Immer mehr Syphilis-Infektionen in Deutschland – vor allem bei schwulen Männern
Diese Daten finden sich im aktuellen „Epidemiologischen Bulletin“ des Robert Koch-Instituts (RKI). Bundesweit gab es demnach 2015 etwa 8,5 Syphilis-Fälle pro 100.000 Einwohner_innen (= Inzidenz). In den großen Städten waren es weit mehr: in Berlin zum Beispiel 39,0, in Köln 35,6 und in München 30,0.
Besonders gefährdet: Männer zwischen 25 und 50
Die meisten Meldungen entfielen auf Männer, nur gut sechs Prozent auf Frauen. Am stärksten betroffen waren die 30- bis 39-jährigen Männer (34,9), aber auch bei den 25- bis 29-Jährigen (33,4) und den 40- bis 49-Jährigen (29,9) war die Inzidenz hoch.
Angaben zum Infektionsrisiko lagen zu rund drei Vierteln der Meldungen vor. 84,7 Prozent davon entfielen auf Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), 15 Prozent auf heterosexuelle Übertragungen. Auf Sexarbeit gingen insgesamt 3,5 Prozent dieser Meldungen zurück, der Frauenanteil lag hier bei 96,3 Prozent.
Der starke Anstieg der Syphiliszahlen beruht vor allem auf den steigenden Zahlen bei schwulen und anderen MSM: Insgesamt gab es bei ihnen 23,7 % mehr Meldungen als 2014, in sieben Bundesländern sogar über 25 Prozent mehr.
Hoch ist offenbar auch der Anteil von Reinfektionen – bei fast 40 Prozent der Syphilisinfektionen unter Männern, die Angaben zu dieser Frage machten, gingen die Ärzt_innen von einer solchen erneuten Ansteckung aus.
Gut sechs Prozent der Personen gaben an, dass sie HIV-infiziert sind (99,7 % davon Männer, davon 91,2 % MSM) – da sie das freiwillig taten, dürfte die tatsächliche Zahl höher liegen.
Wichtig: Ausbau von Test und Behandlung
Doch was ist zu tun, um den Anstieg zu stoppen? Immerhin können nicht diagnostizierte und nicht behandelte Syphilis-Infektionen nach mehreren Jahren zur Schädigung von Gehirn und Blutgefäßen führen. Das Robert Koch-Institut empfiehlt neben verstärkter Kondomwerbung auch den Ausbau von Test- und Behandlungsangeboten. Zum einen können nämlich auch bei der Verwendung von Kondomen Syphilis-Erreger übertragen werden, zum anderen entfällt von den rund 75 Prozent aller Meldungen mit Angaben zum Infektionsstadium ein gutes Drittel auf späte Stadien.
Die Leitlinie der deutschen STI-Gesellschaft empfiehlt, je nach Risikokontext alle drei bis zwölf Monate einen STI-Check machen zu lassen, möglichst zusammen mit einer Beratung zur Risikosenkung. Das Problem: Solche regelmäßigen Tests sind im deutschen Gesundheitssystem, das auf Behandlung ausgerichtet ist, nicht vorgesehen. Die Ärzt_innen fürchten, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Außerdem haben viele von ihnen keine Übung, nach Risikofaktoren zu fragen, und viele Patient_innen haben Schwierigkeiten, Risiken von sich aus anzusprechen.
Um insbesondere schwule Männer und andere MSM mit wechselnden Sexualpartner_innen zu regelmäßigen Untersuchungen zu motivieren, sollten nach Ansicht des RKI deshalb auch innovative Ansätze erwogen werden, zum Beispiel die internetbasierte Beratung, die Nutzung von Smartphone-Apps oder Syphilis-Heimtests.
(ascho/hs)
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