Nach Ende der US-Hilfen: „Viele haben jede Hoffnung verloren“

In Kampala leitet Moris Bwambale ein Drop-In-Center der LGBTIQ+-Organisation Let’s Walk Uganda. Das Zentrum bietet HIV-Tests, Beratung und Schutzmittel wie Kondome, Gleitmittel, PEP und PrEP für die verfolgte queere Community an. Im Interview berichtet er, welche gravierenden Auswirkungen der Stopp der US-Hilfsprogramme auf queere Personen und Menschen mit HIV in Uganda hat.
Moris, was waren die Folgen für Ihre Einrichtung, als die Trump-Regierung am 24. Januar 2025 die Mittel für USAID einfror?
Als Trump die Verordnung erlassen hat, wurde hier sofort alles blockiert. Und nicht nur bei uns, auch alle anderen Organisationen, die sich mit HIV und Aids befassen und uns zuvor mit Materialien oder Verbrauchsgütern ausgeholfen haben, zogen sich zurück. Jede Organisation begann, sich mit ihren eigenen Problemen zu beschäftigen. Im Moment stehen wir also vor einer Menge Herausforderungen!
Die Auswirkungen für die LBGTQ+-Community waren also sofort zu spüren?
Als erstes hat das ugandische Gesundheitsministerium angeordnet, dass alle Drop-In-Center [Anlaufstellen für Beratung und Prävention, Anm. d. Red.] geschlossen werden sollen. Viele sind bereits geschlossen, weil sie vollständig von der Finanzierung durch USAID abhängig sind. Auch viele andere Organisationen, die wichtige Gesundheitsdienste für die Community in Bezug auf HIV und Aids, Prävention und Behandlung in den HIV-Kliniken anbieten, wurden zur Schließung gezwungen; oder sie mussten ihr Angebot erheblich reduzieren. Wahrscheinlich ist, dass für Medikamente und Dienstleistungen künftig Gebühren erhoben werden müssen, wenn es keine dauerhafte Lösung für die derzeitige Situation gibt. Das schließt natürlich jene aus, die sich HIV-Tests, PrEP oder PEP nicht leisten können – also fast alle.
Wie viele Anlaufstellen gab es in Uganda, wie viele gibt es noch und wie arbeiten diese weiter?
Vor der Trump-Verordnung gab es etwa 160 Drop-in-Center, aber jetzt sind nur noch rund 30 davon in Betrieb. Von den Anlaufstellen, die noch in Betrieb sind, sind einige an Krankenhäuser angegliedert, von denen sie noch Medikamente erhalten. Und einige erhalten Mittel von anderen Geldgebern als USAID. Unser Zentrum von Let’s Walk Uganda zum Beispiel wird von UNAIDS finanziert. Das ist der Grund, warum wir noch aktiv sind.
Moris BwambaleVor der Trump-Verordnung gab es etwa 160 Drop-in-Center, jetzt sind noch rund 30 in Betrieb.
Wie hoch war der Anteil der US-Hilfsgelder im Vergleich zum Rest?
Ich würde den Anteil auf etwa 70 Prozent schätzen.
Was bedeutet das für die LGBTIQ+-Community und für Menschen mit HIV?
Aufgrund von Trumps Durchführungsverordnung erhalten queere Menschen mit HIV ihre Medikamente nicht mehr wie bisher. ART wurde zwar vom Einfrieren der US-Hilfe ausgenommen, aber das gilt nicht für Ausgabestellen und Programme speziell für die LGBTIQ+-Community. Aufgrund der Kriminalisierung und Stigmatisierung [Uganda hat eines der schärfsten Anti-LGBTIQ+-Gesetze der Welt mit langen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe, Anm. d. Red.] fällt es vielen schwer, Dienstleistungen in allgemeinen Krankenhäusern in Anspruch zu nehmen. Die Menschen stehen also unter immensem Stress.
Wie würden Sie die Stimmung in der Community beschreiben?
Let’s Walk Uganda führt an bestimmten Orten in Uganda regelmäßig aufsuchende Betreuung durch. Seit Ende Januar beobachten wir dabei eine Menge Depressionen. Viele haben jede Hoffnung verloren. Sie wissen nicht, ob sie weiterhin ihre Medikamente erhalten. Manche Betroffene können wir an Stellen weiterleiten, die noch geöffnet sind, aber die Unsicherheit ist riesig.
Moris BwambaleViele wissen nicht, ob sie weiterhin ihre Medikamente erhalten. Manche können wir an noch geöffnete Stellen weiterleiten, aber die Unsicherheit ist riesig.
Zuletzt hat ein Richter in den USA die Freigabe eines Teils der USAID-Hilfen angeordnet. Gibt Ihnen das Hoffnung auf eine zumindest vorübergehende Erleichterung?
