Wie die Einstellung der US-Auslandshilfen die globale HIV-Prävention beschädigt

Die US-Entwicklungshilfebehörde USAID ist zerschlagen, das PEPFAR-Programm faktisch eingestellt, der US-Beitrag für UNAIDS gestoppt. Die Folgen sind dramatisch – wir haben Berichte zusammengestellt.
Schätzungen der Global HIV Prevention zufolge stemmten die USA vor dem Einfrieren ihrer Auslandshilfen zwei Drittel der globalen Mittel für die HIV-Prävention. In Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, Haiti, Mosambik, Tansania und Zambia wurden bislang mehr als die Hälfte der HIV-Medikamente von den USA bezahlt. Hinzu kommen Gelder für Personal, für Mittel zur Diagnostik und die Prävention, z.B. für Kondome oder die medizinische HIV-Prophylaxe PrEP.
2024 versorgten US-finanzierte Programme demnach über 83 Millionen Menschen in 55 Ländern mit niedrigen bis mittleren Einkommen mit HIV-Tests, erreichten 2,3 Millionen Mädchen und junge Frauen mit HIV-Präventionsangeboten und ermöglichten 2,5 Millionen Menschen, eine medizinische HIV-Prophylaxe (PrEP) zu beginnen.
All das ist in Gefahr. Laut Schätzungen von UNAIDS, dem Aids-Programm der Vereinten Nationen, ist bis Ende 2029 mit 350.000 zusätzlichen HIV-Infektionen bei Kindern, 8,7 Millionen zusätzlichen HIV-Infektionen bei Erwachsenen, 6,3 Millionen aidsbedingten Todesfällen und 3,4 Millionen zusätzlichen Aids-Waisen zu rechnen, wenn die US-Zahlungen nicht wiederaufgenommen oder von anderen übernommen werden.
Im Folgenden haben wir weitere Berichte über die Auswirkungen der eingestellten US-Zahlungen auf die HIV-Prävention und -Versorgung zusammengestellt. Sie stammen aus der Zeit von Anfang Februar bis Anfang März 2025.
Folgen der PEPFAR-Einstellung für Südafrika
Anfang Februar 2025 erschien eine Modellrechnung von Forscher*innen zu den potenziellen medizinischen und wirtschaftlichen Folgen der Kürzung oder besser Einstellung der US-Auslandshilfen für Südafrika. In dem Land lebten Ende 2023 laut Angaben von UNAIDS rund 7,7 Millionen Menschen mit HIV, 5,9 Millionen Menschen davon erhielten HIV-Medikamente. Südafrika ist das Land mit den meisten Einwohner*innen mit HIV weltweit, hat in den letzten Jahren aber enorme Fortschritte in der HIV-Prävention gemacht. So sank die Zahl der aidsbedingten Todesfälle seit 2010 um 66 Prozent, die Zahl der HIV-Neuinfektionen sank um 58 Prozent. Dazu trug entscheidend bei, dass Menschen unter HIV-Therapie HIV nicht übertragen. Etwa 17 Prozent der HIV-Versorgung im Land wurden bisher von den USA finanziert, vor allem über das PEPFAR-Programm.
Bei bisheriger PEPFAR-Förderung wäre über die nächsten zehn Jahre mit fast 1,2 Millionen neuer HIV-Infektionen und einer Lebenserwartung von etwa 61,5 Jahren für Menschen mit HIV zu rechnen. Bei einer Einstellung der PEPFAR-Programme gäbe es nach den Berechnungen der Autor*innen innerhalb von zehn Jahren 565.000 zusätzliche HIV-Neuinfektionen, die Lebenserwartung von Menschen mit HIV würde um 3,7 Jahre sinken.
