Erhellende Blicke auf HIV
Es war ein nicht immer ganz einfaches Verhältnis: Aids und die Medien. „Wie die Pest“ oder als „tödliche Seuche“ wurde die HIV-Infektion in der Presse anfangs behandelt. Medien verbreiteten schaurige Spekulationen über die Zahl Infizierter und schürten Panik. Angst und Schuldgefühle waren der Preis, den die Menschen zu zahlen hatten, die zu „Risikogruppen“ gezählt wurden.
Schon immer gab es Journalistinnen und Journalisten, die es besser machen und zu einem besseren Verständnis der HIV-Epidemie und des Lebens mit HIV beitragen. Für besonders gute Beiträge vergibt die Deutsche AIDS-Stiftung seit ihrer Gründung ihren Medienpreis – 2015 zum 20. Mal. Die diesjährigen Preisträger erhielten die Auszeichnung gestern Abend bei der Eröffnung des Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses in Düsseldorf. Unter großem Beifall nahmen die Geehrten die mit je 4.000 Euro dotierten Haupt- und die mit je 1.500 Euro dotierten Sonderpreise entgegen.
Vom großen Sterben zur Prävention und zurück
„Der Aids-Schreck ist zurück“ (Deutschlandradio)
Franziska Badenschier bekam die Auszeichnung für ihren Radio-Beitrag „Der Aids-Schreck ist zurück: In Uganda steigt die HIV-Infektionsrate wieder an“, der im Deutschlandfunk ausgestrahlt worden war. Sie hat Ugandas Umgang mit HIV/Aids geschichtlich aufgearbeitet: Während früher noch jedes Jahr Zehntausende an Aids starben, gelang es zunächst, die HIV-Epidemie einzudämmen. Uganda wurde weltweit zum Vorbild. Der Grund dafür lag nicht zuletzt an der Mitwirkung von Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und Kirchen an der Aufklärung – bis hin zum Präsidenten. Mit dem Erfolg ließen die Anstrengungen jedoch nach. Bald propagierten die Kampagnen nur noch einen Grundsatz: Enthaltsamkeit. Prominente wurden stumm und Kondome nicht mehr kostenlos verteilt. Homosexuellen droht nun eine lebenslange Haftstrafe. Die Folge dieses restriktiven Kurses: Alle dreieinhalb Minuten steckt sich ein Mensch mit HIV an. Die Jury hob hervor, dass Badenschier durch ihren breit gefächerten, gut recherchierten Bericht die Bedeutung dauerhafter Prävention aufzeigt.
In der Katastrophe zur Stärke gefunden
„Das Ende der Angst“ (taz)
Eine andere Seite des Themas zeigen Jörg Schmid und Luise Strothmann: HIV ist auch nicht mehr, was es mal war. Zumindest für viele Menschen in Deutschland. Die Behandelbarkeit der Infektion bedeutet für sie „das Ende der Angst“, wie der ausgezeichnete Sonntaz-Beitrag von 2014 heißt. Darin reden drei schwule Männer unterschiedlicher Generationen darüber, wie sich ihr Leben mit der Infektion geändert hat. (Der Beitrag ist leider online nicht verfügbar.)
„Positive Pictures“ (Bruno Gmuender Verlag)
Einen Blick zurück wirft der opulente Bildband „Positive Pictures – A Gay History“ von Paul Schulz und Christian Lütjens. Sie führen eindrücklich die kulturelle und künstlerische Auseinandersetzung der schwulen Community mit der HIV/Aids-Epidemie vor Augen und zeigen dabei, wie schwule Männer angesichts der Katastrophe zu großer Schaffenskraft und Stärke gefunden haben. Positive Pictures ist ein ganz besonderes schwules Geschichtsbuch, spannend zu lesen und anzuschauen.
Infos über HIV brauchen die richtige Grammatik
DHIVA – Zeitschrift für Frauen zu Sexualität und Gesundheit
Einen Sonderpreis bekam die „DHIVA – Zeitschrift für Frauen zu Sexualität und Gesundheit“ – eine Zeitschrift für Frauen mit HIV, von deren Autorinnen viele selbst positiv sind. Das vierteljährlich erscheinende Blatt hat eine Auflage von bis zu 5.000 Exemplaren. Dort erscheinen Berichte zu allen Aspekten des Lebens mit HIV, darunter auch viele sehr persönliche Beiträge. Stammleserinnen können selbst mitwirken und zum Beispiel Fotos einschicken. Ein Projekt das funktioniert – schon über zwanzig Jahre! Auch für diese Kontinuität bekam die ehrenamtlich arbeitende Redaktion eine Sonderehrung.
Videos für gehörlose schwule Männer
Ebenfalls sehr viele Durchhaltevermögen zeigten die Macher von Videos über HIV für gehörlose schwule Männer, die ebenfalls einen Sonderpreis erhielten: Über zwei Jahre drehten sie, heraus kamen 22 Videos. In denen findet die Zielgruppe nun alles, was sie wissen muss – von den Schutzmöglichkeiten bis hin zu rechtlichen Themen; unterstützt von eingeblendeten Spielszenen im Hintergrund. Das ist wichtig, weil sich viele Gehörlose mit dem Lesen schwer tun. Gebärdensprache funktioniert visuell und hat eine ganz andere Grammatik als in konventioneller Schriftsprache.
Seit 2014 bietet die Deutsche Aids-Hilfe darum Gehörlosen dieses Video-Angebot, das mit vielen Partnern – allen voran natürlich gehörlosen schwulen Männern – umgesetzt wurde. Drehbuch, Kamera und Schnitt übernahm der Filmemacher Nicholas Feustel.
Safer Sex für junge Schwule in Serie
„Julian“ (junge-liebe-anders.de)
Nah dran zu sein an den Bedürfnissen der eigenen Community: Das gelang auch dem Kölner Team „Julian“ (junge-liebe-anders.de) mit einer selbst produzierten Video-Soap. Das Ziel: „Wir wollen möglichst viele Antworten auf die vielen Fragen geben, die man als schwuler Jugendlicher hat.“ So setzt sich die Gruppe schwuler Jugendlicher in der Serie mit der eigenen Lebenswelt auseinander. Das Ergebnis ist spannend und authentisch, doch Aufklärung kommt darin nicht zu kurz. So wurde in der dritten Staffel der Serie ganz selbstverständlich das Thema „Safer Sex“ integriert. Einfach nebenbei. Das fand die Jury ausgezeichnet und bedachte das Projekt des queeren Jugendzentrums „anyway“ aus Köln mit dem Sonderpreis Nachwuchs/Schüler. Mit dem damit verbundenen Geldsegen von 3.000 Euro können die Jugendlichen weitere Filmprojekte umsetzen.
Das wäre wohl auch im Sinne des Preiserfinders Rainer Jarchow. Ihm war wichtig, dass sich der Umgang der Medien mit der Thematik HIV/Aids an den Menschen orientiert. Das ist in den Augen der Jury auch allen anderen Preisträgern gelungen – mit Sachlichkeit, Kompetenz und Empathie. Damit die Öffentlichkeit einen klaren Blick auf die Thematik gewinnen kann. Mit Sensibilität sieht man einfach besser.
Michael Mahler
Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Stiftung mit weiteren Bildern von der Preisverleihung
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