HIV-Geschichte

HIV in den USA: Studie entkräftet erneut Mythos vom „Patienten Null“

Von Axel Schock
© Niamh O'C; Grafik zu einem Beitrag vom März 1984; sie stellt die Verbindung zwischen 40 Aids-Patienten durch sexuelle Kontakte dar. Gaëtan Dugas wird darin durch die Zahl Null repräsentiert, weil er der Erste war, bei dem Aids-Symptome auftraten.
Forschenden der University of Arizona in Tucson ist es gelungen, die Verbreitungsgeschichte von HIV in den USA detailliert zu rekonstruieren.

Der Studie zufolge, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals „Nature“ veröffentlicht wurde, ist HIV bereits um 1970 von der Karibik aus in die Vereinigten Staaten gelangt und konnte sich insbesondere von New York City aus im gesamten Land verbreiten.

Der Mythos, wonach der 1984 an den Folgen von Aids verstorbene frankokanadische Flugbegleiter Gaëtan Dugas als „Patient Zero“ (Patient Null) Auslöser der HIV-Epidemie in den USA gewesen sei, wird durch die Ergebnisse erneut entkräftet.

Tatsächlich, so die Autor_innen der Studie, sei Dugas nur einer von vielen bereits in den 1970er-Jahren mit HIV Infizierten gewesen. Durch seine zahlreichen belegten Sexualkontakte hatte er allerdings das Virus weitergegeben – und Forscher_innen der US-Gesundheitsbehörde CDC Anfang der 1980er-Jahre den Beleg für die sexuelle Übertragbarkeit von HIV gegeben.

Dass die These von Dugas als „Patient Null“ nicht zu halten ist, wurde bereits in mehreren Studien geklärt. Ursprünglich war Dugas auch nur als „Patient O“ bezeichnet worden, weil er von „outside of California“, also außerhalb von Kalifornien stammte. 1982 war bei einer Dokumentenabschrift in der CDC jedoch fatalerweise der Buchstabe „O“ mit der Ziffer Null verwechselt worden, wodurch Dugas sowohl in der Fachwelt wie auch im öffentlichen Diskurs fortan als „Patient Null“ geführt wurde.

Für ihre nun veröffentlichte Studie haben der Evolutionsbiologe Michael Worobey und sein Team mehr als 2000 Serumproben ausgewertet, die 1978 und 1979 von US-amerikanischen schwulen Männern genommen worden waren. Obwohl sich das darin enthaltene Erbgut während der jahrzehntelanten Lagerung weitgehend zersetzt hat, ist es ihnen gelungen, acht nahezu vollständige Erbgutsequenzen von HI-Viren zu rekonstruieren.

Durch Vergleiche mit weiteren alten Virusproben kommt das Team zu dem Schluss, dass die ersten HI-Viren mehrfach den Weg von den karibischen Inseln in die USA gefunden haben müssen, etwa durch heimkehrende Sextouristen oder durch verunreinigte Blutprodukte. Anschließend habe sich das Virus weiterentwickelt, wie der Vergleich der Blutproben aus den 70er- und jenen aus den 80er-Jahren zeige.

Nach dem jetzigen wissenschaftlichen Stand ist HIV Anfang des letzten Jahrhunderts in Afrika von Primaten auf den Menschen übertragen worden.

(ascho)

 

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