Hollywood-Diva und Fürsprecherin der HIV-Community
Ihren Platz in der Filmgeschichte hat sie sicher – nicht nur wegen ihrer unvergesslichen Auftritte etwa in den Tennessee-Williams-Verfilmungen „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ und „Plötzlich im letzten Sommer“ oder ihrer beiden Oscars – 1961 für „Telefon Butterfield 8“ und 1967 für „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“.
Als erste Schauspielerin wagte es Elizabeth Taylor, eine Gage von einer Millionen Dollar zu fordern, um damit unmissverständlich auf den Gender-Pay-Gap in der Branche hinzuweisen. Dass „Cleopatra“ das Filmstudio beinahe in den Bankrott getrieben hätte, lag allerdings nicht an Taylors Honorar, wie seinerzeit kolportiert wurde, sondern an den Produktionskosten, die von geplanten zwei auf mehr als 40 Millionen Dollar gestiegen waren.
Elizabeth Taylor war allerdings immer mehr als „nur“ Schauspielerin mit überragendem Talent und besonderer Schönheit. Sie war über Jahrzehnte eine Ikone mit weltweiter Bekanntheit, im Grad nur vom Papst und von Queen Elizabeth übertroffen.
Elizabeth Taylor: Von den Boulevardmedien zeitlebens verfolgt
Taylor hatte bereits 1943 im Alter von zehn Jahren lernen müssen, mit der öffentlichen Aufmerksamkeit umzugehen, als sie mit ihrer ersten Hauptrolle im „Lassie“-Film über Nacht zum Star wurde.
Und das Interesse insbesondere der Boulevardmedien ließ nicht nach. Dafür lieferte das Leben der Taylor zu viel Stoff: Sie heiratete acht Mal (Richard Burton gleich zweimal), sie kämpfte mit schweren Erkrankungen, mit Alkohol- und Tablettensucht, und es gibt kaum einen anderen Hollywoodstar, in dessen Adressbuch die Telefonnummern so vieler Prominenter standen. Persönlichkeiten aus Kultur und Politik suchten immer wieder ihre Nähe, sonnten sich in ihrem Glanz, machten Events mit ihrer Anwesenheit zum Ereignis.
1984 sah Elizabeth Taylor die Gelegenheit gekommen, den Spieß gewissermaßen umzudrehen und sie der Reihe nach durchzutelefonieren. Eine Gruppe schwuler Männer plante in Los Angeles eine Spenden-Gala für das AIDS Project Los Angeles (APLA), und Taylor, die bereits viele Erkrankte in ihrem engeren Freundeskreis hatte, zögerte nicht lange, als man ihr die Schirmherrschaft für dieses „Commitment-for-Life“-Dinner antrug (auf Deutsch etwa Verpflichtung oder Einsatz für das Leben).
Sie stellte allerdings eine Bedingung: Sie wollte selbst an der Vorbereitung mitwirken. Also griff sie zum Telefon und fragte ihre prominenten Freund*innen, ob sie bei der Benefizveranstaltung mit dabei sein würden oder wenigstens ihre Namen für ein Komitee zur Verfügung stellen könnten.
Die Hollywood-Prominenz wollte mit Aids nicht in Verbindung gebracht werden
Es kam schlimmer, als Taylor erwartet hatte. „Ich habe noch nie so viele Absagen bekommen“, erzählte sie Jahre später in einem Interview, „sie wollten mit diesem Thema einfach nicht in Verbindung gebracht werden.“ Mehr noch: Viele, selbst ihre engsten Freund*innen rieten ihr, sich schnellstmöglich wieder aus der Sache zurückzuziehen, denn sie würde ihrem Ruf schaden.
„Mir wurde klar, dass ausgerechnet diese Stadt im Grunde homophob war, obwohl es ohne Homosexuelle kein Hollywood, kein Showbusiness geben würde! Dennoch wandte sich die Branche von dem ab, was sie als Schwulenkrankheit ansah.“
„Noch nie hat eine Krankheit so viele Menschen hilflos zurückgelassen“
Was Aids für die Erkrankten konkret bedeutete, aber auch welche Wirkungen die Ausgrenzung und Stigmatisierung auf die von HIV und Aids betroffenen Menschen hatte, erlebte Taylor im allerengsten Umfeld. Ihr persönlicher Sekretär Roger Wall, dem sie sehr nahestand, nahm sich 1991 nach seiner HIV-Diagnose das Leben. Und als Aileen Getty, damals die Ehefrau von Taylors Sohn Christopher, erkrankte, war das Virus auch in die eigene Familie vorgedrungen.
