WISSENSCHAFT

Bericht von der CROI (1): Große Fortschritte bei Hepatitis C

Von Armin Schafberger
Boston
Eisige Kälte, heiße Neuigkeiten: die CROI in Boston (Foto: Schafberger)

Vom 3. bis zum 6. März findet in Boston die Konferenz zu Retroviren und Opportunistischen Infektionen statt (CROI). Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe, ist vor Ort, um sich über die neuesten Entwicklungen rund um HIV und Hepatitis zu informieren – hier seine ersten Eindrücke

Im Vorfeld der diesjährigen Konferenz gab es eine Community-Session zur Hepatitis C, und auch sonst spielt das Thema hier eine wichtige Rolle. Die CROI bewegt sich also in Richtung Hep C. Alles deutet darauf hin, dass diese Krankheit mit weltweit schätzungsweise 130 bis 170 Millionen Infizierten relativ bald sehr einfach zu behandeln sein wird: Einmal am Tag eine Pille mit zwei oder drei Wirkstoffen, das Ganze sechs oder 12 oder 24 Wochen – eher sechs Wochen.

Das kann oder muss dann in Ländern mit desolatem Gesundheitssystem die „Primary Care“, also die ärztliche Grundversorgung übernehmen. Und bei uns? Macht das dann der Hausarzt? Die neuen Substanzen sind wahrscheinlich so nebenwirkungsarm, dass das ginge.

Wer soll das bezahlen …

Es gibt allerdings mehrere Probleme:

Erstens: die Kosten. Für die 60 Länder mit den geringsten Einkommen wird es Regeln geben. Da kostet dann die ganze Therapie 1000 Dollar, nicht wie in den Industrieländern die Tagesration (also eine Pille). Das geht, nach Auskunft von Médecins sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen). Dazu kämen dann noch 2000 Dollar für Diagnostik und medizinische Versorgung, aber das sollte machbar sein. Ein großes Problem werden die Schwellenländer haben – und auch die ärmeren Länder in Europa. Hier wird man sich die Therapie kaum leisten können – was in ähnlicher Weise auch für die HIV-Medikamente der neuesten Generation gilt.

Massachusetts State House
Das Massachusetts State House in Boston (Foto: Schafberger)

Zweitens: die Diagnostik. Die überwiegende Zahl der Hepatitis-C-Infizierten weiß überhaupt nichts von ihrer Infektion. Wie aber soll die nun bald gut funktionierende Therapie dort ankommen, wo sie gebraucht wird? Sollte man, wie Jules Levin es aus Community-Sicht fordert, zum umfangreichen Screening aufrufen? Oder sollte man nicht eher die besonders gefährdeten und betroffenen Zielgruppen aufrufen, sich testen zu lassen? (Ausführlich mit diesen Fragen beschäftigt haben wir uns im HIVreport 6/2012.)

Drittens: die Versorgung. Wer verordnet die Therapie und führt sie durch? In den USA weigern sich offenbar viele Ärztinnen und Ärzte, Menschen mit Hepatitis C zu behandeln, weil sie das Image ihrer Praxis nicht durch Medicaid-Patienten, insbesondere Drogengebraucher, gefährden wollen. Und bei uns? Wenn man einen guten Teil der ca. 400.000 Infizierten behandeln will, dann kann das nicht nur durch die wenigen Hepatitis-Spezialisten geschehen. Die Hausärzte aber werden wohl erst mal die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – viele dürften sich eine solche Behandlung, auch wenn sie sicherer geworden ist, nicht zutrauen. Also sollte man sich auch hier Gedanken machen. Wo werden die behandelt, die man diagnostiziert?

Ohne Community geht gar nichts

Viertens: die Community. In Deutschland gibt es derzeit keine mit den HIV-Aktivisten vergleichbare Community, die sich einsetzt, um mit der Pharmaindustrie über die erforderlichen Studien und die Gestaltung der Studien zu streiten und um mit der Politik über den Zugang zu Diagnostik, Therapie und Versorgung zu streiten. Wenn man in diesem Feld aber nichts unternimmt, passiert auch nichts. Das wissen wir aus der Erfahrung mit HIV.

Noch haben wir in Europa mit Sofosbuvir erst eine zugelassene neue Substanz gegen Hepatitis C. Für den Mai wird aber die Zulassung von Simeprevir erwartet, und dann geht es weiter. Wir sind also noch nicht angekommen bei der schnellen und einfachen Behandlung, aber in einem halben Jahr schon mittendrin …

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