Erinnern und Gedenken

Letzte Ruhe in bester Lage

Von Axel Schock
Gemeinschaftsgrab Köln
Die Gemeinschaftsgrabstätte der Aidshilfe Köln auf dem Melaten-Friedhof: ein Baustein der Aids-Gedenkkultur

Auch auf Friedhöfen gibt es allererste Adressen, meist sind es die Hauptwege, an denen sich die opulenten Grabanlagen der bekannten Persönlichkeiten, Industriellen, Künstler_innen und Politiker_innen der Stadt aneinanderreihen. Auf dem Kölner Melaten-Friedhof wird eine dieser zentralen Achsen umgangssprachlich Hohe Straße genannt.

Auch die Unternehmerfamilie Joest hatte sich dort eine ansehnliche letzte Ruhestätte errichten lassen. Die Liegezeit ist längst abgelaufen; das historische Grabmal aber wurde – wie erfreulicherweise viele andere auch – erhalten und wird weiter genutzt.

Die Kölner Aidshilfe hat bereit 2009 die Patenschaft dafür übernommen, doch das Projekt lag eine Weile brach, bis einige organisatorische Hürden überwunden und nicht zuletzt die Finanzierung gesichert waren. Doch in diesem Februar, fast zehn Jahre später, konnte dort wie geplant ein Gemeinschaftsgrab für Menschen aus dem Umfeld der Aidshilfe eingeweiht werden.

Besondere Gemeinschaftsgrabstätten für Menschen mit HIV und Aids gibt es bereits in mehreren deutschen Städten. Das erste wurde bereits 1995 auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg eingerichtet, ähnliche Projekte sind auch in Frankfurt/Main und Berlin entstanden.

„Betreuung auch über den Tod hinaus“

Für Julia Ott, Geschäftsführerin der Lebenshaus-Stiftung, ist das Gemeinschaftsgrab ein wichtiger letzter Baustein des Angebots. „Wir möchten, wenn man so will, den Menschen mit HIV und Aids eine Betreuung bis zum Schluss anbieten können, also auch über den Tod hinaus.“ Insgesamt haben 36 Urnen in der Gruft Platz.

Spenden und Patenschaften sollen die Erhaltung des Grabes und Beisetzungen ermöglichen

Viele Erkrankte wünschen sich, rechtzeitig eine würdige Bestattung am Ort ihres Lebensmittelpunktes zu regeln – vor allem dann, wenn sie von der Herkunftsfamilie entfremdet sind und die Aidshilfe zur Wahl-Familie geworden ist. Gemeinschaftliche Grabstätten können die Lösung sein, wenn es im Umfeld niemanden gibt, der sich später um das Grab kümmern könnte, oder wenn man Freund_innen diese Aufgabe nicht aufbürden will, aber auch nicht anonym begraben werden möchte.

Rund 3000 Euro kostet ein Platz in der Grabstätte.  Darin eingeschlossen sind die eigentlichen Bestattungskosten, die Grabnutzung, gärtnerische Pflege und Instandhaltung für 25 Jahre und die Gravur der Namenstafel für die Steinstele.

Julia Ott weiß, dass nicht alle, die gerne eine Platz hätten, diese Summe aufbringen können. Im Fall einer Sozialbestattung finanzieren die Behörden diese Kosten nicht in Gänze. Hier sucht die Aidshilfe zum einen Menschen, die zweckgebundene Spenden leisten oder Patenschaften für das Gemeinschaftsgrab übernehmen; zum anderen unterstützt und berät sie bei der Vermittlung von Sterbeversicherungen und Vorsorgeverträgen.

Der erste Name ist schon eingraviert

Die Lebenshaus-Stiftung e.V., mit der die Aidshilfe Finanzierungslücken bei eigenen Projekten wie etwa beim Ambulant betreuten Wohnen im Kölner Lebenshaus schließt, hat die denkmalgerechte Instandsetzung des bestehenden historischen Grabdenkmals und auch die erste von drei geplanten Steinstelen mit Marmorplakette ermöglicht. Ein erster Name ist bereits eingraviert:  2017, lange vor der offiziellen Einweihung, wurde Marcus Weber in einer Urne beigesetzt. Zu seinen Lebzeiten war er unter anderem kurzzeitig Geschäftsführer des RUBICON Beratungszentrums für Lesben und Schwule, hatte eine enge Verbindung zur Aidshilfe und früh den Wunsch, in dem Gemeinschaftsgrab bestattet zu werden. Einige weitere Interessent_innen, die gerne an der „Hohen Straße“ liegen möchten, haben sich schon angemeldet.

Ein Baustein der Kölner Aids-Gedenkkultur

„Die Krankheit Aids hat in den letzten 30 Jahren viele, vor allem junge Menschenleben gefordert und damit auch indirekt Einfluss auf die Erinnerungs- und Trauerkultur genommen“, erklärte bei der Einweihungsfeier Elfi Scho-Antwerpes, Vorstandsfrau der Kölner Aidshilfe. Das Patenschaftsgrab soll – neben den Erinnerungsritualen wie „Kerzenlichter gegen das Vergessen“ beim CSD und der Kunstinstallation „Namen und Steine“ am Rheinufer – ein weiterer Baustein dieser Gedenkkultur sein. In diesem Sinne lädt die Kölner Aidshilfe am Welt-Aids-Tag zu einer Führung auf dem Melaten-Friedhof ein, die an dem Grab endet.

Mehr Informationen zum Gemeinschaftsgrab bietet ein Flyer der Kölner Aidshilfe (Flyer-Download)

 

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