Drogenpolitik

Cannabis-Start-up Bunte Blüte will staatliche Regulierung

Von Benedict Wermter
(c) DAH / Bild: Tom Costello

Die Firma Bunte Blüte ist ein Pionier des Handels mit Cannabidiol-Blüten und CBD-Produkten. Das Team dahinter engagiert sich zugleich für eine breite gesellschaftliche Diskussion über die regulierte Abgabe von Drogen.

Mittlerweile kann man Cannabidiol-Blüten (CBD) und dessen Abkömmlinge wie Öl in Deutschland ganz legal kaufen, in Spätis, Trinkhallen und Fachmärkten quer durch die Republik. Der Gehalt der Blüten am psychoaktiven Wirkstoff THC ist so niedrig, dass sie nicht berauschend wirken und die Produkte zum Beispiel als Räucherware verkauft werden dürfen. Legales Marihuana – eigentlich.

Doch immer wieder kommt es zu Sicherstellungen von CBD-Blüten durch die Polizei. Auch der Berliner Cannabishandel Bunte Blüte arbeitet daher im Verborgenen. Dabei steht das Start-up für eine transparente und professionelle Lieferkette – und ist damit vielleicht Pionier einer zukünftigen kontrollierten Cannabis-Abgabe.

Ein Hausbesuch von Benedict Wermter – mit Fotos von Tom Costello

Das Berliner Cannabis-Start-up Bunte Blüte liegt mitten in einem Wohngebiet, doch seine vier Gründer und ein Dutzend Mitarbeitende würden Fremden nie verraten, wo genau sie arbeiten. Durch eine schwere Stahltür gelangt man zu einer Bar, links davon gehen mehrere helle und geräumige Büros ab, in denen Cannabis-Vertriebler*innen hinter kalifornischen Computern sitzen. Sie vermarkten die Produkte von „Bunte Blüte“ quer durch Deutschland, liefern an Spätis, Trinkhallen und Fachmärkte für Produkte aus Cannabidiol-Knospen, kurz: CBD-Produkte.

Es geht um Cannabis, das genauso aussieht, riecht und schmeckt wie die verbotene Variante. Einziger Unterschied: Der berauschende Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) wurde extrahiert und auf unter 0,2 Prozent pro Gramm gebracht. Nur noch der legale Wirkstoff CBD ist enthalten, der nicht high macht.

CBD: unter anderem für klassische Kiffer*innen, die aufhören wollen

Wenn die Vertreiber*innen hinter ihren Bildschirmen so etwas wie Großdealer*innen 2.0 sind, dann ist Vincent Klever hier der Drogenbaron. Der Mitbegründer der Bunten Blüte ist 27 Jahre alt, ein Typ wie ein Bär, mit Trainingsjacke in Tarnfarben. Bei unserem Hausbesuch im Graslager redet er schnell und druckreif.

CBD: Fast perfektes „Gras“?

„Wir richten uns an den klassischen Kiffer, der Cannabis konsumieren, aber nicht extrem berauscht sein will“, erklärt Klever sein Geschäftsmodell. Es gehe ihm und seinem Team darum, Konsumierende zu erreichen, die weniger kiffen und die CBD-Blüten ergänzend oder ersetzend verwenden wollen. Um Menschen, die „sich runterdosieren oder die sogar aufhören wollen“, sagt Klever, an der Bar des Empfangs lehnend.

Vincent Klever von der Bunten Blüte. (c) DAH / Bild: Tom Costello

Was mit einer fixen Idee nach einem Junggesellenabschied in Prag begann, wurde schnell zu einem lohnenden Geschäft inmitten des CBD-Booms. Der Wirkstoff gilt als entzündungshemmend, entkrampfend, entspannend, seine Blüten und Öle sind legal im Internet und in Shops erhältlich, um die doch eher weniger wirksamen Blüten hat sich geradezu ein Hype entwickelt.

Man könnte fast meinen, eigentlich gehe es dabei um etwas anderes: hochwertige Cannabisprodukte in einer transparenten und professionellen Lieferkette. Fast perfektes „Gras“ – würde es nur etwas mehr wirken. Sind die Leute von Bunte Blüte also vielleicht so etwas wie die Vorhut einer zukünftigen kontrollierten Abgabe aller Hanfsorten?