Gandhi, Aditya R., Bekker, Linda-Gail, Paltiel, A. David, Hyle, Emily P., Ciaranello, Andrea L., Freedberg, Kenneth A., Neilan, Anne M.: Potential Clinical and Economic Impacts of Cutbacks in the President’s Emergency Plan for AIDS Relief Program in South Africa, in: Annals of Internal Medicine, 11.2.2025, https://orcid.org/0000-0001-7915-4974, https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/ANNALS-24-01104
Fatale Auswirkungen auf die LGBTIQ*-Community in Uganda
Die taz berichtete am 19.2.2025, wie sich die Einstellung der US-Zahlungen auf die HIV-Community-Organisation Uganda Key Populations Consortium (UKPC) auswirkt. Das UKPC ist ein Dachverband für 127 kleine NGOs, die sich für marginalisierte Menschen einsetzen: Sexarbeiter*innen, Mütter im Teenager-Alter, queere Menschen, Drogengebraucher*innen und Menschen mit HIV. Die Organisation betrieb Zentren, in denen z. B. Kondome oder HIV-Medikamente ausgegeben wurden. Von den 35 Angestellten mussten 28 entlassen werden und verloren von einem Tag auf den anderen ihr Einkommen, davon allein 15, die im größten LGBTIQ-Notfallzentrum in Uganda arbeiteten – einem Zentrum, das sich um 50 bis 100 queere Menschen pro Monat kümmerte, die zum Beispiel aus ihrer Wohnung geworfen oder geschlagen worden waren. Zu Erinnerung: In Uganda trat im Mai 2023 das „Anti-Homosexualitäts-Gesetz“ in Kraft, eines der weltweit schärfsten queerfeindlichen Gesetze.
„Es stehen Menschenleben auf dem Spiel“: Interview mit dem Aktivisten Richard Lusimbo aus Uganda auf taz.de, 19.2.2025
Keine Medikamente mehr für viele Menschen mit HIV in der Ukraine?
Laut UNAIDS trug das PEPFAR-Programm in den Jahren 2023 und 2024 etwa 15,6 Millionen US-Dollar zur HIV-Prävention und -Versorgung in der Ukraine bei – 11 Millionen davon für HIV-Medikamente, zwei Millionen für HIV-Schnelltests und der Rest für Laborkosten.
Wenn die US-Hilfen komplett eingestellt bleiben, könnten fast 93.000 Menschen mit HIV in der Ukraine den Zugang zu HIV-Medikamenten verlieren – das sind 78 Prozent aller Ukrainer*Innen in HIV-Behandlung.
Three Years On: From crisis to prospective recovery, Beitrag auf unaids.org vom 20.2.2025
Unterbrechungen der HIV-Versorgung in Sambia – Mädchen und Frauen besonders betroffen
Ende Februar 2025 berichtete UNAIDS, die Einstellung der US-Auslandshilfen habe auch in Sambia zu erheblichen Unterbrechungen der HIV-Versorgung geführt. Die US-Hilfen betrugen bisher jährlich etwa 600 Mio. Dollar, davon 367 Mio. von PEPFAR für das nationale HIV-Programm für 2025. Am stärksten betroffen ist die Kombinationsprävention für Mädchen und junge Frauen sowie für andere marginalisierte und vulnerable Communitys. 32 Anlaufstellen mit HIV-Diensten für 20.000 Menschen aus Schlüsselgruppen wurden geschlossen, ebenso Zentren für Mädchen und Frauen in 21 Bezirken. Von den US-Geldern wurden bislang 23.000 Personen finanziert, davon 11.500 Gesundheitsfachkräfte und Community-Angehörige, die in der HIV-Prävention tätig waren. HIV-Medikamente sind noch genügend vorhanden, HIV-Schnelltests jedoch reichen nur noch gut drei Monate aus.
Zambia – an HIV response at a crossroads, Beitrag auf unaids.org vom 24.2.2025
Gefährdung der HIV-Medikamentenversorgung in Simbabwe
In Simbabwe reicht der Vorrat an HIV-Medikamenten nur noch für ein halbes Jahr, erklärte der Minister für Gesundheit und Versorgung von Kindern, im Februar 2025. Grund seien die Kürzungen der US-Gelder, welche die Fortschritte in der HIV-Prävention im Land gefährdeten.
Ende 2023 lebten laut UNAIDS rund 1,3 Millionen Menschen mit HIV in Simbabwe, mehr als zehn Prozent der Bevölkerung. Etwa 1 Million von ihnen bekommen HIV-Medikamente.
