Fortschritte, aber auch Probleme auf dem Weg zu einer Welt ohne Aids
Ziel: 90-90-90 bis 2020
Michel Sidibé, Chef des Aids-Programms der Vereinten Nationen (UNAIDS), hat diese Zahlen heute zusammen mit der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo vorgestellt.
Der UNAIDS-Bericht „Ending AIDS – Progress towards the 90-90-90 targets“ zur weltweiten HIV- und Aidsepidemie zeigt große Fortschritte, aber auch Hürden auf dem Weg zu einer Welt ohne Aids bis zum Jahr 2030.
Damit bis 2030 niemand mehr an Aids erkranken muss, wollen die Vereinten Nationen bis 2020 die 90-90-90-Ziele erreichen. Das heißt: 90 Prozent aller Menschen mit HIV sollen eine HIV-Diagnose bekommen haben. 90 Prozent der Menschen mit einer HIV-Diagnose sollen eine lebensrettende antiretrovirale Therapie machen. Und 90 Prozent der Menschen unter einer HIV-Therapie sollen eine Viruslast unter der Nachweisgrenze haben, sodass HIV dann auch beim Sex nicht mehr übertragen werden kann.
Zielerreichung 2016: 70-77-82
2016 wussten laut UNAIDS 70 Prozent aller Menschen mit HIV von ihrer Infektion. Davon hatten 77 Prozent Zugang zu HIV-Medikamenten. Von diesen antiretroviral Behandelten hatten 82 Prozent eine Viruslast unter der Nachweisgrenze.
Sieben Länder haben die 90-90-90-Ziele bereits erreicht: Botswana, Kambodscha, Dänemark, Island, Singapur, Schweden und Großbritannien. Das östliche und südliche Afrika, West- und Zentraleuropa sowie Nord- und Südamerika sind laut UNAIDS auf einem guten Weg dahin.
90-90-90-Ziele: Deutliche Erfolge …
Die verstärkten weltweiten Bemühungen gegen die Aids-Epidemie zeigen deutliche Erfolge. Von 2005 bis 2016 ist die Zahl der Aids-Todesfälle um fast die Hälfte gesunken, von 1,9 Millionen auf eine Million. In den besonders von Aids betroffenen Ländern im östlichen und südlichen Afrika sank die Zahl der Aids-Todesfälle seit 2010 um 42 Prozent und die Zahl der HIV-Infektionen um 29 Prozent, bei Kindern sogar um 56 Prozent. Die Lebenserwartung stieg dadurch von 2006 bis 2016 um fast zehn Jahre.
Die Zahl der HIV-Infektionen ist von 2010 bis 2016 weltweit um 16 Prozent auf jährlich 1,8 Millionen gesunken, bei Kindern sogar um fast 50 Prozent (von 300.000 auf 160.000).
… aber auch Probleme
Schlechter sieht es dagegen aus, wenn man sich den Anteil aller Kinder mit HIV ansieht, die HIV-Medikamente bekommen. Er liegt bei nur 43 Prozent, verglichen mit 54 Prozent der Erwachsenen mit HIV.
In einigen Regionen ist außerdem die Zahl der Aids-Todesfälle seit 2010 insgesamt deutlich gestiegen: in Nordafrika und dem Nahen Osten um 48 Prozent, in Osteuropa- und Zentralasien um 38 Prozent.
In Osteuropa und Zentralasien stieg zudem die Zahl der HIV-Infektionen um 58 Prozent (von 120.000 im Jahr 2010 auf 190.000 im Jahr 2016), in Russland sogar um fast 75 Prozent.
Auch Deutschland erreicht die 90-90-90-Ziele noch nicht
In Deutschland lagen die Zahlen laut Robert-Koch-Institut (RKI) Ende 2015 bei 85-84-93. Mit 25 Prozent besonders groß sei der Anteil der nicht Diagnostizierten bei Heterosexuellen: „Menschen in dieser Gruppe ist ihr HIV-Risiko häufig nicht bewusst, beispielsweise wenn eine Frau nicht weiß, dass ihr Mann bisexuell ist“, so das RKI. Viele Ärzt_innen dächten außerdem bei Indikatorerkrankungen nicht daran, einen HIV-Test zu empfehlen.
Laut Robert-Koch-Institut wissen insgesamt knapp 13.000 Menschen mit HIV in Deutschland nicht, dass sie infiziert sind, und bekommen deshalb keine Medikamente. Auch HIV-positive Menschen ohne Aufenthaltspapiere oder Versicherungen sind zurzeit oft faktisch von der nötigen medizinischen Versorgung ausgeschlossen, so die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) in einer Pressemitteilung.
Nötig: Mehr Engagement von Staat und Zivilgesellschaft
Die DAH fordert deshalb mehr Engagement von Staat und Zivilgesellschaft und unter anderem folgende Maßnahmen:
- eine bundesweite Lösung für die medizinische Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltspapiere oder Versicherung
- die reguläre Einführung der HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP). Bei einer PrEP nehmen HIV-Negative HIV-Medikamente zum Schutz vor einer HIV-Infektion. Die PrEP ist in Deutschland zugelassen, wird aber bislang nicht von den Krankenkassen finanziert.
- die Einführung des HIV-Selbsttests für zu Hause (Heimtest).
Null Diskriminierung!
Zudem gelte es, Diskriminierung entgegenzutreten und Hürden abzubauen, die Menschen vom HIV-Test abhalten, so DAH-Vorstand Manuel Izdebski.
Mit ihrer Kampagne „Kein Aids für alle!“ gehen die Deutsche AIDS-Hilfe und ihre 120 Mitgliedsorganisationen seit Mai gezielt solche Hindernisse an.
Dazu gehört zum Beispiel, dass viele Menschen HIV irrtümlich noch immer mit schwerer Krankheit und Tod verbinden oder weil sie Angst vor Ausgrenzung haben. Häufig wird darum mittlerweile von den 90-90-90-0-Zielen gesprochen: 0 steht dabei für null Diskriminierung.
Hintergrund
2014 hat UNAIDS, das Aids-Programm der Vereinten Nationen, die Fast-Track-Strategie zur Verstärkung der globalen HIV- und AIDS-Prävention verabschiedet (Fast Track heißt so viel wie Überholspur).
2015 beschloss UNAIDS zudem die Strategie für die Jahre 2016 bis 2021. Sie verfolgt das in den 17 Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung genannte Ziel, die Aids-Epidemie als Bedrohung der Öffentlichen Gesundheit bis 2030 zu beenden.
(hs)
Weitere Informationen
UNAIDS-Bericht „Ending AIDS – Progress towards the 90-90-90 targets“
Faktenblatt mit wichtigen Daten aus dem Bericht (auf Englisch)
Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe
Ältere Beiträge zum Thema
UNAIDS: HIV-Prävention und Behandlung auf die Überholspur (Meldung auf aidshilfe.de vom 31. Mai 2016)
Vereinte Nationen zu HIV/Aids: Gebremster Fortschritt (Meldung auf aidshilfe.de vom 8. Juni 2016)
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