Bunte Blüte wehrt sich gegen Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen

Immer wieder kommt es zu Sicherstellungen des harmlosen Nutzhanfs. Ende 2018 zum Beispiel wurden die Produkte des Start-ups in einem Dutzend Berliner Spätis beschlagnahmt. Auch Klever hat schon Erfahrungen mit der Polizei gemacht, erzählt er in den Büroräumen. Vor zwei Jahren fuhr er aus der Schweiz im Zug zurück nach Berlin, mit drei Kilo Blüten im Gepäck, die ihm die Bundespolizei hinter der deutschen Grenze abnahm. Kurz danach durchsuchte die Berliner Polizei die damaligen Geschäftsräume der Firma, auch Klevers Wohnung wurde gefilzt, während er in Gewahrsam saß.

„Nachdem klar war, dass die Kilos Nutzhanf sind, wurde ich entlassen und bin genervt zurück nach Berlin gefahren“, sagt Klever. Seither sei die Zahl solcher Maßnahmen gegen Kund*innen und sie selbst zwar zurückgegangen, sagt Klever, aber man könne nie vorsichtig genug sein. „Insgesamt liegen bei verschiedenen Staatsanwaltschaften noch ein paar Dutzend Kilos von uns herum“, erzählt er.

Ist CBD Rausch- oder Nutzhanf?

Vincent Klever führt nun ins Lager der Firma, wo große Umzugskartons an der Wand lehnen. Überall stehen schwarze Gläschen, Etikettenrollen und tausende Aufkleber herum. Mit Marken wie „Tropical Haze“, „Lemon Coco“ oder „Gorilla Glue“ haben die Macher*innen von Bunte Blüte den Nerv der Cannabisfans getroffen.

Klever erzählt, wie an ihm in den vergangenen drei Jahren ein Jurist verloren gegangen ist. In fließendem Behördendeutsch erklärt er den rechtlichen Streitpunkt um die Produkte, nämlich die Frage, ob CBD-Blüten doch berauschen können. „Nach unserer gutachterlichen Ansicht können die Blüten wegen ihres niedrigen Wirkstoffgehalts nicht zum Rausch führen. Folglich vertreiben wir die Produkte nicht zum Rauschzweck.“

„Die Blüten sind eine klassische Grauzone. Gesetze sind schwammig formuliert“

Strittig ist auch, ob der Blütenverkauf unter die rechtliche Grundlage für Nutzhanf fällt. „Die Blüten sind eine klassische Grauzone. Da gibt es Diskussionspotenzial, Gesetze sind schwammig formuliert, wobei die Blüten nach unserer Auffassung ganz klar legaler Nutzhanf sind.“

Es gebe Staatsanwaltschaften, für die die bunten Blüten in Ordnung seien, sagt Klever, Behörden, die sie für zuvor beschlagnahmte Produkte entschädigen wollten, und solche, die nach wie vor behaupteten, die Produkte seien verboten. Immerhin: Im März 2021 entschied der Bundesgerichtshof, der Verkauf von CBD-Produkten könne legal sein, aber nur, wenn sich niemand an ihnen berauscht.

Bunte Blüte kauft fast 100 Kilo CBD-Blüten pro Monat ein

Dann steht Klever im Abfüllraum, dem Herzstück der kleinen Cannabisfabrik. Eine Mitarbeiterin und zwei Mitarbeiter arbeiten hier mit weißen Kitteln und Masken. Es fehlen nur noch Schutzbrillen, dann wäre der Raum einem Labor zum Verwechseln ähnlich. Auf der einen Seite wiegt die Mitarbeiterin Grammportionen ab und füllt sie in schwarze Gläschen. Auf der anderen Seite steht eine Abfüllstraße für Öle, die ein Mitarbeiter mit einer Pipette in kleine Behälter spritzt – später als Nektar zum Verdampfen verkauft. Extrem starker Cannabisgeruch dringt selbst durch die Maske in die Nase. Und durch das Fenster strahlt der blaue Himmel mitten in diesem Berliner Wohngebiet.