„Noch nie hat eine Krankheit so viele Menschen hilflos zurückgelassen, sodass Angehörige und Familien nur noch Frustration und Angst empfinden“, sagt Elizabeth Taylor am 19. September 1985 in ihrer Rede beim APLA-Galadinner.
Rund 2.500 Menschen sind schließlich ihrer Einladung ins Bonaventure Hotel gefolgt, darunter Sammy Davis Jr., Cyndi Lauper, Rod Stewart, Stevie Wonder und Cher. Rund eine Million Dollar an Spenden kommen an diesem Abend zusammen.
Die Veranstaltung ist jedoch nur der Auftakt für ein beispielloses Engagement.
Elizabeth Taylor will die beste sein – auch als Spendensammlerin
Noch im selben Jahr wird Elizabeth Taylor Sprecherin und Vorsitzende der späteren American Foundation for Aids Research (AmfAR, Amerikanische Stiftung für die Aids-Forschung). Sie hat die Gründung maßgeblich unterstützt, einen Teil des Grundkapitals – 250.000 Dollar – hat ihr Freund und Kollege Rock Hudson kurz vor seinem Tod gestiftet.
Als sie 1991 ihren letzten Ehemann Larry Fortensky auf Michael Jacksons Neverland Ranch heiratet, verkauft sie die Fotos der Hochzeit für eine Million Dollar an das Magazin „People“ und verwendet das Geld als Grundstock ihrer eigenen Stiftung, der Elizabeth Taylor AIDS Foundation.
Den Gerüchten, sie habe diese aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit der American Foundation for Aids Research ins Leben gerufen, widerspricht die Schauspielerin. „Jetzt habe ich das Beste aus beiden Welten“, erklärt sie. „Ich sammle Geld und lasse es direkt jenen zufließen, die es benötigen. Es gibt keine Unkosten, nicht einen Dollar.“
Die ersten geförderten Projekte sind Präventionsprogramme inklusive Kondomvergabe und Spritzentausch in Südamerika sowie ein Aidsprojekt in Los Angeles.
„Es ist schlimm genug, dass Menschen an Aids sterben, aber niemand sollte aus Unwissenheit sterben“
Das Konzept von Taylors HIV/Aids-Wohltätigkeitsorganisation ist einmalig: Showbusiness gepaart mit Wissenschaft. Die Benefizveranstaltungen sorgen für Glamour, mediale Aufmerksamkeit für das Thema und reichlich Spenden, die für Forschung und Hilfsprojekte eingesetzt werden können.
„Ich wusste, dass ich mit meinem Namen bestimmte Türen öffnen kann, dass ich selbst ein Wert war“, schilderte Elizabeth Taylor später ihre Entscheidung. „Ich konnte den Ruhm, den ich so viele Jahre lang abgelehnt und dem ich zu entkommen versucht hatte, nun dazu nutzen, um etwas Gutes zu tun.“
Elizabeth Taylors Prominenz führt auch in der Aids-Politik der USA zu Bewegung
Die Boulevardpresse habe sie nie in Ruhe gelassen, so die Schauspielerin. „Also dachte ich: Wenn ihr mich schon verarschen wollt, dann werde ich euch benutzen.“
Die Medien haben jahrzehntelang jeden ihrer Schritte verfolgt, und indem Taylor ihren Namen nun so eng mit der Aids-Krise in Verbindung bringt, müssen sie zwangsläufig die Krankheit thematisieren. „Es ist schlimm genug, dass Menschen an Aids sterben, aber niemand sollte aus Unwissenheit sterben“, so die Diva.
Und immer noch leistet Taylors Telefonbuch nützliche Dienste. So gelingt es ihr, dass ihr ehemaliger Hollywood-Kollege Ronald Reagan, mittlerweile US-Präsidenten, die Krankheit endlich ernst nimmt und sein Schweigen bricht: 1987 äußert er sich auf ihr Betreiben bei der dritten Internationalen Aids-Konferenz erstmals in einer Rede zu Aids.
Ein paar Jahre später, im Juli 1992, treffen sich HIV/Aids-Expert*innen aus aller Welt zur 8. Internationalen Aids-Konferenz in Amsterdam. Die USA haben inzwischen einen neuen Präsidenten, doch auch er zeigt wenig Interesse und Engagement.
Elizabeth Taylor weiß um die Macht ihrer Prominenz. Und sie weiß beides politisch einzusetzen: „Es gibt gewisse Dinge, die kann nur ich mir erlauben“, sagt sie. Zum Beispiel in aller Öffentlichkeit Tacheles reden.
