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Für immer Norman Bates

Von Axel Schock
Anthony Perkins
Vor 25 Jahren starb der Schauspieler Anthony Perkins an den Folgen von Aids. Die Rolle des Killers Norman Bates in „Psycho“ war für ihn Segen und Fluch zugleich. Sie machte Perkins zwar berühmt, prägte aber zugleich auch sein öffentliches Bild und begrenzte seine Möglichkeiten. Umso mehr achtete er darauf, seine HIV-Infektion geheim zu halten.

Weglaufen, sagt Norman Bates an einer Stelle des Films, sei im Grunde gar nicht möglich. „Man steckt in ganz privaten Fallen, ist darin gefangen wie in einem Gefängnis, und niemand kommt da wieder heraus.“ Für Anthony Perkins sollte sich dieser Satz seines Film-Alter-Egos als Prophezeiung erweisen.

Norman Bates: Synonym für neurotisch gestörte Antihelden

Die Rolle des schüchternen Hotelbesitzers mit krankhafter Mutterbindung in Hitchcocks Thriller „Psycho“ machte Perkins nicht nur schlagartig berühmt. Sein Name wurde gleichermaßen zum Synonym für neurotisch gestörte Antihelden. Perkins hat diesen Typus zwar immer wieder variieren und verfeinern können, etwa in Orson Welles Kafka-Adaption „Der Prozess“ oder als kriegstraumatisierter Militärkaplan in „Catch 22“.

Doch das Korsett, in das ihn Hollywood gesteckt hatte, bedeutete für Perkins nicht nur eine künstlerische Einengung, sondern auch immer wieder Zeiten, in denen es schlicht keine Angebote gab – außer den unvermeidlichen drittklassigen „Psycho“-Sequels.

Seine Affären mit Männern hielt Perkins geheim

Von der Filmindustrie Dankbarkeit oder so etwas wie Fürsorge zu erwarten, ist naiv. Perkins bekam das bitter zu spüren, als er über Jahre ohne Arbeit blieb. Und er wusste, wie schnell Karrieren beendet werden konnten. Seine sexuellen Affären mit Männern, etwa mit dem Balletttänzer Rudolf Nurejew und dem Schauspieler Tab Hunter, hielt er deshalb geheim.

Erst mit Ende 30, nach langjähriger psychotherapeutischer Behandlung aufgrund seiner – wie er sagte – „unnatürlich engen Mutterbindung“, sei es ihm möglich gewesen, auch Beziehungen mit Frauen zu haben, erzählte Perkins.

„Hatte er wirklich gedacht, die Ehe würde ihn zu einem Heterosexuellen machen?“

Nach einer Liaison mit der Schauspielkollegin Victoria Principal heiratete er im Alter von 41 Jahren schließlich die Modefotografin Berinthia Berenson. „Ich fand das ein ziemlich seltsames Verhalten von ihm. Hatte er wirklich gedacht, die Ehe würde ihn zu einem Heterosexuellen machen?“, kommentierte Don Bacardy diese Entwicklung. Der Lebensgefährte des Schriftstellers Christopher Isherwood gehörte zu Perkinsʼ engerem schwulen Umfeld und war wie andere Freunde auch überrascht und irritiert von dieser Ehe.

Illegaler HIV-Test

Für Perkins schien sich damit jedoch ein lang gehegter Wunsch erfüllt zu haben. Er wurde Vater von zwei Söhnen, die Gerüchte um seine Homosexualität versiegten – bis in der Klatschpresse ein neues Gerücht auftauchte und neuerlich seine Karriere bedrohte. „The National Enquirer“, ein nicht unbedingt verlässliches Medium, titelte 1990: „Psycho“-Star Anthony Perkins hat den AIDS-Virus“. Als wäre diese Bericht nicht schon perfide genug, fußte die Behauptung des Schmierenblatts in diesem Fall sogar auf einem handfesten, wenn auch nicht legal erworbenen Beleg.

Nur: Perkins selbst wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von seiner HIV-Infektion. Offenbar hatte man, als er wegen einer Gesichtslähmung im Krankenhaus behandelt wurde, sein Blut heimlich auf HIV getestet und das Ergebnis an den „National Enquirer“ weitergeben.

