Am 18. Oktober beginnen die Lesbisch-Schwulen Filmtage Hamburg. Ein Programmschwerpunkt liegt auf dem Thema 30 Jahre HIV und Aids. Von Axel Schock

Aids-Aktivist im San Francisco der 80er Jahre
30 Jahre HIV und Aids im Film – Szene aus der Dokumentation „We Were Here“

1981 war diese mysteriöse Krankheit plötzlich in New York aufgetaucht, nur kurze Zeit später hatte sie sich auch in San Francisco wie ein Flächenbrand ausgebreitet. Die schwule Community reagierte mit Entsetzten und Angst, aber auch ganz pragmatisch und solidarisch. Weil viele Beschäftigte in den Krankenhäusern aus Furcht vor einer Ansteckung die Pflege der Aids-Kranken verweigerten, wurde nicht nur Krankenpflege selbst organisiert, sondern auch das Prinzip „Essen auf Rädern“ aus der Taufe gehoben. Freiwillige Helfer, sogenannte Buddies, versorgten Betroffene zu Hause und leisteten den Kranken Beistand.

Wie sich die schwule Gemeinde von San Francisco während dieser ersten Phase der Pandemie politisch wie sozial organisierte und ganz nebenbei neue Formen der Solidargemeinschaft entwickelte, zeigen sehr eindrücklich zwei Filme bei den Lesbisch-schwulen Filmtagen Hamburg (18.-23.10.): „Buddies“ und „We Were Here“  (siehe Blogbeitrag zur Berlinale) sind Teil des dortigen Programmschwerpunkts „30 Jahre HIV und Aids“.

Ein Aids-Kranker im Krankenhausbett und sein Buddie
Arthur J. Bressans „Buddies“ von 1985 ist der der erste Spielfilm zum Thema Aids

Die Low-Budget-Produktion „Buddies“, entstanden 1985, gilt als der erste Spielfilm zum Thema Aids überhaupt. Arthur J. Bressan hatte am Beispiel des aidskranken Robert und seines Buddies David die enorme Kämpfe und Umwälzungen, die die Gay Community verkraften musste, zu einem Kammerspiel komprimiert.

25 Jahre später arbeitete David Weissman diese erste Phase der Pandemie eindrucksvoll mit dokumentarischen Bildern und Zeitzeugeninterviews auf. In „We Were Here“ rekapituliert der US-Regisseur die Entwicklung der „gayest city in the world“ von den siebziger bis in die späten neunziger Jahre. Fast 16.000 Aidstote hatte die Stadt bis dahin zu beklagen.

Protagonist aus dem Film
Interviewszene aus Mark Strombachs Dokumentarfilm „Mein positives Leben“

Mark Strombachs Interviewfilm „Mein positives Leben“, in dem sieben Langzeit-Positive über ihr Leben mit HIV, über ihre Wünsche und Träume, über Sexualität, Beziehung und Verlust sprechen, wird in Hamburg seine Uraufführung erleben (ein ausführlicher Bericht folgt).

Auch Alexander Hubers Festivalbeitrag „The Bareback Issue“ beschränkt sich fast ausschließlich auf Interviews. Im Gegensatz zu den Protagonisten in „Mein positives Leben“ bleiben seine Gesprächspartner allerdings fast durchgängig anonym. Bis auf einen Pornodarsteller sowie Ärzte und Aids-Aktivisten will niemand offen über Barebacksex sprechen (Bareback bedeutet eigentlich „Reiten ohne Sattel“, übertragen: Sex ohne Kondom).

Die in London und Berlin auf englisch geführten Gespräche streifen dabei alle naheliegenden Aspekte des viel und kontrovers diskutierten Themas: Ob der Konsum von Drogen und Alkohohl riskanten Sex befördert, ob Bareback-Pornos das Sexualverhalten beeinflussen, ob Sexsucht und exzessive Promiskuität zwangsläufig zu Barebacksex führen. Angesprochen werden auch die gesundheitlichen Risiken, insbesondere die Problematik von HIV-/Hepatitis-C-Doppelinfektionen. Und dann ist da auch noch der finanzielle Aspekt der womöglich leichfertig in Kauf genommenen HV-Infektion. Rund 500 000 Euro, so rechnen zwei Ärzte vor, koste die HIV-Therapie für einen jung infizierten Mann für die realistisch geschätzten 30 bis 40 weiteren Lebensjahre.

Regisseur Alexander Huber vermeidet eine eigene, klare Haltung zu seinem Stoff – und unterscheidet sich dabei wesentlich von der engagierten, wesentlich aufwendiger und handwerklich überzeugenderen Bareback-Dokumentation „The Gift“ (2003) von Louise Hogarth. Für eine erste Auseinandersetzung mit dem Thema Barebacking liefert der halbstündige Film dennoch genügend Material. In Hamburg werden denn auch im Anschluss an die Vorstellung am 22. Oktober unter anderem der Regisseur, ein Bareback-Pornoregisseur sowie Vertreter des Hamburger Präventionsprojektes Hein & Fiete miteinander diskutieren.

Mit „Together“ (siehe Blogbeitrag zur Berlinale 2011) wird im Rahmen der Festivalreihe beispielhaft die Situation von Menschen mit HIV und Aids in einem Land außerhalb der westlichen Welt beleuchtet. Zhao Liang hat die Dreharbeiten zu einem Spielfilm des befreundeten Regisseurs Gu Changwei dokumentiert, der in seiner Aidsparabel „Life is a Miracle“ bewusst auch HIV-positive Laiendarsteller einsetzen wollte. „Together“ zeigt nun nicht nur die Schwierigkeiten beim Casting, sondern erzählt auch von der Diskriminierung, Ausgrenzung und der Scham der Betroffenen – und den Reaktionen der nichtinfizierten Schauspieler auf ihre HIV-positiven Kollegen am Set.

Collage aus Videobildern
DasVideoprogramm „Viral“ verbindet zwei Jubiläen: 30 Jahre MTV und 30 Jahre HIV/Aids

Zu guter Letzt untersuchen Evan Romero und Nicolas Feustel die ersten 30 Jahre der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema HIV und Aids, indem sie es mit einem anderen Jubiläum verknüpfen, nämlich mit 30 Jahren MTV. Für ihr Videoprogramm „Viral: HIV/Aids in Music Videos“ haben die beiden Beispiele von Videoclips aus drei Jahrzehnten zusammengestellt, in denen sich Popmusiker und Videokünstler auf unterschiedlichste Weise mit der Krankheit auseinandergesetzt haben.

 

Weitere Informationen:

Homepage der Lesbisch-schwulen Filmtage

Trailer zu „Mein positives Leben“ und Facebook-Profil zum Film

Trailer zu „The Bareback Issue“

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Über

Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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