Forschung

Einige Mäuse von HIV geheilt – mögliche Anwendung bei Menschen wird noch dauern

Von Holger Sweers
HIV Heilung Mäuse^^
Forscher_innen ist die Heilung einiger HIV-infizierter Mäuse gelungen: Nach der Behandlung vermehrte HIV sich nicht mehr. Bis zu einer möglichen Anwendung an Menschen wird es aber noch dauern. Bis dahin ist wichtig, dass alle Zugang zu Aufklärung, Präventionsmitteln, Tests und Behandlung haben – ohne Angst vor Diskriminierung haben zu müssen.

Eine HIV-Infektion ist heute gut behandelbar. Die Medikamente unterdrücken die Virusvermehrung im Körper, verhindern Aids und ermöglichen eine annähernd normale Lebenserwartung ohne allzu große Nebenwirkungen.

Außerdem kann HIV dann selbst beim Sex ohne Kondom nicht mehr übertragen werden, und Mütter und Väter mit HIV können Kinder bekommen, ohne dass die Partner_innen oder die Kinder infiziert werden.

Wichtig dafür ist, dass man HIV-Infektionen möglichst früh erkennt und mit HIV-Medikamenten behandelt.

HIV ist gut behandelbar, aber noch nicht heilbar

Heilen können die HIV-Medikamente die Infektion aber nicht. Das HIV-Erbgut „versteckt“ sich, eingebaut ins Erbgut menschlicher Zellen, zum Beispiel im Gehirn, Knochenmark oder Lymphgewebe.

Diese „ruhenden“ Zellen können wieder aktiviert werden, wenn man keine HIV-Medikamente mehr nimmt. HIV vermehrt sich dann erneut und kann im schlimmsten Fall zu Aids führen.

Die HIV-Medikamente müssen also nach derzeitigem Stand lebenslang eingenommen werden.

Forscher_innen haben nun in drei verschiedenen Experimenten HIV-infizierte „humanisierte Mäuse“ (das heißt Mäuse mit menschlichen Immunzellen) mit einer Kombination aus zwei Verfahren behandelt, um das HIV-Erbgut aus den menschlichen Immunzellen zu entfernen und eine erneute HIV-Vermehrung zu verhindern.

Zuerst bekamen die Mäuse dazu eine spezielle Form der HIV-Therapie, die sogenannte LASER ART. Das hat nichts mit Star Wars zu tun, sondern steht für „long acting slow-effective release ART“. Hierbei werden die gegen die Virusvermehrung wirksamen Substanzen langsam und über einen langen Zeitraum freigesetzt und erreichen auch HIV-Reservoire, die sonst nicht oder nur schwer erreicht werden.

Einige Mäuse wurden geheilt, andere nicht

Einige Wochen nach Beginn der Behandlung wurde dann ein Verfahren mit dem schwierigen Namen CRISPR-Cas angewendet, vereinfachend auch als „Genschere“ bezeichnet. Hiermit kann HIV-Erbgut aus dem menschlichen Erbgut herausgeschnitten werden.

Geklappt hat die erhoffte Heilung bei mehr als einem Drittel der Mäuse (9 von 23): Bei ihnen konnte auch mit den empfindlichsten Methoden kein HIV-Erbgut mehr in den menschlichen Zellen oder im Blutplasma festgestellt werden, und nach dem Absetzen der Medikamente hat HIV sich nicht wieder vermehrt.

Auffällige schädliche Auswirkungen auf die menschlichen Zellen scheint es dabei nicht gegeben zu haben.

Die HIV-Heilung bei Mäusen lässt sich nicht ohne Weiteres auf Menschen übertragen

Die Ergebnisse zeigen: Eine HIV-Heilung durch die Kombination einer HIV-Therapie (LASER ART) und der „Genschere“ scheint prinzipiell möglich.

Trotzdem sollte man die Erwartungen nicht zu hoch hängen.

Die Studie war eine „Proof-of-Concept-Studie“, die zunächst nachweisen sollte, dass eine HIV-Heilung auf diesem Weg überhaupt möglich ist. Die Zahl der Mäuse war dabei relativ klein.

Wie lange es bis zu möglichen klinischen Studien mit Menschen dauert, ist laut Howard Gendelman, einem der Autor_innen, unklar. Man brauche mehr Forschung zu möglichen schädlichen Nebenwirkungen der Gentherapie und zur Dosisfindung.

Auch Ruth Brack-Werner, Virologin am Helmholtz-Zentrum in München, sprach gegenüber dpa von einer „sehr wichtigen Studie“, warnte aber davor, sich zu große Hoffnungen auf eine bald verfügbare HIV-Heilung zu machen.

Auch in Deutschland wird zur HIV-Heilung geforscht

HIV-Experte Siegfried Schwarze dagegen hält den Einsatz der CRISPR/Cas-Methode am Menschen für hoch problematisch.

Zum einen schneide CRISPR/Cas ungenau. Es erfolge ein „glatter“ Schnitt durchs Erbmaterial, der dann von zelleigenen Reparaturenzymen „geflickt“ werde. „Dabei können zusätzliche Basenpaare eingefügt werden, die den Leserahmen verschieben und damit das Gen verändern“, so Schwarze.

Zum anderen hätten viele Menschen bereits Antikörper gegen CRISPR/Cas, wodurch es dann nicht so effektiv sei.

Siegfried Schwarze weist darauf hin, dass ein Team um Professor Hauber am Heinrich-Pette-Institut in Hamburg (Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie) und um Professor Frank Buchholz an der Technischen Universität Dresden ein anderes Enzym als „Genschere“ für HIV entwickelt haben, das genauer arbeitet (Broad Range Recombinase 1, kurz: Brec1). Da bei Haubers Verfahren Stammzellen modifiziert würden, verspreche es den größten Erfolg, und auch vor einer erneuten HIV-Infektion wären die so behandelten Menschen geschützt. Professor Hauber hoffe, in naher Zukunft mit einer Studie am Menschen beginnen zu können.

Problematisch seien allerdings die nötigen Schritte, um Haubers Verfahren anzuwenden. Sie reichen von der Einnahme eines nebenwirkungsreichen Wachstumsfaktors für Blutzellen über die mehrstündige Gewinnung von Stammzellen und Immunzellen aus dem Blut bis zu chemischen Abtötung eines großen Teils der Stammzellen mit einem potenziell krebserregenden Mittel, um „Platz“ für die genetisch veränderten Immunzellen zu machen.

Um HIV zu beenden, haben wir bereits die nötigen Mittel

Forschung zur HIV-Heilung ist wichtig, und diese Ergebnisse sind spannend und ermutigend. Das gilt auch mit Blick auf die HIV-Behandlung: Die LASER ART könnte für die Patient_innen einfacher einzunehmen sein, weniger Nebenwirkungen haben und noch besser wirken als die herkömmlichen Medikamente.

Die nötigen Mittel, um Aids zu beenden, haben wir aber schon jetzt in der Hand. Wir müssen sie nur einsetzen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • vorurteilsfreie, an verschiedene Zielgruppen angepasste Aufklärung und Information über sexuelle und reproduktive Gesundheit und die Möglichkeiten zum Schutz vor HIV
  • Engagement gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit HIV – sie können dazu führen, dass man sich aus Angst vor Ausgrenzung nicht auf HIV testen lässt und so auch keine Behandlung beginnen kann. HIV kann dann auf andere übertragen werden und zu Aids führen.
  • Niedrigschwelliger Zugang zu erschwinglichen HIV-Präventionsmitteln, -Beratung, -Tests und -Behandlung für alle.

 

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