Sie hat sich in den letzten Jahren viel mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck beschäftigt, unter anderem in ihrem Buch „Gegen den Hass“. Dafür wurde sie auch immer wieder persönlich angegriffen. Drei Fragen an die Publizistin Carolin Emcke im Rahmen unserer Kampagne „Vielfalt gegen rechte Einfalt“

Frau Emcke, Sie haben 3 Wünsche frei: Was ist Ihre Vorstellung von einem gesellschaftlichen Miteinander?

3 Wünsche frei? Ich fände ja schon einen Wunsch, der sich erfüllt, magisch.

Also: ich würde mir wünschen, dass wir einander wieder besser zuhören, uns bemühen, die Erfahrungen und Perspektiven anderer zu verstehen. Das würde hoffentlich diese ungeheure Aggressivität aus der öffentlichen Diskussion nehmen und diese Selbstbezogenheit, bei der jeder sich selbst der Nächste ist.

Was steht derzeit auf dem Spiel – gesellschaftlich, politisch, sozial?

Es steht gesellschaftliche Spaltung auf dem Spiel: die Fragmentierung dieser Gesellschaft in lauter einzelne Gruppen und Fraktionen, die sich nicht auf gemeinsame politische Regeln und Normen einigen können.

Wo erleben Sie selbst – als Journalistin und als lesbische Frau – den zunehmenden Rechtsruck?

Ich erlebe das in Zuschriften und Kommentaren in den Sozialen Medien. Da gibt es wiederkehrende Unterstellungen und Anfeindungen: gegen mich als Intellektuelle und als queere Person. Da gibt es diejenigen, die mich als „pervers“ und „staatszersetzend“ bezeichnen. Da gibt es die, die mir unterstellen, ich hätte von der „wirklichen Welt“ keine Ahnung – was relativ lustig ist, weil ich über 14 Jahre kreuz und quer durch Krisenregionen gereist bin und man mir viel vorhalten kann, aber Weltfremdheit gehört nun definitiv nicht dazu.

Ich erlebe ganz grundsätzlich – seit der Trump-Wahl – auch eine Art Ende-der-Toleranz-Atmosphäre, die so tut, als seien die Fragen der politischen Anerkennung von Schwarzen, Schwulen, Lesben und Migrant*innen eine Art „Luxus“-Thematik. Etwas, mit dem man sich befassen kann, wenn die „echten“ Probleme, die Sorgen der „einfachen Leute“ beantwortet sind. Das ist ein makaberer Diskurs, denn er unterstellt, es gäbe hier die politischen und da die sozialen Fragen, es gäbe hier die Anerkennung und da die Umverteilung. So werden aber unterschiedliche Formen von Ausgrenzung oder Ungleichheit gegeneinander ausgespielt. Das ist fatal. Denn diese Fragen gehören immer zusammen: die der sozialen Ungleicheit von Arbeitslosen, prekär Beschäftigen, der Arbeiter und die Fragen der politischen Ungleichheit unterschiedlicher kultureller, sexueller, religiöser Minderheiten. Die Gruppen lassen sich ja gar nicht so unterscheiden, wie behauptet.

 

Dieses Kurz-Interview ist Teil unserer Kampagne „Vielfalt gegen rechte Einfalt“. Hier findest du weitere Inhalte und Materialien.

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Über

Lisa Fedler

Lisa Fedler ist seit 2013 Mitglied der Online-Redaktion der Deutschen Aidshilfe und Social Media Managerin.

1 Kommentar

  1. Haken: die „Selbstbezogenheit“ – oder vielleicht noch eher Selbstgefälligkeit – die manch Intellektuelle selbst nach außen tragen, ist mitunter nur schwer zu ertragen.

    Rechtfertigt keinerelei Hass und widerwärtigen Angriffe gegen jene.

    Erklärt aber ein wenig, wie man (auch als nicht rechts/rassistisch/homophob-Motivierte/r) dazu kommt, von einzelnen Intellektuellen, einfach nur noch die Nase voll zu haben.

    Menschen, die sie zu oft selbst zitieren, sind manchen zusätzlich suspekt.

    Keine angenehme Situation: Texte und Gedanken eines Menschen grundsätzlich sehr zu schätzen – und zeitgleich und gemessen an der Außenwirkung und manch ausgestrahlter latenter „Überheblichkeit“ jemanden dann doch ablehnen.

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