Der Film „Ein Tag im Leben“ gibt einen Einblick in das Leben von acht Menschen, die Drogen gebrauchen, aus sieben Ländern der Welt, vom Morgen bis in die Nacht. Wir haben ihre Geschichten aufgeschrieben

Alle Protagonist_innen des Films gebrauchen Drogen, aber sie definieren sich nicht darüber. Sie alle sind einzigartige Persönlichkeiten, haben ihre eigenen Geschichten und ihre eigenen sozialen Netzwerke. Das Umfeld, in dem sie leben, die Haltungen ihnen gegenüber, die Gesetze rund um den Drogenkonsum und die Gesundheitsdienste, die ihnen zur Verfügung stehen, haben einen enormen Einfluss auf ihr Leben.

Drogengebraucher_innen werden an den Rand gedrängt

Der Film wurde von Menschen produziert, die selbst auch Drogen gebrauchen. Er will Mythen und Vorurteile gegenüber Drogen und Drogengebraucher_innen abbauen. Er gibt jenen eine Stimme, die zu den am stärksten an den Rand gedrängten Gruppen der Welt gehören, damit sie ihre bislang nicht erzählten Geschichten über Liebe, Hass, Leiden und auch Glück erzählen können. Er zeigt, wie sie sich sozial und politisch engagieren, um das Schweigen zu brechen und die Stigmatisierung zu bekämpfen, die tiefe Schatten auf ihr Leben wirft.

Mein Name ist Brun González, ich bin 27 Jahre alt. Ich wurde in Mexiko geboren und habe mein ganzes Leben hier gelebt.

Meine Eltern waren Umweltaktivisten und auch ziemliche Hippies in den 70ern und 80ern. Als ich geboren wurde, war ich deswegen von Menschen von überall auf der Welt umgeben, die alle für eine Sache arbeiteten: unsere Mutter Erde und wie wir miteinander leben können.

„Ich begann schon früh, unterschiedliche Substanzen zu nehmen“

Dieser Hintergrund und diese Umgebung vermittelten mir eine ganz besondere Einstellung zum Leben im Allgemeinen.

Ich begann schon sehr früh, unterschiedliche Substanzen zu nehmen, einschließlich einiger wichtiger Begegnungen mit heiligen Pflanzen der Region, Pilze und Peyote, aber daraus wurden schließlich LSD und Heroin als meine beiden Hauptgefährten.

Drogen, Abhängigkeit und Abwärtsspirale

Heroin setzte sich schließlich komplett durch, und 7 Jahre war es dann wie im Lehrbuch bei mir mit den Symptomen der Drogenabhängigkeit und der Abwärtsspirale.

Ich lebte auf der Straße, bettelte die Leute in der U-Bahn an und tat, was auch immer für den nächsten Schuss getan werden musste …

Viele Jahre lang war ich in psychiatrischer Behandlung, machte alternative Therapien und verfolgte andere Genesungsstrategien, von denen manche aggressiver und gewaltsamer waren als andere, und natürlich hatte ich viele, viele Überdosen und Vorfälle, die in der Notaufnahme endeten – Vergiftungsschocks, Blutvergiftungen, Venenverletzungen und so weiter, aber das ging alles vorüber.

Ich würde gerne erzählen, dass mich dann irgendetwas zur Umkehr bewegte oder mir half, wieder auf die Beine zu kommen, aber die Wahrheit ist ein bisschen weniger glamourös: Was mich zum Aufhören brachte und zur Schadensminimierung, war meine letzte Überdosis und eine dadurch verursachte schwere Verletzung.

„Eine schwere Verletzung nach einer Überdosis brachte mich zur Schadensminimierung“

Ich hatte seit einer Weile versucht, mit dem Heroin aufzuhören, und drei Wochen lang große Mengen Clonazepam geschluckt, viel Alkohol getrunken und praktisch nichts gegessen.

Das half mit sehr, mit den Entzugserscheinungen klarzukommen, aber sobald ich an etwas Geld gekommen war, holte ich mir direkt wieder Heroin oder „Chiva“, wie es in Mexiko heißt.

Beim zweiten Schuss hatte ich einen totalen Blackout, und als ich wieder zu mir kam, war mein rechter Arm verrenkt, denn ich hatte 6 Stunden bewusstlos auf dem Gelenk gelegen und den Nerv abgeklemmt, der Arm war fast vollständig gelähmt.

Durch dieses Ereignis hat sich die Art und Weise verändert, wie ich über Heroin und Drogen allgemein denke.

Weil ich meinen rechten Arm nicht mehr bewegen kann, hat sich alles für mich verändert. Ich konnte nicht mehr Gitarre spielen und musste lernen, mit links zu schreiben und alles nur mit links zu machen.

Nachdem also mein Arm kaputt war, hatte ich eine sehr negative, nihilistische und pessimistische Weltsicht, die mich durch meine eigene Kritik an der Welt eiskalt und gleichgültig machte.

Und was ich „die Unausweichlichkeit, menschlich zu sein“ nannte, mit allem, was dazu gehört – das hielt mich in tragischen Projektionen und Wahnvorstellungen gefangen und ließ mich ernsthaft über Suizid als einzige Alternative zum Heroin nachdenken.

Drogen zur Bewusstseinserweiterung und als Instrument der Transformation

LSD wurde dann ein wichtiges Instrument der Transformation für mich, nachdem ich es im Rahmen psychedelischer Medizin und Behandlung zu nehmen begann. Dank dieser Substanz kann ich jetzt einige Dinge verstehen und so mehr Leuten mit meiner Arbeit helfen.