Laut einem Beitrag auf newzimbabwe.com vom 24.1.2025 erhielt Simbabwe jährlich mehr als 200 Millionen Dollar aus dem PEPFAR-Programm, unter anderem, um Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens zu bezahlen, HIV-Testungen und Bestimmungen der HIV-Kopien im Rahmen der HIV-Therapie durchzuführen, Präventionsangebote zu machen oder Menschen mit Tuberkulose zu behandeln.
„Zimbabwe’s ARV shortage: A call for urgent action to safeguard health gains“, Beitrag von Donewell Bangure auf newsday.co.zw vom 24.2.2025
Über 110.000 zusätzliche aidsbedingte Todesfälle durch 90 Tage PEPFAR-Einfrieren?
Laut (konservativen) Schätzungen von drei Forscher*innen, die im Journal of the International AIDS Society veröffentlicht wurden, könnten allein durch ein 90-tägiges Einfrieren der PEPFAR-Gelder innerhalb eines Jahres fast 110.000 Menschen zusätzlich an den Folgen von Aids sterben, davon etwa 16.000 in Südafrika, fast 15.000 in Nigeria und Mosambik, 9.000 in Tansania und über 7.000 in Uganda.
Tram, Khai Hoan, Ratevosian, Jirair, Beyrer, Chris: By executive order: The likely deadly consequences associated with a 90-day pause in PEPFAR funding, in: Journal of the International AIDS Society, 25.2.2025, https://doi.org/10.1002/jia2.26431, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/jia2.26431
PEPFAR-Impact-Counter
Der PEPFAR-Impact-Counter (https://pepfar.impactcounter.com/), der auf Schätzungen von Expert*innen beruht, zählt die Erwachsenen und Kinder, die aufgrund der PEPFAR-Einstellung versterben werden. Am 5. März 2025 waren dies über 17.000 Erwachsene und fast 2000 Kleinkinder.
https://pepfar.impactcounter.com/, Screenshot vom 05.03.2025, 10:49 Uhr
Auswirkungen auf die HIV-Prävention und -Versorgung in Elfenbeinküste
Das westafrikanische Land mit rund 27 Millionen Einwohner*innen steht beispielhaft für viele andere Länder, die vom Einfrieren der US-Zahlungen betroffen sind. Bislang haben die USA mehr als die Hälfte der Kosten übernommen, um die über 400.000 Erwachsenen und Kinder mit HIV in dem Land zu unterstützen. Im Rahmen des PEPFAR-Programms wurden 516 Gesundheitseinrichtungen in mehr als zwei Dritteln der Bezirke des Landes sowie die Kosten für die HIV-Behandlung für rund 265.000 Menschen finanziert. Von der PEPFAR-Einstellung sind nun 8.600 Mitarbeiter*innen in Elfenbeinküste betroffen, darunter fast 600 Ärzt*innen, Krankenpflegekräfte und Hebammen sowie fast 3.600 Beschäftigte aus unterschiedlichen Communitys. Die Verteilung von Medikamenten und die Logistik für Laborproben brachen zusammen. Betroffen sind auch andere Gesundheitsprogramme, etwa im Zusammenhang mit der Malaria- oder Tuberkulosebekämpfung.
New report flags severity of US funding cuts to global AIDS response, Beitrag auf news.un.org vom 26.2.2025
US-Regierung kündigt weltweit fast 10.000 Verträge rund um Gesundheitsangebote
Am 27.2.2025 meldete das Portal healthpolicy-watch.news, die US-Regierung habe weltweit fast 10.000 Verträge rund um Gesundheitsangebote gekündigt, darunter lebenswichtige Programme zur HIV-Diagnostik und -Therapie, zu Tuberkulose und Malaria, gegen Mangelernährung und für sauberes Trinkwasser.
Beispiel Malaria: Die Versorgung mit Material für 53 Millionen Menschen, vor allem Kinder, wurde eingestellt – dazu gehören Moskitonetze sowie Mittel zur Diagnostik, Prophylaxe und Behandlung.
Auch die Versorgung mit angereicherter Nahrung für unterernährte Frauen und Kinder wurde gestoppt, die Arbeit von rund 1.000 Küchen für Geflüchtete in Ländern wie dem Sudan wurde eingestellt.
