Leben mit HIV in Suriname
Ethel (64)
Ich weiß seit 1983, dass ich HIV-positiv bin. Damals lebte ich in den Niederlanden.
Anfangs hatte ich Angst, anderen davon zu erzählen, aber das ging schnell vorbei. Ich habe nichts zu verbergen.
Mir geht es gut. Nach all den Jahren geht es mir immer noch gut. Ich bin eine glückliche Frau.
1998 kehrte ich nach Surinam zurück, weil mein Bruder gestorben war. An Aids! Aber das habe ich erst nach seinem Tod erfahren.
Ich sah so viel Scham, wo wir doch offen damit umgehen sollten.
Ich entschied mich, in Suriname zu bleiben, um mich Menschen mit HIV zu widmen. Zuerst durch Mitarbeit im Projekt Mamio Name, ab 2009 durch Double Positive. Das ist die Organisation, die ich gegründet habe, weil ich mehr für Mädchen und Frauen mit HIV tun wollte.
HIV ist immer noch ein enormes Tabu
Es gibt Fortschritte. Die Medikamente sind jetzt kostenlos, und man muss den Arzt nicht bezahlen.
Aber HIV ist immer noch ein enormes Tabu. Zu viele von uns möchten lieber nicht darüber sprechen.
Ein weiteres Problem ist, dass viele Menschen sich schwertun, ihre Medikamente regelmäßig einzunehmen. Ein Leben lang tagtäglich Tabletten zu schlucken, das ist nicht so einfach. Ich höre alle möglichen Gründe, warum die Leute sie nicht regelmäßig einnehmen.
Mein Traum ist ein Ort für junge Menschen mit HIV
Mein Traum ist, einen Ort für junge Menschen mit HIV zu schaffen. Viele Kinder mit HIV sind im Heim gelandet. Sie sind jetzt in einem Alter, wo sie einen Platz für sich selbst brauchen. Dafür brauche ich Land, gute Menschen, die mir helfen, und Geld.
Jennifer (42)
Jennifer ist nicht ihr wirklicher Name, sondern ihr Straßenname. Im Alter von 12 Jahren lief sie zum ersten Mal von zu Hause weg, wegen der furchtbaren Dinge, die dort passierten.
Sie wurde drogenabhängig und endete in der Prostitution.
Es folgten lange, harte Jahre mit oft schmerzlichen und traurigen Erlebnissen.
Drei starke surinamische Frauen und Gott haben um sie gekämpft
Aber durch wiederholtes Ausprobieren hat sie den Weg zu einem besseren Leben gefunden.
Drei starke surinamische Frauen und Gott haben hart um sie gekämpft. Sie nimmt jetzt keine Drogen mehr, geht wieder zur Schule und traut sich, offen zu sagen, wer sie ist und was sie möchte.
2007 begann sie ihre HIV-Therapie. Das war damals schwierig, weil sie immer noch drogenabhängig war.
Aber seit 2011 nimmt sie jeden Tag gewissenhaft ihre Tabletten.
Ihr geht es gut. Sie ist mit einem Mann verheiratet, der ebenfalls HIV-positiv ist, und er unterstützt sie. Das jüngste ihrer vier Kinder lebt noch bei ihr zu Hause.
Ehrlichkeit in punkto HIV
Sie möchte weiterhin andere aufklären, sowohl jungen als auch alten Menschen die Augen öffnen. Sie möchte Ehrlichkeit in punkto HIV und erreichen, dass darüber gesprochen wird. Es gibt noch viel zu tun.
Ihr Traum ist, alle Tabus zu brechen. Und sie möchte für alle ihre Kinder und Enkelkinder, für alle Prostituierten und schwulen Männer mit HIV ein Haus bauen, in dem sie zusammenleben und ein sicheres, glückliches Leben führen können. Es müsste ein Haus mit mindestens hundert Räumen sein.
Frau Malats (73)
Frau Malats hat erst mit 65 Jahren von ihrer HIV-Infektion erfahren. Sie glaubt, dass sie durch eine Bluttransfusion angesteckt wurde.
Zuvor hatte sie noch nie von HIV gehört. Als ihr der Arzt mitteilte, dass sie „positiv“ ist, hatte sie keine Ahnung, wovon er sprach.
Der Arzt sagte ihr, es handele sich um eine unheilbare Krankheit, aber es gebe Tabletten.
Trotzdem glaubte sie eine Zeit lang, dass sie sterben würde.
Frau Malats hat zehn Kinder. Davon leben noch sieben.
Hoffnung auf einen Partner, mit dem man reden kann
Sie hat ihnen allen von ihrer HIV-Infektion erzählt, und alle haben es gut aufgenommen. Sie unterstützen ihre Mutter und haben sie nicht verstoßen. Davor hatte sie nämlich Angst.
Frau Malats geht es gut. Sie hofft immer noch, einen Partner zu finden, mit dem sie reden kann.
Das ist gut, wenn man alleine ist. Seit sie weiß, dass sie HIV hat, ist sie mit Sex vorsichtig.
Richard (31)
Richard weiß erst seit Kurzem, dass er HIV-positiv ist, und alles ist noch unklar. Er wartet jetzt auf die Ergebnisse der Bluttests, anhand derer dann entschieden wird, ob er mit der HIV-Therapie beginnen soll.
Falls ja, ist er fest entschlossen, die Medikamente täglich einzunehmen. Er wird sich niemals für den Tod entscheiden, sagt er.
Mehr Offenheit in Sachen Homosexualität wie auch HIV
Er mag Herausforderungen. So ist er nun einmal. Ihm wurde nichts auf dem Silbertablett serviert, und trotzdem schaffte er es, im Casino Spielmoderator zu werden.
Er hat seinen Job geliebt. Vor Menschen zu stehen und zu ihnen zu sprechen, davor hat er keine Angst.
Er will immer mehr, immer. Für mehr Offenheit in Sachen Homosexualität wie auch HIV kämpfen, arbeiten, um das Wissen in der surinamischen Bevölkerung zu verbessern, das Tabu brechen – das alles möchte er in den nächsten Jahren tun.
Text: Erwin Kokkelkoren
Fotos: Marjolein Annegarn
Übersetzung: Agentur MacFarlane
Die Kurzporträts erschienen zuerst auf atlas2018.org. Auf der Website zum Projekt „ATLAS2018“ erzählen die niederländischen Künstler Erwin Kokkelkoren und Bert Oele die Geschichten von Menschen mit HIV aus aller Welt (wir berichteten auf magazin.hiv). Die Porträts und Interviews sollen zur Welt-Aids-Konferenz in Amsterdam präsentiert werden (23.–27. Juli 2018).
Eine Auswahl stellen wir hier vor und danken Erwin Kokkelkoren und Bert Oele für das Recht zur Zweitveröffentlichung. Bisher erschienen sind
HIV mit 16 – ist das ein Witz?! (Alexej, Russland)
„Ich liebe meinen Vater sehr“ (Herr Kachidza und Enock, Sambia)
„Wir können Aids besiegen“ (Carsten Schatz, Deutschland)
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