„Wir kaufen in der Regel im hohen zweistelligen Kilogrammbereich pro Monat ein“, sagt Klever. Die Bunte Blüte ist ein Großhändler, der nicht nur eigene Marken betreibt, sondern auch Partner beliefert. Die Rohware kommt von Cannabis-Anbauer*innen aus der Schweiz, von denen es immer mehr gibt. Sie züchten Cannabis mit niedrigem Wirkstoffgehalt auf Feldern oder in Hallen und extrahieren nach der Ernte mit Flüssigkeit und Überdruck das berauschende THC, sodass nur noch das erlaubte CBD in der Blüte bleibt. „Wir packen die Rohware dann ab oder stellen Öle daraus her, bevor wir unsere Produkte in die über 800 Verkaufsstellen schicken“, so Klever.

CBD-Blüten: Gefragt ist jetzt der Gesetzgeber

Wie ein Weinkenner öffnet Vincent Klever weiße Eimer, die randvoll mit Blüten sind, sicher ein paar Kilogramm. „Das Amnesia ist von feiner Struktur, mit angenehmen Aroma, kompakte Buds“, sagt er. Und öffnet einen anderen Eimer: „Der Harlekin ist grober geraten, riecht strohig. Aber sehr beliebt.“

Zurück am Empfang des Start-ups lehnt Vincent Klever wieder an der Bar, nimmt in sicherer Entfernung seine Maske ab. Dann blickt er in die Zukunft, wünscht sich, dass der Gesetzgeber den Nutzhanf-Paragraphen in den kommenden 12 Monaten um die Blüten erweitert. So könnte die Firma Investor*innengelder einsammeln und weitere Zahlungsmittel für Kund*innen zulassen, die derzeit noch gesperrt sind – etwa Onlinebezahldienste. Außerdem möchte Bunte Blüte in andere Länder expandieren.

Doch es geht Vincent Klever um mehr: „Wenn wir unsere Produkte noch präsenter platzieren können, dann schafft das einen anderen Blick auf andere Cannabis-Produkte. Mit Blick auf die Diskussion um die Entkriminalisierung.“

Bunte Blüte will keine bedingungslose Cannabislegalisierung

Dabei müsse man durchaus auch eine Diskussion um Grenzwerte von berauschendem Cannabis führen, so Klever. „Wir sind keine bedingungslosen Cannabislegalisierer. Wir müssen uns fragen, ob wir später so hoch konzentrierte und unkontrollierte Produkte wie in den USA haben wollen oder ob nicht fünf bis sieben Prozent THC für legalisiertes Cannabis ausreichen?“

„Kann man nicht durch Regulierung bessere Ergebnisse erzielen?“

Klever will, dass der THC-Verkauf später genauso kontrolliert wird wie der CBD-Verkauf. Das sei eigentlich dieselbe Sache.

„Wir wollen wissen, wie sinnvoll der Weg ist, der mit der Kriminalisierung politisch eingeschlagen wurde. Oder kann man nicht durch Regulierung bessere Ergebnisse erzielen? Gehen wir in eine medizinische Richtung? Oder staatliche Abgabestellen? Wir fragen uns schon, was ist für Deutschland eine sinnvolle Herangehensweise?“

Nutzhanf als Substitut

Einige Menschen nutzen CBD tatsächlich als Substitut und konsumieren CBD genauso wie Cannabis. Nutzhanf kann eine psychische Wirkung entfalten – und ist daher auch für Opioidgebrauchende interessant, auch für Menschen mit HIV und anderen chronischen Erkrankungen. „Aber selbst dieser Gebrauch wird kriminalisiert, obwohl wir gar nicht von Drogengebrauch sprechen können“, sagt Dirk Schäffer, Drogenreferent der Deutschen Aidshilfe.

Grundsätzlich fordern Expert*innen und auch die DAH die geregelte Abgabe von bestimmten Substanzen, weil der Staat so Kontrolle zurückgewinnt, an der die Prohibition scheitert: Schwarzmärkte würden ausgetrocknet, frei werdende Mittel könnten sinnvoll für präventive Jugendarbeit und Schutz von Konsumierenden eingesetzt werden.

Nicht zuletzt mit dieser Perspektive sollte auch die Bunte Blüte nicht kriminalisiert, sondern eher als Partnerin einer Regulierung gesehen werden. Vincent Klever und seine Mitarbeiter*innen jedenfalls warten hinter der schweren Stahltür darauf, ihr Unternehmen in das Hellfeld der kontrollierten Cannabis-Abgabe zu führen.

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