DEBATTE

HIV-Test auf dem Postweg

Von Axel Schock
Briefträgerrad
Cary James vom Terrence Higgins TrustMit einem speziellen HIV-Heimtest hat die britische Präventions-Organisation Terrence Higgins Trust erstaunlich viele Menschen zu einem Selbsttest bewegt. Axel Schock sprach mit dem Leiter des Programms, Cary James.

Cary, wie ist das HIV-Heimtest-Programm des Terrence Higgins Trust organisiert?

Was wir anbieten, ist oder vielmehr war – im Moment sind alle Testsets weg, wir suchen gerade nach einer neuen Finanzierung – ein postalischer Heimtest-Service. Das heißt, man bekommt auf Bestellung ein Testset zugeschickt, mit dem man die notwendige Blutprobe zu Hause vornehmen kann. Dafür drückt man drei Tropfen Blut auf einen beigefügten Papierstreifen und sendet ihn an uns zurück. Sobald das Testergebnis vorliegt, in der Regel innerhalb von 15 Tagen, kontaktieren wir die Menschen, um ihnen das Ergebnis mitzuteilen. Entscheidend ist, dass sie das Testergebnis nicht unmittelbar zu Hause erhalten. Es handelt sich daher also nicht um einen Heimtest im eigentlichen Sinne.

Blutentnahme zu Hause, Test  im Labor

Wie bekomme ich das Testergebnis? Muss ich dazu eine Beratungsstelle aufsuchen?

Wer überlegt, einen HIV-Test zu machen, füllt zunächst auf unserer Internetseite einen Fragebogen aus, um herauszufinden, ob ein Test überhaupt sinnvoll ist. Falls ja, gibt man seine Postadresse an, an die wir das kostenlose Test-Set senden, und außerdem eine Telefonnummer. Ist das Testergebnis negativ, schicken wir die Nachricht per SMS. Bei einem positiven oder„reaktiven“ Ergebnis, wie wir das nennen, rufen wir die Betreffenden an.

Das heißt, die Projektmitarbeiter müssen Menschen in dieser schwierigen Situation übers Telefon psychologisch auffangen?

Die Berater machen den Menschen erst mal klar, dass ein zweiter Test zur Bestätigung nötig ist – nun allerdings in einer Ambulanz für sexuelle Gesundheit. Wir haben mit allen Zentren im Land Vereinbarungen getroffen, damit diese Menschen keine langen Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, sondern problemlos einen Termin für ein Beratungsgespräch und die Blutabnahme bekommen. Das funktioniert auch sehr gut: Fast alle reaktiv getesteten Teilnehmer haben tatsächlich auch den Weg zu einer Ambulanz gefunden und wurden dort dann weiter betreut.

Seit wann läuft das Projekt mit dem Heimtest per Post?

Wir sind im Januar 2013 mit einer Probephase gestartet und haben dann dieses Jahres begonnen, das Ganze offensiver zu bewerben.

Wie lief denn diese Werbung ab?

Werbung Für HIV-Test
„Kostenlos und vertraulich“ – der Terrence Higgins Trust wirbt für den postalischen HIV-Test (Abb.: THT)

 

Wir haben zum einen mit „It starts with me“ zusammengearbeitet, unserer nationalen HIV/Aids-Präventionskampagne für schwule Männer, und daneben gab es auch Poster, Anzeigen in Zeitschriften und Werbung auf Bussen. Außerdem haben wir über Soziale Medien wie Facebook und Twitter speziell bei schwulen Männer und Menschen aus der afrikanischen Community geworben. Eingebunden haben wir außerdem schwule Kontaktseiten wie Gaydar und Manhunt mit Bannerschaltungen, aber auch Direktnachrichten an alle User. Das Gleiche haben wir auch bei den Nutzern von Smartphone-Apps wie Grindr gemacht, das war die mit Anstand erfolgreichste Werbeaktion für dieses Pilotprojekt: Aufgrund einer einzigen Textnachricht haben wir innerhalb eines Tages über 1000 Testset-Bestellungen bekommen.

Über 11.000 eingeschickte Proben in einem Jahr

Wie viele Bestellungen gab es insgesamt?

Bislang haben wir rund 18.500 Testsets verschickt, etwa 11.000 wurden zur Auswertung der Blutproben an uns wieder zurückgeschickt.

Das ist ja eine beachtliche Menge.

Und dafür haben wir uns nicht einmal sonderlich angestrengt. Das Budget für die ganze Aktion war recht klein, es gab lediglich einen bescheidenen Betrag von der Regierung. Viele Werbemaßnahmen waren auch nur durch Sponsoring möglich. Die Testmaterialien wurden beispielsweise von dem Labor, das die Blutproben untersucht, zur Verfügung gestellt. Genau genommen waren wir mehr oder weniger komplett von solchen Unterstützungen abhängig und hatten selten mehr als 3000 oder 4000 Testpakete vorrätig. Dementsprechend vorsichtig waren wir, wie stark wir das Angebot promoten, um die Nachfrage auch stets ohne Wartezeit befriedigen zu können. Hätten wir die Aktion tatsächlich in großem Stil beworben, wären sicherlich vier- bis fünfmal mehr Tests angefordert worden.

Ist das Ziel, möglichst viele Menschen zu testen?