„Ich glaube nicht, dass Präsident Bush überhaupt etwas gegen Aids unternimmt“, sagt Taylor auf der Konferenz in Amsterdam vor der versammelten Weltpresse. „Genau genommen bin ich mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt weiß, wie man ‚Aids‘ buchstabiert.“
Das Outfit der Hollywood-Ikone mag für manchen Geschmack etwas grell gewesen sein, ihr Lächeln routiniert. Der Zorn allerdings, die Wut, die aus diesen Sätzen sprechen, sie sind echt und verfehlen ihre Wirkung nicht. Denn diese Sätze kommen nicht von irgendwem, sondern von Elizabeth Taylor – und sie beherrschen die Schlagzeilen weltweit.
Tatsächlich: Washington reagiert. Ein Sekretär im Gesundheitsministerium lässt die Öffentlichkeit wissen, dass man sich weder von Filmstars oder sonst jemandem bezüglich der Aids-Politik einschüchtern lassen werde.
„Es gibt gewisse Dinge, die kann nur ich mir erlauben“
Von einem CNN-Reporter mit diesem Statement konfrontiert, erweist sich Taylor als schlagfertig und ganz Diva: „Nun, ich habe meine Bemerkungen nicht an ihn gerichtet“, schießt der Filmstar zurück. „Ich richtete meine Bemerkungen an den Präsidenten.“
Elizabeth Taylors Wort hat, gerade wenn es um die Aidspolitik der USA geht, mittlerweile Gewicht. Gleich dreimal – 1986, 1990 und 1992 – sagt sie auf Einladung der Demokraten vor dem Senat und dem Repräsentantenhaus aus, um die verantwortlichen Politiker*innen von der Einrichtung des Ryan White CARE Act zu überzeugen, einem staatlichen Programm für die Versorgung von Menschen mit HIV und Aids.
Taylor sind aber auch langfristige, strukturelle Veränderungen wichtig. So gründet sie in Washington das Elizabeth Taylor Medical Center, um dort kostenlose HIV/AIDS-Tests und -Behandlung anbieten zu können. Und mit dem Elizabeth Taylor Endowment Fund unterstützt sie Forschung und Ausbildung zu HIV/Aids an der University of California in Los Angeles.
Elizabeth Taylor: Engagement in Sachen HIV/Aids als Lebensaufgabe
Im Gegensatz zu manch anderen Prominenten und Stars ist Elizabeth Taylors Engagement in Sachen HIV/Aids nicht nur auf die Öffentlichkeit, auf rote Teppiche und Benefizveranstaltungen gerichtet, sondern eine Lebensaufgabe.
Taylor wird nicht müde, eigene Benefizgalas auszurichten. „Ich bin die beste Spendensammlerin“, erklärt sie sie kokett und weiß, dass dies nur funktioniert, wenn sie persönlich bei den Events in Erscheinung tritt. „Ich kann da niemanden als meine Vertretung hinschicken.“
Sie sorgt und kümmert sich aber auch abseits der Öffentlichkeit um Menschen mit Aids, insbesondere in den ersten Jahren der Pandemie, als sich die Community-eigene Betreuungs- und Hilfsorganisationen noch im Aufbau befinden. Wenn sie Patient*innen in einem Hospiz in L.A. besucht, ist sie gewissermaßen ganz inkognito, ohne Presse und Medien. Sie ist dann nicht der Hollywoodstar, sondern einfach nur ein empathischer Mensch, der mit Patient*innen redet, sie in den Arm nimmt.
In einem US-Fernsehinterview berichtete die Schauspielerin Kathy Ireland, dass Elizabeth Taylor, mit der sie eine enge Freundschaft verband, sich noch auf eine ganz andere Weise für Aidskranke engagiert habe: Ihre Villa in Bel Air sei Umschlagsort für experimentelle, noch nicht zugelassene HIV-Medikamente gewesen, ähnlich dem durch den Hollywoodfilm berühmt gewordenen „Dallas Buyers Club“. Ob Taylor tatsächlich auf diese Weise Medikamente beschaffte und verteilte, ist allerdings umstritten, zumindest nicht eindeutig bestätigt. So manchen in ihrem Freund*innenkreis schien diese Enthüllung allerdings nicht wirklich zu überraschen.
Als Elizabeth Taylor 2011 m Alter von 79 Jahren einem Herzleiden erliegt, trauert die Welt nicht allein um einen der letzten großen Hollywood-Stars. Mit ihr starb auch eine der frühesten, prominentesten und mutigsten Fürsprecher*innen für die HIV-Forschung und -Behandlung und damit eine der wichtigsten Unterstützter*innen der HIV/Aids-Community.
Rund 100 Millionen Dollar hat Elizabeth Taylor für die verschiedenen Stiftungen eingesammelt – auch über ihren Tod hinaus. Zu ihrer Beisetzung wurde um Spenden für die Elizabeth Taylor AIDS Foundation gebeten. Sie ist bis heute aktiv.
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