Ein in die Luft gehobenes Schild mit der Aufschrift "Pride is protest"
Vor 50 Jahren, in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969, wurde das „Stonewall Inn“, eine Bar in der New Yorker Christopher Street, zum Schauplatz eines historischen Ereignisses. Zum wiederholten Mal wurde das Lokal von einer Polizeirazzia heimgesucht. Wie üblich wurden die Gäste beschimpft, unter banalen Vorwänden verhaftet und malträtiert. Doch in jener Nacht setzten sich die Besucher_innen – Schwule, Lesben, Drag Queens und trans* Menschen – zur Wehr.
Der mehrtägige Aufstand, bei dem zuletzt rund 1000 Menschen ihrer Wut Ausdruck verliehen, wurde zum Sinnbild der homosexuellen Selbstbefreiung und eines erstarkenden Selbstbewusstseins. Er markierte den Beginn der Emanzipationsbewegung nicht nur in den USA. Weltweit wird das Jubiläum im Jahr 2019 gefeiert – in manchen Städten zum ersten Mal, in anderen begleitet von Protesten und Polizeigewalt, in wieder anderen als riesiger und bunter Protestzug.
Tbilis (Tiflis)/Georgien
Den Ort und die Uhrzeit hatten die Organisator_innen des Tbilisi Pride bis zuletzt geheim halten müssen. Rechtsnationale Gruppen hatten angekündigt, die bereits mehrfach verschobene Christopher-Street-Day-Parade in der georgischen Hauptstadt wie schon 2013 notfalls mit Gewalt zu verhindern. Die Polizei weigerte sich, die Demo zu schützen. Rund 40 LGBTI-Aktivist_innen ließen sich davon aber nicht abschrecken und demonstrierten vor dem Innenministerium. Es war die erste CSD-Demo in Georgien überhaupt. (Fotos: Tamaz Sozashvili)
Falkensee/Berlin
Fast 1000 Menschen feierten unter dem Motto „Sichtbarkeit, Respekt, Liebe“ den ersten CSD im brandenburgischen Falkensee. Die 45.000-Einwohner-Stadt im Havelland dürfte damit die kleinste Kommune Deutschlands mit einer eigenen Christopher-Street-Day-Parade sein. Unter Jubel und Applaus wurde die Regenbogenflagge vor dem Rathaus gehisst. Demonstriert wurde für Vielfalt und Akzeptanz sowie gegen den Rechtsruck. (Foto: CSD Deutschland e.V.)
(Foto: CSD Deutschland e.V.)
(Foto: CSD Deutschland e.V.)
(Foto: CSD Deutschland e.V.)
Istanbul/Türkei
Das fünfte Jahr in Folge sind in Istanbul sowohl die Gay-Pride-Demo wie auch eine öffentliche Kundgebung im Istanbuler Viertel Bakirköy von den Behörden verboten worden – unter anderem mit dem Hinweis auf angebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und die „Volksgesundheit“. Die LGBT-Community ließ sich davon aber nicht abhalten. Mehrere tausend Menschen nahmen an der Parade teil, die schließlich von der Polizei mit Tränengas und Gummiknüppeln aufgelöst wurde. (Foto: tr.prideistanbul.org)
(Foto: tr.prideistanbul.org)
São Paulo/Brasilien
Nicht erst seit Beginn der Präsidentschaft Jair Bolsonaros haben in Brasilien die Anfeindungen gegen Schwule, Lesben und Trans* zugenommen. Nach Angaben der Organisation Grupo Gay de Bahia gab es allein im Jahr 2018 mindestens 420 Tötungsdelikte mit homo-und transfeindlichem Hintergrund. Doch unter der Regierung des rechtsradikalen Politikers wurde die Homosexuellenfeindlichkeit zur Staatsraison erhoben. Viele der über 3 Millionen Teilnehmenden nutzten die diesjährige Gay Pride Parade daher auch, um gegen die Politik Bolsonaros zu protestieren. (Foto: APOGLBTS)
Marielle Franco: Ihr Gesicht ist auf Frauen- und LGBT-Demonstrationen in Brasilien allgegenwärtig. Auch beim Gay Pride São Paulo trugen Menschen Plakate mit der Aufschrift „Marielle presente“ (Marielle ist anwesend). Die linke Kommunalpolitikerin und Menschenrechtsaktivistin wurde im März 2018 von Unbekannten erschossen. Marielle Franco – lesbisch, schwarz und rebellisch – war für das konservative Brasilien eine Provokation. Sie prangerte Rassismus und rechtswidrige Tötungen durch Polizei und Militär an und setzte sich für die Rechte von Frauen und LGBT ein. Nun ist sie zum Symbol für eine andere, liberale Gesellschaft geworden. (Foto: Mídia NINJA)
Warschau/Polen
Während Polens Regierung ihren homosexuellenfeindlichen Kurs beibehält, hat sich Warschaus Bürgermeister Rafał Trzaskowski demonstrativ mit der LGBT-Community seiner Stadt solidarisiert. Er hatte in den Sozialen Medien zur Teilnahme an der Warschauer Paradę Równości (Gleichstellungsparade) aufgerufen und demonstrierte selbst auch mit. Fast 50.000 Menschen beteiligten sich Medienberichten zufolge an der Paradę Równości.