Uns geht es in erster Linie darum, jene geschätzt rund 22 Prozent HIV-Positiven im Land zu erreichen, die noch nicht von ihrer Infektion wissen. Wir sehen das als Pilotprojekt, um zu erkunden, wie HIV-Tests in Großbritannien künftig organisiert werden können. Derzeit werden Tests allein auf lokaler und städtischer Ebene finanziert; von staatlicher Seite dürfen dafür keine Gelder fließen. Uns liegt allerdings sehr an einem landesweiten Angebot, und wir versuchen dafür nun einen Weg zu finden, ohne dass die Regierung das Programm offiziell finanziert. Letztlich geht es um ein verwaltungstechnisches Problem Denn dass das Programm hilfreich, sinnvoll und unterstützenswert ist, darüber sind sich Politik und Gesundheitsbehörden auf allen Ebenen einig. Nicht zuletzt auch, weil unser Weg kostengünstiger ist.

Wie kommt das?

Üblicherweise werden HIV-Tests in sexual health clinics, Ambulanzen für sexuelle Gesundheit durchgeführt. Diese berechnen den lokalen oder regionalen Behörden pro Test zwischen 120 und 170 Euro. Wir können unseren postalischen HIV-Test dagegen für weniger als 25 Euro durchführen. Aus Regierungssicht besteht hier also ein enormes Sparpotenzial.

97 Prozent empfehlen diese Form des HIV-Tests weiter

Soll denn der postalische Heimtest den regulären HIV-Test dann komplett ablösen?

Nein, keineswegs. Für viele Menschen ist es ganz sicher am besten, zu einer Einrichtung zu gehen, wo man sich vor und nach dem Test beraten lassen kann. Für viele andere aber ist die postalische Form des Heimtests tatsächlich eine gute Sache. 97 Prozent von denen, die ihn ausprobiert haben, würden den Service auch ein weiteres Mal Anspruch nehmen wollen. Und empfehlen ihn weiter.

Welche Ziele sollen durch das Programm erreicht werden? Jene zum Test zu bewegen, die den Weg bislang gescheut haben, oder allgemein die Menschen zu zu häufigeren Tests zu bewegen?

Werbeplakat
Werbeaktion des Terrence Higgins Trust für HIV-Test (Abbildung: THT)

Uns geht es um beides. Wie wir durch eine Umfrage unter den Teilnehmern ermitteln konnten, hatte ein Drittel derer, die uns ihre Blutproben zugeschickt haben, zuvor noch nie einen Test gemacht. Bei einem Viertel lag der letzte Test länger als zwölf Monate zurück. Wir haben auch gefragt, warum sie diese Form des Tests gewählt haben. Die Mehrheit gab an, dass sie dafür keine Ambulanz aufsuchen wollten oder deren Öffnungszeiten für sie ungünstig waren. Uns geht es natürlich auch darum, die Testhäufigkeit unter Menschen mit hohem HIV-Risiko zu erhöhen.

Warum?

Je mehr HIV-infizierte Menschen von ihrem Status erfahren und je mehr wir in Behandlung bringen können, umso mehr potenzielle Neuinfektionen können verhindert werden, denn eine gut funktionierende HIV-Therapie schützt ja vor Übertragungen. In Großbritannien liegt die Zeitpanne zwischen Infektion und Diagnose immer noch bei durchschnittlich drei Jahren. Wenn wir die Leute dazu bringen, sich wenigstens einmal jährlich testen zu lasen, hätte das bereits eine große Wirkung. Männern mit häufig wechselnden Sexpartnern empfehlen wir, den Test alle drei bis sechs Monate durchführen zu lassen. Der Weg über das HIV-Testset macht es für sie leichter. Es erspart ihnen die Mühe, einen Termin mit einer Ambulanz vereinbaren zu müssen und sich dort Blut abnehmen zu lassen.

Rund 200 positive Testergebnisse

Wie viele positive Testergebnisse gab es denn unter den rund 11.000 eingeschickten Proben?

Rund 200 , das heißt 1,4 Prozent. Dieser Durchschnittswert liegt ein klein wenig höher als bei HIV-Tests in Ambulanzen für sexuelle Gesundheit. Nimmt man nur die Teilnehmer aus der afrikanischen Community, die in Großbritannien neben schwulen und bisexuellen Männern das höchste Infektionsrisiko haben, liegt der Wert sogar bei erstaunlichen drei Prozent.

Und wie verteilen sich die durchgeführten HIV-Tests auf diese beiden Gruppen?

Knapp drei Viertel der zurückgeschickten Tests kamen von schwulen oder bisexuellen Männern, etwa fünf Prozent aus der afrikanischen Community.

Gibt es auch Daten darüber, woher die Teilnehmer überwiegend kommen? Aus den Metropolen oder vom flachen Land und aus den kleineren Städten?

24 Prozent der Sets wurden von Menschen aus dem Großraum London bestellt. Das ist aber nicht wirklich verwunderlich, weil die Hälfte aller schwulen Männer des Landes dort leben. Überraschend war, dass proportional gesehen das Angebot außerhalb der großen Städte am besten angenommen wurde. Das mag daran liegen, dass es dort weniger sexual health clinics gibt, die einen HIV-Test anbieten, oder dass die Einrichtungen  dort nicht unbedingt schwulenfreundlich sind.

Weiterführende Informationen:
Erste  Bilanz des  Pilotprojekts auf aidsmap.com

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