die auf eine mangelnde Versorgung mit Medikamenten zurückzuführen sind.

Divan thematisierte außerdem Gesetze gegen sexuelle Handlungen unter Männern in einigen afrikanischen Ländern. Nach seinen Erfahrungen ist in der Auseinandersetzung mit den entsprechenden Regierungen eine Argumentation hilfreich, die auf die Menschenrechte und Evidenz setzt.

Zurück nach Osteuropa und Zentralasien: 10 von 30 Ländern dieser Region diskriminieren Menschen mit HIV zum Beispiel bei Einreise und Aufenthalt. Auch das Gastland der Konferenz, Moldawien, stellt HIV-Positiven keine längerfristige Aufenthaltsgenehmigung aus und zwingt sie zur Ausreise (mehr Informationen: www.hivrestrictions.org). Hier zeigte die Konferenz aber bereits Wirkung: Ein Vertreter des Außenministeriums kündigte eine Änderung des Gesetzes zum Jahresende an.

Fortschritte bei der Substitution in Kirgistan und Litauen

So kooperativ zeigen sich leider nicht alle Länder. Besonders bedauerlich: Es reiste kein Regierungsvertreter aus Russland an. Zahlreiche Einladungen blieben ergebnislos, so  die Organisatoren. Das ist fatal, denn das Land deckt ein riesiges Gebiet ab, einige der bedenklichsten Menschenrechtsverletzungen werden aus der Region berichtet,  Bestrebungen der Zivilgesellschaft werden mit Argwohn beäugt.

Zur Konsultation wurden rund 100 Beiträge eingereicht, jeweils zur Hälfte durch Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen. Viele der Beiträge beschrieben Probleme im Zusammenhang mit Drogenpolitik: willkürlichen Arrest durch die Polizei, geheime Listen von Drogenkonsumenten, Diskriminierung durch Gesundheitspersonal, Unverständnis in Bezug auf die Ursachen des Drogengebrauchs, restriktive Maßnahmen durch Gesetzgeber. Die Palette der Missstände scheint endlos.

Positive Entwicklungen sind rar, sollten aber auch nicht unter den Tisch fallen: So hat etwa Kirgistan die Substitutionstherapie eingeführt, dort und in Litauen sind entsprechende Therapien nun auch in Untersuchungshaft möglich.

 Diskriminierung auch bei der medizinischen Behandlung

Viele der Beiträge brachten Diskriminierung in der Behandlungsrealität zur Sprache: Aus Russland und Kasachstan wurde berichtet, dass Ambulanzen den Transport von Menschen mit HIV zum Krankenhaus verweigert haben. Ein Problem ist auch die Bürokratie: Manche Kliniken wissen nicht, wie und wo HIV-Medikamente bestellt werden können, Behandlungsunterbrechungen oder Therapiewechsel  sind die Konsequenz. Ferner wird berichtet, dass durch Falschinformation in Bezug auf HIV und Übertragungswahrscheinlichkeit, Mütter mit HIV zur Abtreibung „überredet“ werden. Außerdem wurden laut einiger Berichte Menschen angezeigt und verurteilt, weil sie gegenüber ihrem Arzt die HIV-Infektion verschwiegen hatten.

Diese Liste könnte beinahe endlos fortgeführt werden. (Ein ausführlicher Bericht über die Situation in Osteuropa und Zentralasien ist auf Englisch und Russisch verfügbar.) Das Treffen in Chişinău war vielversprechend.  Auf die Empfehlungen der Kommission darf man gespannt sein!

Die nächsten regionalen Dialoge nehmen die Situation in Nordafrika, dem Mittleren Osten und in den Industrienationen unter die Lupe. Gewünscht sind neben einigen anderen europäischen Ländern auch Berichte aus Deutschland. Einsendeschluss für Beiträge ist allerdings schon der 7. August 2011.

Webseite der Kommission

Bericht der Konferenz in Moldawien

Unser Autor Peter Wiessner ist HIV/Aids-Aktivist und freier Mitarbeiter der Deutschen AIDS-Hilfe. An der Konferenz in Moldawien hat er als Experte für Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen teilgenommen

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