Bewusstseinserweiternde Drogen sind in jeder Hinsicht sehr wichtig für mich, und dies spiegelt sich auch in der Art von Musik wider, die ich mache. Ich versuche, elektronische Musik mit verschiedenen Stilen zu mischen und experimentell zu improvisieren, in Richtung Jazz, aber dann gibt es auch noch einige komplette Tranceprojekte.

Ich denke, dass Musik eine sehr wichtige Medizin ist und eine entscheidende Rolle bei der Veränderung des menschlichen Bewusstseins spielt.

„Musik ist eine sehr wichtige Medizin“

Durch meine Beschäftigung mit dem Klang kenne und verwende ich heute Maschinen, die durch Biofeedback und Vibrationsmedizin funktionieren. Diese Maschinen können mit subtilen elektrischen Vibrationen des Körpers interagieren und helfen, alle Teile des Körpers zu heilen, von den Organen bis zur emotionalen Unausgeglichenheit und so weiter.

Indem ich lernte, diese Therapie bei mir selbst und anderen anzuwenden, habe ich auch etwas darüber gelernt, wie wir in einer sehr komplexen Weise mit unseren Körpern interagieren, was dazu genutzt werden kann, Gutes zu bewirken.

Aktivismus gegen Stigma und für nutzerfreundliche Information

Wenn es heute Nacht wird, wird es Zeit, den Stand zur Schadensminimierung aufzubauen. Das bedeutet, in die Berge zu fahren und dort einige Tage zu bleiben, um über Schadensminimierung und psychoaktive Substanzen zu sprechen, aber auch über verantwortlichen Konsum und die Wichtigkeit von Drug-Checking, um Streckmittel oder Ersatzstoffe in Drogen zu erkennen, bevor Leute sie auf Partys und Festivals nehmen.

Das ist ein Versuch, auf die stets präsente Unsicherheit auf dem Schwarzmarkt zu reagieren und auf die unterschiedlichen damit verbundenen Risiken.

Ich engagiere mich zurzeit in vielen verschiedenen Arbeitsgruppen und Netzwerken, sodass ich jeden Tag nonstop mit Meetings, Präsentationen und verschiedenen Maßnahmen zur Schadensminimierung beschäftigt bin.

Unser Programm will das Stigma abbauen und Leuten Zugang zu objektiven, evidenzbasierten, nutzerfreundlichen und praktischen Informationen verschaffen, die ebenso historische und kulturelle Aspekte wie auch die Risiken und Wirkungen vieler unterschiedlicher Substanzen umfassen, um so den Diskurs rund um Drogenkonsum zu normalisieren, das Tabu zu durchbrechen und den „Drogenkrieg“ zu beenden.

Mexikos „Krieg gegen Drogen“ hat bisher mehr als 170.000 Todesopfer gefordert

In Mexiko tobt ein gewalttätiger Drogenkrieg zwischen der organisierten Kriminalität, Drogengebraucher_innen und Strafverfolgungsbehörden. Bis zum heutigen Tag sind mehr als 170.000 Todesopfer auf die politische Strategie der Null-Toleranz zurückzuführen, während die mexikanischen Drogenkartelle weiter florieren.

In Mexiko hat die Regierung einen sehr seltsamen und widersprüchlichen Ansatz in Sachen psychoaktive Substanzen und Drogenpolitik: Während sie versuchen, den Konsum und Besitz von Drogen für den persönlichen Gebrauch zu entkriminalisieren, verschärfen sie die Strafen für die Leute, die erwischt werden, weil sie konsumieren und vielleicht ein bisschen mehr dabeihaben als die für den persönlichen Gebrauch erlaubte Menge – die sehr gering ist –, aber das führt dann zu Anklagen wegen Drogenhandels.

Zwischen 2006 und 2011 wurden fast 400.000 Menschen wegen Konsums oder Drogenbesitzes inhaftiert. Das Gefängnissystem ist völlig überfüllt, und das führt zu viel Leid und Elend. Und das vor allem wegen des „Krieges gegen Drogen“ und der Kriminalisierung von Leuten, die Drogen konsumieren.

„Frieden, Zugehörigkeit, Verbundenheit, Glück: Darum geht es für mich bei Schadensminimierung“

Alle meine Bemühungen als Mensch sind durch den Kontakt mit traditionellen Heilpflanzen und das Wissen über sie verstärkt worden.

Im Zentrum jedes Zeremonienkreises gibt es ein Feuer, aber auch die Vorstellung der Verbindung von allem und jedem durch den Großen Geist.

Diese Idee lässt ein Bewusstsein dafür entstehen, dass diese Art von Gefühl, von Frieden, Zugehörigkeit, Verbundenheit, Glück und Freude das Recht jedes lebenden Wesens ist und der Grund, warum wir hier sind und uns bemühen sollten, ein soziales Paradigma zu schaffen, das zu dieser Befreiung zurückkehrt und Zugang zu ihr verschafft.

Das ist es, dachte ich, was man überall auf der Welt braucht und was mich überzeugte, dass alles, was uns hilft, uns als Spezies auf diesem Planeten auf diese Möglichkeit zuzubewegen, Menschen zu helfen, dieses Gefühl und Bewusstsein selbst zu finden und zu erzeugen und jene Glückseligkeit und Liebe zu verbreiten – dass es das wert ist.

Und bei Schadensbegrenzung geht es für mich genau darum.

Die Geschichten der anderen Protagonist_innen sowie weitere Artikel zum Thema Drogenpolitik finden Sie hier.

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