(Foto: facebook.com/rafal.trzaskowski/)
(Foto: facebook.com/rafal.trzaskowski/)
Wien/Österreich
Mehr als eine halbe Million Menschen demonstrierten beim EuroPride 2019 in Wien unter dem Motto „Together & Proud“ für Zusammenhalt, Gleichberechtigung und Diversität. Fünf Stunden zog die rund zwei Kilometer lange Karawane aus über 100 Wagen und Gruppen über den Wiener Ring. Höhepunkt war die Abschlusskundgebung mit einem Auftritt der ESC-Gewinnerin Conchita und einer Rede des österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.
New York City/USA
Der wichtigste und größte Gay Pride fand 2019 selbstverständlich in New York statt dort, wo vor 50 Jahren alles seinen Ausgang nahm. Die ganze Stadt feierte dieses Jubiläum über Wochen mit Ausstellungen, Konzerten und Events. Rund vier Millionen Menschen beteiligten sich schließlich an der großen Parade. Diese wurde von vielen allerdings als zu kommerziell kritisiert. Auf dem alternativen Queer Liberation March, ganz ohne Firmensponsoring und Wagen von Konzernen, zogen rund 45.000 Demonstrant_innen vom „Stonewall Inn“ zum Central Park. (Foto: DVSROSS, Flickr)
(Foto: Dave Johnson)
Köln
Der Cologne Pride 2019 dürfte eine der größten CSD-Paraden Deutschlands überhaupt gewesen sein. Nach Angaben der Veranstalter_innen haben etwa 1,2 Millionen Menschen unter dem Motto „50 Years of Pride. Viele. Gemeinsam. Stark!“ demonstriert und gefeiert. Etwa 150 Gruppen haben sich an der Parade beteiligt – so viele wie noch nie. Mit dabei war auch das Team von „ICH WEISS ICH TU“. (Foto: Herzenslust NRW)
(Foto: DAH)
(Foto: DAH)
Pirna
Lange wurde der CSD Pirna selbstironisch als „der kleinste in Deutschland“ beworben. Doch damit ist es längst vorbei. Mittlerweile kommen über 2000 Besucher_innen zu dem Fest am Rathausplatz. Und mit Petra Köpping, Sachsens Ministerin für Gleichstellung und Integration, hatte sich zudem hoher politischer Besuch angesagt. Erstmals wehte 2019 nicht nur die Regenbogen-, sondern auch die Trans*-Fahne vor dem Rathaus. Doch je größer der CSD und je sichtbarer die LGBT-Community wird, umso mehr Übergriffe, Vandalismus und Anfeindungen durch rechtsradikale und rechtsnationale Kräfte erleben die Organisator_innen. 2018 wurde deshalb erstmals ein privater Sicherheitsdienst engagiert. (Foto: CSD Pirna e.V.)
Petra Köpping, Mataina Awisus, Robert Körner und Horst Bock (Foto: Ines Tippmann)
(Foto: CSD Pirna e.V.)
Madrid
Wenn es nach der neu entstandenen rechtsextremen Partei Vox gegangen wäre – mit ihren Stimmen wurde im Juni ein konservativer Kandidat zum Bürgermeister gewählt –, dann hätte die Gay Pride Parade 2019 in einen Vorort Madrids ausweichen und auf öffentliche Mittel verzichten müssen. Doch Vox konnte sich zum Glück nicht durchsetzen, und so zogen mehrere hunderttausend Menschen durch Madrids Zentrum, um den 50. Jahrestag der Stonewall-Proteste zu begehen und ein Zeichen für die Rechte von LGBT zu setzen. (Foto: William Helson Flickr)
(Foto: Mado Madrid Orgullo)
(Foto: Visita Madrid)
(Foto: Mado Madrid Orgullo)
Und noch mehr CSDs
Bis Ende September wird das Stonewall-Jubiläumsjahr 2019 noch gefeiert. Auch in Deutschland gibt es noch zahlreiche Gelegenheiten, für die Rechte von Lesben, Schwulen, Trans* und Inter* auf die Straße zu gehen. Große Events finden unter anderem in Berlin (27.7.), Hamburg (3.8.) und beim CSD Rhein-Neckar in Mannheim (10.8.) statt. Etwas überschaubarer, aber politisch mindestens ebenso bedeutsam sind die CSDs in Neubrandenburg (24.8.), Halle (7.9.), Gera (14.9.) und Landshut (28.9.). (Foto: DAH | Renata Chueire)
Alle Orte und Daten für die CSDs in Deutschland sowie in europäischen Ländern gibt’s unter www.csd-termine.de.
Das ugandische „Anti-Homosexualitäts-Gesetz“ führt zu Diskriminierung, Schikanen, Erpressung und Verletzung der Rechte von LGBTIQ*-Personen durch die Polizei und auch die Gesellschaft.
The Ugandan „Anti-Homosexuality Act“ leads to discrimination, harassment, blackmail and violations of rights of LGBTIQ persons and sex workers from the police as well as from communities.
Die AfD inszeniert sich als „Partei der kleinen Leute“. In Wirklichkeit aber verfolgt sie einen zutiefst unsozialen Kurs. Ihr Rassismus und ihre Menschenverachtung sind dabei nicht zu übersehen.
Tag für Tag erleben BIPoC in Deutschland rassistische Diskriminierung – auch im Gesundheitswesen. Hier trifft es sie in besonders vulnerablen Situationen. Studien belegen dringenden Handlungsbedarf.