Laut Professorin Linda-Gail Bekker, Geschäftsführerin der Desmond Tutu HIV Foundation, werden die US-Kürzungen über die nächsten 10 Jahre nicht nur mehr als 500.000 Südafrikaner*innen das Leben kosten, sondern auch zu 500.000 zusätzlichen HIV-Infektionen führen.
US Terminates Thousands of Life-Saving Global Health Grants Including For HIV, TB and Malaria, Beitrag von Kerry Cullinan auf healthpolicy-watch.news vom 27.2.205
Südafrika: Kindern und Waisen droht der Verlust ihrer Versorgung
Das Projekt NACOSA (Networking HIV and AIDS Community of Southern Africa) unterstützte bisher mit USAID-Geldern zehntausende vulnerable Kinder und Waisen in der Western-Cape-Region. Nach dem Einfrieren der US-Zahlungen wurde das gesamte Personal entlassen. Laut Schätzungen von NACOSA verloren über 90 Tage (Zeitraum der USAID-Einstellung) 26.000 Kinder die Versorgung. 7.000 davon leben mit HIV und könnten in Gefahr stehen, ihre Medikamentenversorgung zu verlieren.
USAID funding cuts end vital HIV programme for orphans, Beitrag von Jesse Copelyn auf spotlightnsp.co.za vom 3.3.2025
Kinder und Schwangere mit HIV in Eswatini, Lesotho und Tansania bekommen keine HIV-Medikamente mehr
Die vor allem in Afrika tätige gemeinnützige Elizabeth Glaser Pediatric AIDS Foundation (EGPAF) berichtet Anfang März 2025, dass etwa 10.000 von ihr betreute Kinder und 10.000 Schwangere mit HIV in Eswatini, Lesotho und Tansania aufgrund der USAID-Zerschlagung den Zugang zu ihren HIV-Medikamenten verlieren. Wenn Kinder mit HIV nicht behandelt werden, ist das tödlich: 50 Prozent der unbehandelten Kinder mit HIV sterben vor ihrem zweiten Geburtstag, 80 Prozent bis zum Alter von fünf Jahren.
Schließung von Kliniken für trans* Personen in Indien
In Indien müssen drei Kliniken für trans* Personen schließen, nachdem die USA die Gelder gestrichen haben. Die Kliniken versorgten rund 6.000 Personen, von denen 6 bis 8 Prozent mit HIV leben. Alle Personen sind unter 30 Jahren alt, 75–80 Prozent von hatten zum ersten Mal Zugang zur Gesundheitsversorgung.
USAID cuts shutter India’s first clinic for transgender people, Beitrag von Imran Qureshi und Cherylann Mollan auf bbc.com vom 3.3.2025
Kenia: Patient*innen mit HIV oder Tuberkulose müssen ihre Medikamente jetzt teilweise selbst bezahlen
Um nach dem Einfrieren der US-Zahlungen Kosten zu sparen, stuft Kenias neue Behörde für Soziale Gesundheit HIV und Tuberkulose als „pandemische“ und nicht mehr als chronische Krankheiten ein. Patient*innen bekommen ihre Medikamente deswegen nicht mehr voll erstattet.
Außerdem sind rund 35.000 Mitarbeiter*innen aus dem Gesundheitswesen in Kenia derzeit unbezahlt freigestellt, nur etwa 4.000 weitere konnten im Rahmen einer US-Ausnahmegenehmigung ihre Arbeit wiederaufnehmen. Laut dem kenianischen Gesundheitsminister Harry Kimtai drohen dem Land der Verlust von umgerechnet 220 Millionen Dollar für die Gesundheitsversorgung. Schätzungen zufolge leben 1,3 Millionen Kenianer*innen mit HIV. Das Gesundheitsministerium befürchtet, dass aufgrund der Zuzahlungspflicht für die HIV-Medikamente die Zahl der HIV-Infektionen um 60.000 pro Jahr steigen und dass es jährlich zu mehr als 23.000 Todesfällen bei Menschen mit Tuberkulose kommen könnte (von denen die meisten auch mit HIV leben).
Why Washington’s aid freeze could cost tens of thousands of lives and livelihoods, Beitrag auf africa-confidential.com vom 3.3.2025
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