Natürlich war es ein Seufzer der Erleichterung. Und wir nutzen das aus, wir versuchen, den Menschen in der Community zu sagen: Bitte macht euch keine Sorgen. Es gibt Hoffnung. Wann immer ihr deprimiert seid, nicht wisst, wie es weitergeht, kommt zu uns. Wir haben einen psychosozialen Betreuer, der mit euch reden und euch beraten kann. Wir werden gemeinsam mit unseren Partnern unser Bestes tun, um sicherzustellen, dass alles stabil bleibt. Das ist die Botschaft, die wir zu vermitteln versuchen.
Für die queere Community in Uganda ist der Druck schon seit dem Anti-LGBT-Gesetz von 2023 enorm. Hat die Rhetorik der Trump-Regierung und das Einfrieren der US-Hilfe auch Auswirkungen auf LGBTIQ+-Menschen im öffentlichen Raum?
Die US-Hilfsgelder wurden auch verwendet, um landesweit sichere Orte und Notunterkünfte für die queere Community zu schaffen. Es gab über zwei Dutzend Schutzeinrichtungen im Land. Aufgrund der Mittelstreichungen wurden viele dieser Einrichtungen geschlossen und die Menschen, die in diesen Unterkünften lebten, sind nun schutzlos. Es kommen Menschen zu uns, die vergewaltigt und missbraucht wurden. Die Kürzung der Mittel wirkt sich also in vielerlei Hinsicht auf die Community aus.
Haben Sie Hoffnung, dass die internationale Gemeinschaft außerhalb der USA einspringen wird?
Wir hoffen auf Unterstützung von externen Geldgebern. Es gibt private queere Organisationen, die Hilfe anbieten. Mit der Unterstützung von UNAIDS und dem ständigen Drängen unseres Geschäftsführers Edward Mutebi ist Let’s Walk Uganda zuversichtlich, dass wir unsere Dienste wie gewohnt aufrechterhalten und den Menschen weiterhin helfen können. Denn viele von ihnen können sich ohne diese Unterstützung nicht selbst versorgen.
Moris BwambaleWir hoffen auf Unterstützung von externen Geldgebern. Es gibt private queere Organisationen, die Hilfe anbieten.
Wie lange wird die Versorgung mit ART im Land noch anhalten? Wenn sich nichts ändert, wann wird die Situation für Menschen mit HIV in Uganda lebensbedrohlich?
Das Gesundheitsministerium sagt uns, dass wir noch etwa ein Jahr lang sicher sind. Aber das ist nur Hörensagen. Wir, die mit dieser Bevölkerungsgruppe zu tun haben, wissen, dass nichts sicher ist. Es muss also jetzt etwas unternommen werden.
Wie lange reicht der Vorrat an PrEP und PEP in Ihrem Drop-in-Center?
Mit dem, was wir jetzt haben, können wir noch fünf Monate auskommen.
Wird das Einfrieren von USAID in der ugandischen Gesellschaft insgesamt diskutiert?
Ja, es wird diskutiert, weil die US-Hilfe so viele Dienste finanziert hat, vor allem im Gesundheitsbereich, nicht nur in Bezug auf HIV, sondern auch für Bereiche wie Tuberkulose oder Familienplanung. Als die Finanzierung eingestellt wurde, hat das nicht nur die LGBTIQ+-Community verängstigt. Alle sind beunruhigt, denn auch wenn ich selbst nicht mit HIV lebe, dann tun es vielleicht meine Schwester, mein Bruder oder andere Verwandte. Wem es wirtschaftlich nicht gut geht, den betrifft es besonders, denn auch die Menschen mit HIV werden in den Familien zur Existenzsicherung gebraucht. Alle sind gefährdet.
Gibt es Befürchtungen, dass auch die Zahl der HIV-Neuinfektionen steigen könnte?
Auf jeden Fall. Ohne präventive Maßnahmen wie Kondome oder PrEP ist es sehr wahrscheinlich, dass es in der LGBTIQ+-Community zu einer hohen Zahl von HIV-Neuinfektionen kommen wird. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.
Nächstes Jahr finden in Uganda Wahlen statt. Glauben Sie, dass diese Situation politische Auswirkungen haben wird?
Wissen Sie, ich komme aus dem Gesundheitsbereich. Normalerweise habe ich mit Politik nicht viel am Hut, aber für den Normalbürger wird es natürlich Auswirkungen haben, einfach weil in dieser Zeit alle Aufmerksamkeit auf die Wahlen gerichtet ist und die meisten anderen Bereiche vernachlässigt werden, bis ein Präsident gewählt und vereidigt ist. Dann kommen die Dinge wieder in Ordnung. Wir sind also nicht sicher, was genau passieren wird.
Was können wir von Deutschland aus tun, um die Situation zu verbessern?
Wir sollten alle weiterhin Lobbyarbeit betreiben und mit Partnern sprechen, die bereit sind zu helfen. Wir wollen nicht, dass die ugandische Community isoliert wird, nur weil Menschen so sind, wie sie sind. Wir hoffen, dass wir auch weiterhin Unterstützung erhalten, damit queere Menschen weiter Zugang zu Dienstleistungen haben. Und das Virus macht keinen Unterschied zwischen queer oder nicht-queer. Letztendlich kann es jede*n treffen.
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