AIDSHILFE

Die Gesellschaft mitprägen

Von Philip Eicker
Vadym Kaplun informiert Jugendliche über Sexualität und HIV. Der gebürtige Ukrainer erfüllt sein Ehrenamt bei der Hamburger Aidshilfe mit einer Leidenschaft, die bei eingesessenen Deutschen selten ist. Ein Porträt von Philip Eicker.

Vadym Kaplun (30), Schoolworker (Foto: privat)

Vadym Kaplun ist nicht HIV-positiv. Trotzdem vermuten das viele seiner Bekannten, wenn der 30-Jährige ihnen erzählt, dass er ehrenamtlich für die Hamburger Aidshilfe arbeitet. Sich ohne gesundheitlichen Anlass in Sachen Aids engagieren? Das kommt ihnen erst einmal nicht in den Sinn. In diesen Fällen erklärt der gebürtige Ukrainer Vadym geduldig, dass die Aidshilfe nicht nur für Menschen mit HIV da ist. „Eines der Ziele der Aidshilfe ist es ja, solche Stereotype abzubauen“, betont Vadym und wundert sich dennoch, „wie viele Leute in Hamburg die Aidshilfe überhaupt nicht wahrnehmen“.

Für Ehrenämter bleibt in der Ukraine keine Zeit

Dieses Desinteresse kann Vadym nur schwer verstehen – zumal er als Einwanderer weiß, dass anderswo die Bedingungen weit schwieriger sind als im wohlhabenden Deutschland. „Ich komme aus einem Land, wo es kaum jemanden einfallen würde, sich in der Freizeit zu engagieren“, berichtet Vadym, der 2000 mit seinen Eltern als Kontingentflüchtling aus Charkow nach Hamburg einwandern durfte. „In der Ukraine kämpfen die meisten Menschen – grob gesagt – ums Überleben.“ Für Ehrenämter bleibt keine Zeit. „In Deutschland ist das anders, das Leben ist geregelt.“ Es sei ein Leichtes, sich einzubringen.

Wo man sich schließlich engagiert, entscheidet oft der Zufall. Im Fall von Vadym war es ein Work-out-Kurs seines Fitnessstudios. Dort trainierte er zusammen mit Jörg Korell, dem Leiter der Hamburger Aidshilfe. Die beiden sahen sich jede Woche, plauderten über Sport und Arbeit, und nach einigen Monaten hatte Korell einen neuen Ehrenamtler gewonnen. Die Herzlichkeit Korells hatte Vadym überzeugt: „Ich habe das Gefühl, dass sich die Menschen bei der Aidshilfe offener begegnen als es sonst in Hamburg üblich ist“.

 Über 2.000 Menschen nehmen alljährlich an den Veranstaltungen der Schoolworker teil

Seit dem Frühjahr 2011 ist Vadym Kaplun deshalb für die Schoolworker der Hamburger Aidshilfe im Einsatz – neben seinem Beruf als staatlich anerkannter Übersetzer. Das bedeutet: Mehrmals pro Monat empfängt er mit ein bis zwei anderen Ehrenamtlern und einer hauptamtlichen Mitarbeitern junge Menschen in der Hamburger Aidshilfe, um mit ihnen über Sexualität und HIV zu diskutieren. Meist kommen Schulklassen, aber auch Teilnehmern eines Freiwilligen Sozialen Jahres hat Vadym schon Rede und Antwort gestanden. Jedes Jahr nehmen weit mehr als 2.000 junge Menschen an den Veranstaltungen der Hamburger Schoolworker teil.

In ungezwungener Atmosphäre sollen die Jugendlichen, die meisten zwischen 14 und 16, mehr über Safer Sex und Menschen mit HIV erfahren. Vadyms Aufgabe als Schoolworker: Die Jugendlichen sollen spielerisch mehr über Sexualität erfahren und dabei alles fragen dürfen, was ihnen auf den Nägeln brennt. „Einige kichern nur“, erzählt Vadym, „aber es sind auch viele Forscher dabei, die unentwegt Fragen stellen.“ Damit es nicht zu peinlich wird, werden gleich zu Beginn Lehrer und Betreuer weggeschickt, Jungs und Mädchen in zwei Gruppen getrennt. Beim Auftauen helfen auch die Spiele der Schoolworker. In einem dürfen die Teenager selbst Fragen beantworten. Zum Beispiel: „Was bedeutet ,Blasen‘?“ Oder: „Was ist der Unterschied Schwulen und Homosexuellen?“

Die Jugendlichen sollen spielerisch mehr über Sexualität erfahren

„Natürlich brauchen die Jungendlichen etwas Zeit, um warm zu werden“, sagt Vadym, aber das Thema Sexualität sei für sie so spannend, dass die anfängliche Nervosität schnell verfliege. Die Schülerinnen und Schüler dürften durchaus genießen, dass sie nicht im normalen Unterricht sind, findet Vadym – und könnten trotzdem viel dabei lernen.

Wie Vadym sind alle Schoolworker Ehrenamtler, bei jedem Termin unterstützt von einer hauptamtlichen Mitarbeiterin der Aidshilfe Hamburg. „Bei meinem ersten Termin hat mir die Leiterin Natalia gesagt: Hör erstmal zu und mach erst in der zweiten Hälfte mit. Aber ich habe schon in der ersten Stunde viel gequatscht“, berichtet Vadym und lacht. Inzwischen gehört er zu den Stützen des Schoolworker-Teams.

Vadym genießt die Auszeiten bei der Aidshilfe. Zumal er als freiberuflicher Übersetzer die meiste Zeit des Tages zu Hause am Schreibtisch verbringt. „Mein Beruf ist hektisch und stressig“, sagt Vadym, die Aidshilfe sei eine tolle Abwechslung. „Du kommst auf eine entspannte Weise mit anderen Leuten zusammen – nicht in einem Serviceteam, wo du lächeln musst, sondern bei einer wichtigen Aufgabe, wo du gerne lächelst.“

Es liegt wohl auch an Vadyms Herkunft, dass er so unbefangen pathetisch von seinem Ehrenamt schwärmt. „Wir behandeln ein schweres Thema, und trotzdem macht die Arbeit uns Freude“, versichert er. „Weil wir dafür sorgen, dass unsere Welt etwas heller und aufgeklärter wird. Ich lebe gerne in einer Gesellschaft, die ich mitprägen kann.“

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