Schutz durch Therapie

Wissen ist gesund: Reden wir über den Schutz durch die HIV-Therapie!

Von Axel Schock
Symbolfoto © Photographee.eu/stock.adobe.com

Eine internationale Studie zeigt: Das Wissen um den Schutz vor sexueller Übertragung durch die HIV-Therapie trägt zu mehr Gesundheit für Menschen mit HIV bei.

In dem griffigen Slogan „Nicht nachweisbar = nicht übertragbar“, kurz: N = N (international: undetectable = untransmittable, U = U oder #UequalsU) steckt eine wissenschaftliche Erkenntnis, die das Leben für Menschen mit HIV revolutioniert hat: HIV-Medikamente hindern HIV an der Vermehrung und senken die Zahl der HIV-Kopien auf eine so geringe Menge, dass sie faktisch nicht mehr nachzuweisen ist und das Virus beim Sex nicht mehr übertragen werden kann.

Für Menschen, die mit einer HIV-Infektion leben, ist das Wissen, dass ihre HIV-Therapie ihnen nicht nur ein gutes und langes Leben mit HIV ermöglicht und Aids verhindert, sondern auch vor HIV-Übertragungen schützt, ein Befreiungsschlag: Es befreit sie beispielsweise von der Angst, dass sich andere beim Sex anstecken, und ermöglicht ihnen, Kinder zu bekommen und auf die Welt zu bringen, ohne dass dabei HIV auf Partner*innen oder Kinder übertragen wird.

In vielen Ländern versuchen Informationskampagnen wie #wissenverdoppeln, dieses Wissen in die Bevölkerung zu tragen. Ziel ist, Ängste vor Menschen mit HIV und Stigmatisierung abzubauen, aber auch, zum HIV-Test und ­– bei einem positiven Ergebnis – zu einer HIV-Behandlung zu ermutigen.

Für „Global Positive Perspectives“ wurden Menschen mit HIV in 25 Ländern befragt

Wie Menschen mit HIV von N = N erfahren haben und welche Wirkungen es auf ihr Befinden und ihre Therapietreue hat, untersuchte die Studie „Global Positive Perspectives“. Dazu wurden zwischen April 2019 und Januar 2020 in 25 Ländern rund 2400 Menschen befragt, die sich in einer HIV-Behandlung befinden, darunter auch 120 Teilnehmende aus Deutschland.

Rekrutiert wurden die Teilnehmer*innen, wie in den anderen Ländern auch, über Selbstorganisationen und Unterstützungseinrichtungen. Dabei wurde darauf geachtet, dass drei oft unterrepräsentierte Personengruppen ausreichend vertreten sind: Menschen, die ihre HIV-Diagnose in den zwei Jahren vor der Befragung erhalten hatten, Frauen sowie Personen über 50 Jahren.

Ergebnisse zu N = N

66,5 % der Befragten gaben an, schon einmal mit ihren behandelnden HIV-Ärzt*innen über N = N gesprochen zu haben. Das mag zunächst nach viel klingen, bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Rund ein Drittel der Befragten hat ein solches Gespräch noch nie geführt.

Ein Drittel der Menschen mit HIV hat noch nie mit ihren HIV-Ärzt*innen über Schutz durch Therapie gesprochen

Am höchsten war der Prozentsatz in der Schweiz (87 %), am niedrigsten in Südkorea (38 % ).

Bei heterosexuellen Männern lag er bei lediglich 57,6 %, bei Männern, die Sex mit Männern haben, hingegen bei 70,5 %.

Auch Schwarze Personen (69,5 %), trans* Personen (77,1 %) und Menschen mit Gelegenheits-Sexpartner*innen (74,3 %) haben zu einem hohen Anteil mindestens einmal mit Ärzt*innen über Schutz durch Therapie gesprochen. Frauen liegen mit 64,7 % knapp unter dem Durchschnitt.

Das Wissen um N = N stärkt die Therapietreue

Das Wissen um die Nichtinfektiösität stärkt die Therapietreue und damit auch die Virusunterdrückung, bestätigt diese federführend von der International Association of Providers of AIDS Care (IAPAC) durchgeführte Studie. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Medikamente nur suboptimal eingenommen werden, lag bei den über Schutz durch Therapie Informierten um 41 % niedriger als bei den nicht Informierten, die einer optimalen Gesundheit hingegen um 48 % höher.

Deutlich wurde zugleich auch: Werden die Informationen zu N = N, also zum Schutz durch die HIV-Therapie, von Ärzt*innen vermittelt und nicht allein von Menschen oder Organisationen aus der HIV-Community, ist der Effekt deutlich größer.

Die fachliche Autorität von Ärzt*innen trägt zur Glaubwürdigkeit der N=N-Botschaft bei

Die fachliche Autorität der Ärzt*innen und die Einbindung im Rahmen von Aufklärung-, Beratungs- oder Behandlungsgesprächen tragen deutlich zur Glaubwürdigkeit dieser Botschaft bei – und damit zu deren Wirkung. Dazu gehört auch die Bereitschaft, anderen den eigenen HIV-Status mitzuteilen oder mit Ärzt*innen beispielsweise über Ängste vor HIV-Übertragungen oder den Schutz der Privatsphäre im Behandlungskontext zu sprechen.

Wichtig sind ärztlich initiierte Gespräche zu N = N in verständlicher Sprache

Wenig überraschend sind daher die Empfehlungen der Studien-Autor*innen aussprechen: Gespräche über N = N sollten fest in die klinischen Leitlinien aufgenommen werden. Wichtig sei, dass Ärzt*innen von sich aus diese Gespräche initiieren, weil nicht alle Patient*innen dazu in der Lage seien, diese sensiblen Themen von sich aus anzusprechen.

Selbst eine kurze Erörterung des Themas an verschiedenen Punkten der Behandlung, etwa bei der Diagnose, dem Beginn der ART und während routinemäßiger Kontrolluntersuchungen, könne Menschen mit HIV bereits deutlich empowern. Wichtig sei, eine klare, unmissverständliche Sprache zu verwenden, um N = N zu vermitteln.

Nötig ist die klare Botschaft: HIV ist unter Therapie nicht übertragbar

Wie aus früheren Studien bereits bekannt ist, tragen unterschiedliche Formulierungen, mit denen das Risikos einer HIV-Übertragung beschrieben wird,  zur Verwirrung bei. Formulierungen wie „nahezu Null“, „vernachlässigbar“ oder „extrem gering“ können als „Immer-noch-kein Null-Risiko“ interpretiert werden. Wichtig ist daher die klare Botschaft: Menschen mit HIV und einer nicht nachweisbaren Viruslast übertragen HIV nicht auf ihre Partner*innen.

Darüber hinaus müsse man den Patient*innen deutlich machen, dass es bei der N=N-Botschaft nicht darum geht, von der Kondombenutzung oder anderen Schutzmaßnahmen abzuraten. Vielmehr gehe es darum, ihnen Gewissheit angesichts ihrer manchmal unausgesprochenen Furcht vor Ansteckung anderer zu vermitteln – eine Hauptursache für Stigma, Scham und beinträchtigtes seelischem Wohlbefinden.

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