Die Deutsche AIDS-Hilfe hat zwei neue Ehrenmitglieder ernannt und dem Nürnberger Queer Café International den Hans-Peter-Hauschild-Preis 2018 verliehen. Zudem feierte sie 10 Jahre ICH WEISS WAS ICH TU.

Es ist ein beispielgebendes Projekt: Mit Fliederlich e.V., dem Betreiber des SchwuLesBischen Zentrums Nürnberg, und der AIDS-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth taten sich 2016 zwei lokale Institutionen zusammen, um lesbischen, schwulen, trans*, inter* und queeren (kurz LGBTIQ*) Geflüchteten und Migrant_innen einen geschützten Raum zu bieten. Sie haben einen Ort geschaffen, an dem queere Geflüchtete und Migrant_innen zusammenfinden und sich dem queeren Leben in Deutschland annähern können.

Hans-Peter-Hauschild-Preis für besondere Verdienste in der strukturellen Prävention

Auf dem Empfang der Deutschen AIDS-Hilfe anlässlich des zehnjährigen Bestehens ihrer schwulen Präventionskampagne „ICH WEISS WAS ICH TU“ (IWWIT) wurden die Initiator_innen am vergangenen Freitag mit dem Hans-Peter-Hausschild-Preis ausgezeichnet.

„Es ist auch ein Raum, um das Gefühl der Vereinzelung zu durchbrechen“

Das Café biete LGBTIQ*-Geflüchteten und -Migrant_innen nicht nur die Chance, sich zu engagieren, etwa bei Arztbesuchen Dolmetscherdienste zu übernehmen. „Es ist auch ein Raum, um Freundschaften zu schließen, das Gefühl der Vereinzelung zu durchbrechen“, so Bernd Aretz in seiner Laudatio, die aus Krankheitsgründen von Dr. Eugen Januschke verlesen wurde, Lebensgefährte des 2003 verstorbenen Pädagogen und Kulturwissenschaftlers Hans-Peter Hauschild.

Queer CaféEr lobte das „Queer Café International“ als Modell für all jene Vereine und Inititativen, die sich in diesem Bereich engagieren möchten, die große Lösung aber mit etwa eigenen Wohn- und Begegnungsstätten nicht gehen können. Mit der Auszeichnung dieses Projektes mache die DAH zudem deutlich, „dass Fremdenfeindlichkeit in den Aidshilfen keinen Raum hat“.

Standing Ovations und Tränen der Rührung

Gefeiert und geehrt wurden im Berliner Nachtclub SchwuZ aber nicht nur die neuen Träger_innen des Hauschild-Preises, mit dem seit 2011 innovative Projekte der strukturellen Prävention ausgezeichnet werden.

Mit Michèle Meyer und Wolfgang Vorhagen wurden auch zwei in jeder Hinsicht verdiente Aktivist_innen und Akteur_innen der HIV-Community  zu DAH-Ehrenmitgliedern ernannt. Ehrungen, die von den Festgästen mit Standing Ovations und so mancher Träne der Rührung bejubelt wurden.

„Mit viel Fantasie und Kreativität, mit scharfen Worten und intensiven Bildern“

Michèle Meyer (mit Blumenstrauß) gemeinsam mit dem DAH-Vorstand und DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb

Die Schweizerin Michèle Meyer, die, wie sie selbst sagte, ihre aktivistische Heimat in der deutschen Aids- und Selbsthilfe fand, ist seit 2008 in unterschiedlichster Funktion mit Leidenschaft eine Konstante der Community-Arbeit. Sie war Mitglied in Community-Boards von Aidskongressen, in Vorbereitungsgruppen für die Selbsthilfekonferenz Positive Bewegungen, sie war eines der „PositHIVen Gesichter“ und im Vorbereitungsgremium der bundesweiten Positiventreffen aktiv. Als Community-Vertreterin für Menschen mit HIV war Michèle Meyer an der Entstehung des EKAF-Statements zur Nichtübertragbarkeit von HIV bei erfolgreicher Therapie vor zehn Jahren direkt beteiligt.

„Du hast Veränderungen eingefordert und Kooperation gesucht, hast mitgestaltet und in Aidshilfe für (mehr) Beteiligung von Menschen mit HIV gestritten“, beschrieb DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb das Verdienst des neuen Ehrenmitglieds.

Sie habe „mit viel Fantasie und Kreativität, mit scharfen Worten und intensiven Bildern“ Positionen vertreten und Missstände angeprangert und „mit vielfältigen politischen Aktionen für Menschen mit HIV, gegen Schuldzuschreibungen und Sündenrhetorik, gegen Sexismus, Rassismus und nationalistische Politik gekämpft“.

Raum für jedes Individuum

Vorhagen Ehrung
Wolfgang Vorhagen (mit Blumenstrauß) mit dem DAH-Vorstand und Prof. Dr. Martin Dannecker (2. v. r.)

Wolfgang Vorhagens Wirken wiederum ist eng mit der Akademie Waldschlösschen verbunden. Er hat dort als Pädagoge und Veranstaltungsleiter über drei Jahrzehnte nicht nur wichtige Impulse für die schwule Emanzipation und die LBGT-Selbsthilfe gesetzt, sondern dadurch auch Gruppen und Initiativen gestärkt und unterstützt. Vor allem aber ist er bereits seit 1986 maßgeblicher Mitorganisator der bundesweiten Positiventreffen. Das von ihm mitbegründete Vorbereitungsgremium Positiv e.V. wird im kommenden Jahr das 200. Treffen dieser Art organisieren.

„Auf dem von ihm geplanten oder mitgeplanten und geleiteten Treffen von HIV-Infizierten und Aids-Kranken sollte jedes Individuum, und sei es auch noch so merkwürdig und verschroben, Raum für sich haben“, würdigte der Laudator, Prof. Dr. Martin Dannecker, das neue DAH-Ehrenmitglied.

Wolfgang Vorhagen gelinge es, dass die Teilnehmer_innen seiner Veranstaltungen „mit einem anderen Blick auf sich und auf die sie umgebende Welt“ nach Hause gingen, als sie gekommen seien.

Fünf Millionen Cruising-Packs in zehn Jahren

Das Team von ICH WEISS WAS ICH TU feiert Geburtstag. Margot Schlönzke (vorne links) und Jurassica Parka (vorne rechts) führten durch den Abend

Gefeiert wurden an diesem Abend aber nicht nur Preisträger_innen und Ehrenmitglieder, sondern auch ein Geburtstag: zehn Jahre IWWIT. Seit 2008 sorgt die DAH-Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU dafür, dass schwule und andere Männern, die Sex mit Männern haben, informierte und selbstbestimmte Entscheidungen treffen können, wenn es um die sexuelle Gesundheit und den Schutz vor HIV und anderen Geschlechtskrankheiten geht.

Fünf Millionen Cruising-Packs wurden während dieses Jahrzehnts an den Mann gebracht, verriet DAH-Vorstandsmitglied Björn Beck in seiner Geburtstagsrede. Die aktuell rund 40 Ehrenamtler haben im zurückliegenden Jahr über 200 Präventionsveranstaltungen quer durch die Republik absolviert. Jede Menge Gründe also, dem haupt- und ehrenamtlichen IWWIT-Team zu danken, mit ihm zu feiern und ordentlich Glitter von der Saaldecke fliegen zu lassen.

(ascho)

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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