Perkins reagierte nicht auf die Presseveröffentlichung. Auch nicht, als sich sein HIV-Status bei einem nunmehr selbst veranlassten Test bestätigte. Damit blieb die Sensationsmeldung des Klatschblattes nicht mehr als ein böses Gerücht.

Angst, von Hollywood verstoßen zu werden

Wieder war da die Angst, von Hollywood verstoßen zu werden. „Er war sich sicher: Wenn es herauskäme, würde man ihm nie wieder Arbeit geben“, sagte seine Ehefrau Jahre später in einem Interview. Die Entertainment-Branche war in jener Zeit nicht nur bigott und verlogen, sondern auch geradezu panisch; ganz besonders auch die vielen Schwulen, die dort zum Teil in Führungspositionen arbeiteten. Doch abgesehen von Elisabeth Taylor wollte sich zu diesem Zeitpunkt kaum jemand für jene Kolleg_innen einsetzen, die von der Epidemie betroffen waren, geschweige denn mit ihnen arbeiten.

„Wenn es herauskäme, würde man ihm nie wieder Arbeit geben“

Als 1991 sein befreundeter Kollege Brad Davis verstarb, konnte Perkins miterleben, wie die Öffentlichkeit, die Medien und nicht zuletzt die Filmbranche reagierte, wenn die Aidsdiagnose eines Filmstars bekannt wird. Perkins blieb daher dabei, sein Geheimnis so lange wie möglich zu bewahren.

Anthony Perkins konnte nicht er selbst sein

Nicht einmal die beiden Söhne sollten von seiner Erkrankung erfahren. Für Ehefrau Berinthia war dies eine schier unerträgliche Situation. Bei den beiden Krankenhausaufenthalten ihres Mannes hatten sie deshalb sicherheitshalber einen falschen Namen angegeben. „Dieser Mann hatte in seinem Leben den Menschen so viel Freude bereitet und dem Showbusiness so viel gegeben, und das war der Dank dafür. Nicht einmal in seinen letzten Tagen konnte er einfach nur er selbst sein“, erinnerte sich Berinthia Berenson an die bedrückende Zeit.

Ungeachtet seiner Aids-Erkrankung gelang es Perkins in seinen letzten beiden Lebensjahren weiter für den Lebensunterhalt zu sorgen: ein dilettantisch inszenierter Teil 4 der „Psycho“-Reihe und schließlich der „Der Mann von neben“ – eine weitere Variante des psychopathischen Sonderlings, zur Abwechslung mal in einer deutschen Produktion. Als er dann aber im Sommer 1992 an einer aidsbedingten Lungenentzündung erkrankte, war der Kampf gegen das Virus verloren.

Aufbegehren gegen das Brandmarken von Aidskranken

Inzwischen waren auch einige enge Freund_innen in die Krankheitsursache eingeweiht und standen ihm in seinen letzten Tagen bei. Seinen beiden Söhnen Osgood und Elvis, damals 16 und 18 Jahre alt, diktierte er vom Krankenbett aus eine Erklärung, die nach seinem Tod veröffentlicht werden sollte. Diese Zeilen sind nicht nur von Verbitterung gekennzeichnet, sondern auch von dem Wunsch, zumindest posthum gegen das Brandmarken der Aidskranken und gesellschaftliche Schuldzuweisungen öffentlich aufzubegehren.

„Diese Krankheit ist keine Rache Gottes“

„Viele glauben, dass diese Krankheit die Rache Gottes ist. Ich aber glaube, dass sie geschickt wurde, damit die Menschen lernen, einander zu lieben und zu verstehen und Mitgefühl zu haben“, Perkins. Und weiter: „Ich habe von den Menschen, die ich bei diesem großen Abenteuer in der Welt von Aids getroffen habe, mehr über Liebe, Selbstlosigkeit und menschliches Verständnis gelernt, als es je in der halsabschneiderischen, von Konkurrenzdenken dominierten Welt der Fall gewesen ist, in der ich mein Leben verbracht habe.“

Anthony Perkins starb im Alter von 60 Jahren am 12. September 1992 im Kreis von Freund_innen und Familie in seinem Haus in den Hollywood Hills.

Seine Ehefrau Berinthia hatte sich, wie sie sich durch mehrfache Tests versicherte, bei ihrem Mann nicht mit HIV infiziert. Sie kam am 11. September 2001 an Bord des ersten Flugzeugs ums Leben, das von den Terroristen ins World Trade Center gesteuert wurde.

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