Mord an ugandischem Schwulenaktivisten überschattet Gedenkfeier
Anlässlich des 66. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz wurde gestern in Berlin mit einer Gedenkfeier an die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen erinnert. Überschattet wurde die Feier von der Ermordung des ugandischen Schwulenaktivisten David Kato. Axel Schock und Dirk Sander berichten.
Über 50.000 Männer waren während des Nationalsozialismus wegen ihrer Homosexualität verurteilt worden. Rund 10.000 hatte man in Konzentrationslager verschleppt – viele von ihnen wurden dort ermordet.
Aus der unheilvollen Geschichte sei Deutschland eine besondere Verantwortung erwachsen, Menschenrechtsverletzungen entgegenzutreten, betonte Anja Kofbinger, Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg (LSVD) in ihrer Ansprache. Derzeit seien Homosexuelle in 80 Staaten der Welt strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt, in einigen islamischen Staaten müssten sie sogar die Todesstrafe fürchten. Erst vor wenigen Tagen seien im Irak zwei Schwule zum Tod durch Steinigung verurteilt worden.
Kofbinger erinnerte auch an den Juristen und Aktivisten David Kato, der am 26. Januar 2011 in Ugandas Hauptstadt Kampala erschlagen aufgefunden worden war, nachdem eine Zeitschrift zum Mord an Homosexuellen aufgerufen hatte. Kato war der führende Kopf der ugandischen Organisation Sexual Minorities Uganda (SMUG). Homophobie sei in Uganda Staatsdoktrin, erklärte Kofbinger. „Hier muss die Bundesregierung politischen Druck ausüben und entgegenwirken.“ Sie forderte aber auch einen Politikwechsel im Umgang mit lesbischen und schwulen Asylsuchenden in Deutschland.
An der Feierstunde, zu welcher der LSVD und die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas eingeladen hatten, nahmen auch rund 40 Abgeordnete aller Fraktionen des Deutschen Bundestages und des Berliner Abgeordnetenhauses teil, darunter Ingrid Fuchsbach, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Claudia Roth, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Jörg van Essen, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, sowie die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Christine Lüders.
Axel Schock
„Die Stimmung gegen Homosexuelle wird in Uganda immer feindseliger“
Ich hatte David Kato letztes Jahr auf der Internationalen Aids-Konferenz in Wien kennengelernt. Seither hielten wir per E-Mail Kontakt zueinander. Durch Hass wurde diesem Kontakt jetzt ein jähes Ende gesetzt.
Im vergangenen Jahr hatte das ugandische Boulevardblatt „Rolling Stone“ Fotos und Adressen von schwulen und lesbischen Aktivisten mit der Überschrift „Hängt sie“ veröffentlicht – einer von ihnen war David Kato. Am 26. Januar 2011 wurde der menschenverachtende Aufruf auf brutale Weise in die Tat umgesetzt. Kato wurde in seiner Wohnung von einem Eindringling so schwer attackiert, dass er auf dem Weg in das Krankenhaus verstarb.
Seit der Veröffentlichung seines Namens hatte er mehrere Todesdrohungen erhalten. Viele internationale Freunde rieten ihm, das Land zu verlassen. Kato wollte aber sein Engagement für gleiche Rechte von sexuellen Minderheiten in seinem Heimatland weiterführen. Frank Mugisha, ein Mitstreiter aus der Organisation Sexual Minorities Uganda – SMUG, sagte in einer Pressemitteilung, dass alle Einschüchterungsversuche die Arbeit der Organisation nicht verhindern könnten. „David wurde ermordet, und viele werden folgen, aber wir werden mit unserer Arbeit erst aufhören, wenn der Kampf für Gerechtigkeit und gleiche Rechte gewonnen ist.“
Vor einigen Wochen noch hatten die Gerichte in Uganda dem „Rolling Stone“ untersagt, weiterhin Namen und Adressen von homosexuellen Menschen zu veröffentlichen. Er sei sehr froh über diese Entscheidung, teilte mir David in seiner letzten Mail mit. Er fügte aber hinzu, dass die Stimmung gegen Homosexuelle in Uganda immer feindseliger werde. Homosexualität steht in 38 afrikanischen Ländern unter Strafe, die Konsequenzen reichen von Freiheitsentzug bis hin zu Todesurteilen.
Ein Tag nach der Ermordung von David Kato fand in Berlin eine Gedenkfeier für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Homosexuellen in Deutschland statt. Dabei wurde einmal mehr deutlich, wie wichtig der Einsatz für die Menschenrechte nach wie vor ist. Alle staatlichen und nichtstaatlichen Akteure in diesem Feld sind gefordert, jede sich bietende Möglichkeit zu nutzen, um gegen die Verfolgung von (sexuellen) Minderheiten vorzugehen.
Dirk Sander
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