Antirassismus

Antirassismus in der Aidshilfe-Arbeit: Gespräch mit Björn Beck vom DAH-Vorstand

Von Axel Schock

Viele HIV-positive Menschen in Deutschland haben nicht nur mit dem HIV-Stigma zu kämpfen, sondern erleben zudem tagtäglich Rassismus aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens oder ihrer Religion. Wie wichtig Antirassismus in der Aidshilfe-Arbeit ist und auf welchen Ebenen sie eine Rolle spielt, erläutert anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus DAH-Vorstandsmitglied Björn Beck im Interview.

Das Engagement für eine gerechte Welt und gegen Ausgrenzung macht seit jeher einen wichtigen Teil der Arbeit von Aids- und Selbsthilfe aus. Weshalb ist Rassismus für Aidshilfe ein besonders wichtiges Thema?

Foto: Johannes Berger

Björn Beck: Rassismuserfahrungen wirken sich auf ähnliche Weise negativ auf die Gesundheit von Menschen aus wie beispielsweise Minoritätenstress. Vielen ist nicht bewusst, dass die Faktoren, die zu Rassismus und Diskriminierung führen, aufeinander aufbauen, sich verstärken und den betroffenen Menschen das Leben besonders schwermachen.

Der Afrozensus zeigt eindrücklich, wie Menschen diesen Rassismus im Alltag erleben. 60 Prozent der Teilnehmenden dieser Onlinebefragung gaben an, in den letzten zwei Jahren Rassismuserfahrungen im Gesundheits- und Pflegebereich gemacht zu haben.

Knapp drei Viertel wurden allein aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert – wohlgemerkt in einer Situation, in der sie sich hilfesuchend an das Gesundheitssystem wendeten. 30 Prozent der Befragten machten rassistische Erfahrungen, weil sie einen Namen tragen, der in Deutschland ungewöhnlich ist oder wertend gelesen wird. Das ist einfach grausam und daran müssen wir dringend arbeiten.

In welchen Bereichen der Aidshilfe spielt Rassismus eine Rolle? Inwieweit müssen sich auch die Menschen, die in Aidshilfen arbeiten, mit Rassismus auseinandersetzen?

Dieses Thema betriff die ganze Breite unserer Arbeit – angefangen vom Miteinander innerhalb der Aidshilfe. Wir müssen uns bewusst werden, dass wir durch unsere Erziehung in einer strukturell rassistischen Gesellschaft nicht frei von entsprechenden Stereotypen sind. Dies gespiegelt zu bekommen, macht uns nicht zu Rassisten, aber es hilft, uns solcher Stereotype bewusst zu werden und unser Verhalten entsprechend zu ändern.

Wir müssen uns vor allem immer wieder auch vor Augen führen, wie gerade auch die Menschen, mit denen wir in Aidshilfen zu tun haben, Rassismus erleben.

Wie spielt Rassismus auch in die Strukturen des Gesundheitswesens hinein?

Menschen ohne Aufenthaltsstatus etwa sind weitgehend von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen. Asylbewerber*innen haben in den ersten 18 Monaten ihres Asylverfahrens nur eingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem. Aber auch EU-Bürger*innen werden zum Teil nur eingeschränkt medizinisch versorgt, das gilt zum Beispiel für die meisten Sinti*zze und Roma*nja. Hier ist der Antiziganismus ein bedeutender Faktor. Letztlich ist der gesamte Bereich Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung in dieser Hinsicht eine große Baustelle.

Letztlich ist der gesamte Bereich Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung in Bezug auf Rassismus eine große Baustelle.

Macht Rassismus die betroffenen Menschen vulnerabler und damit krank?

Rassismus hat eine messbare Auswirkung auf die psychische und physische Gesundheit. Das lässt sich vielleicht mit der Wirkung von Sand erklären. Wer schon einmal versucht hat, am Strand zu rennen, weiß, wie anstrengend das ist. Jeder Faktor, der zu Rassismus oder Stigmatisierung führt, ist, als würde man eine weitere Schippe Sand auf die Straße werfen. Je mehr Sand wir unter den Füßen haben, umso schwerer fällt das Laufen. Menschen, die Rassismus erfahren, wird das Fortkommen und damit das Leben erschwert: Rassismus wirkt sich auf die Psyche aus. Die Menschen brennen schneller aus, sie haben Angst. Sie trauen sich nicht, Beratung in Anspruch zu nehmen oder sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Dies bedeutet in der Folge eine massive Einschränkung der Lebensqualität, die wir so nicht hinnehmen dürfen.

Was wird in Aidshilfen bereits getan, um gegen Rassismus vorzugehen und damit auch solche Auswirkungen zu verhindern?

Zunächst einmal versuchen wir das Thema zu benennen. Wir setzen uns in der Aidshilfe-Arbeit aktiv daher auch mit jener Form des Rassismus auseinander, den wir internalisiert haben. Das ist durchaus auch unangenehm, aber dringend notwendig. Darüber hinaus fördern wir die Partizipation und Teilhabe von Menschen, beispielsweise durch das wunderbare Projekt AfroLebenplus. Wir unterstützen zudem Menschen mit Rassismuserfahrung und aus den verschiedenen Communitys, sich selbst zu organisieren und an unserem Verbandsleben teilzuhaben, sodass wir voneinander lernen können.

Wenn wir darauf achten, selbstkritisch miteinander umzugehen und achtsam zu kommunizieren, können wir mit der Zeit den internalisierten Rassismus abbauen.

In welchen Bereichen müssen wir zum Thema Antirassismus in der Aidshilfe-Arbeit noch dazulernen?

Ich glaube, dass es ein langfristiger Prozess ist, weil für weiße Menschen, die hier in Deutschland aufgewachsen sind, die Auseinandersetzung mit Rassismus ein sehr schmerzhafter Prozess ist. Wir in der Aidshilfe haben zwar immer schon darauf geachtet, diskriminierungsarm miteinander umzugehen. Dennoch sind wir nicht davon befreit, unbedacht rassistische Stereotype oder verletzende Formulierungen zu verwenden, denn dies passiert tagtäglich um uns herum. Daher müssen wir darauf achten, selbstkritisch miteinander umzugehen und achtsam auch in der Kommunikation zu sein. So können wir mit der Zeit auch diesen internalisierten Rassismus abbauen.

Ich erinnere mich gern an eine Begegnung mit der Aktivistin Lilian Petry, die mir davon erzählte, wie schwer ihr zu Beginn ihres Engagements in der HIV-Selbsthilfe der Umgang mit schwulen Männern fiel. Für sie war Homosexualität einfach abstoßend. Schwule Männer wiederum hatten ihr gegenüber Vorbehalte, weil sie eine Schwarze Frau ist. Aber wir haben alle voneinander gelernt und jetzt schätzen wir uns in unserer Vielfalt. Ich bin sehr froh darüber, dass Lilian ihre Erfahrung so offen mit uns geteilt hat, weil ihre Entwicklung deutlich macht, dass wir alle mit Vorurteilen leben, sie aber überwinden können.

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