Gib Gummi!
Kondome sind nicht nur ein sicheres Verhütungsmittel, sondern auch einfach zu benutzen: aufreißen, Kondom auspacken und drüberziehen. Klingt eigentlich ganz easy. Doch Pannen und Anwendungsfehler sind keineswegs selten. Ein Beitrag zum International Condom Day von Axel Schock
Deutschland greift zum Gummi. Jahr für Jahr wachsen die Absatzahlen, 2013 wurden imposante 241 Millionen Stück verkauft, auch bunte, genoppte und solche mit Aroma. Doch die Mehrheit will weder Bananen- noch Vanillegeschmack, sondern greift zum Standardprodukt: Transparent und in der EU-normierten Standardgröße für einen Penis von etwa 10, 5 Zentimetern Umfang, was einer Breite von 52 Millimetern entspricht.
Kondomunfälle lassen sich vermeiden
Nun also schnell das Gummi über den Penis gezogen, und dann kann es auch schon losgehen – allerdings nur, wenn man auch wirklich alles beachtet hat. Denn nur so lassen sich „Kondomumfälle“ vermeiden, zum Beispiel, dass die Gummis reißen oder beim Sex abrutschen.
Wenn einem das passiert, kann es womöglich an der falschen Kondomgröße liegen. Diese Erfahrungen hat Marc Grenz vom schwulen Infoladen Hein & Fiete in Hamburg nicht nur bei Beratungsgesprächen, sondern auch beim Kondomführerschein gemacht, den das Projekt immer wieder als unterhaltsamen Safer-Sex-Praxistest auf Straßenfesten anbietet. Wer sich für das Dokument qualifizieren möchte, muss das richtige Kondom auswählen, korrekt über einen Dildo ziehen und einsatzbereit machen.
Was Marc immer wieder überrascht: „Viele haben nicht auf dem Schirm, dass Gleitgel fettfrei sein muss. Fetthaltige Mittel wie Massageöl, Bodylotion, Handcreme, Crisco oder Vaseline greifen nämlich das Latexmaterial an.“ Und auch bei der richtigen Kondomgröße verschätzen sich einige – nicht nur beim Dildotest, sondern auch, wenn es tatsächlich zur Sache geht. Dabei ist es nicht einmal so, dass vor allem Angeber Wunsch und Wirklichkeit verwechseln und deshalb zur XXL-Variante greifen. Marc hat in der Beratungsarbeit immer wieder die genau gegenteilige Erfahrung gemacht: dass gut bestückte Kerle zu dem greifen, was gerade verfügbar ist, und das ist dann meist das Standardmodell für den besagten 10,5-Zentimeter-Durchschnittspenis.
Kondomgrößen: Für jeden die richtige!
Wie aber findet man das „richtige“ Kondom? Entscheidend ist die Breite: Neben der Standardbreite von 52 Millimetern gibt es auch kleinere Kondome mit etwa 49 Millimetern, größere mit 60 Millimeter Breite für einen Penisumfang von etwas mehr als 12,0 cm oder Gummis in einer Breite von 69 Millimetern für einen Penisumfang von etwas mehr als 14,0 cm. Ein praktisches Tool ist hier das „Online-Kondometer“: Einfach Penis-Umfang und Länge messen, auf der Website eintragen, und schon erfährt man die eigene Kondomgröße.
Wenn das Präservativ richtig sitzt und mit dem richtigen, also wasserlöslichen oder auf Silikonbasis hergestellten Gleitgel gut eingeschmiert ist, kann eigentlich fast nichts mehr schiefgehen. Sollte das Gummi dennoch reißen, liegt es in der Regel nicht am Material, sagt Hans-Roland Richter. Er ist der Vorsitzende der Deutschen Latex Forschungsgemeinschaft Kondome e.V. Die Herstellung von Präservativen fällt in Deutschland unter das „Medizinproduktegesetz“, wie Richter im Gespräch erklärt. Das heißt, die Sicherheitsstandards sind ausgesprochen hoch, kontrolliert und sogar EU-weit einheitlich festgelegt. Dafür steht das auf den Packungen abgedruckte CE-Kennzeichen bzw. die Normbestimmung DIN EN ISO 4074:2002. In Deutschland produzierte Kondome mit dem DLF-Gütezeichen der Deutschen Latex Forschungsgemeinschaft haben sogar noch ein paar Prüfungen extra überstanden. Damit geht Mann also in jedem Fall auf Nummer sicher (und packt sich für Reisen in außereuropäische Länder am besten einen ausreichenden Vorrat mit in den Koffer). „Wenn ein Gummi tatsächlich mal platzt, liegt das eigentlich immer an einem Anwendungsfehler“, versichert Richter.
Anwendungsfehler vermeiden
Typische „Kondomfehler“ sind (die Reihenfolge bedeutet keine Rangfolge):
Gleitgel wird auf die Eichel oder ins Gummi gegeben. Hierdurch besteht die Gefahr, dass man das Kondom durchstößt – insbesondere, wenn’s ein bisschen heftiger zur Sache geht.
Das Kondom wird erst komplett ausgerollt und dann in einem Rutsch über den Penis gestülpt. Dadurch kann das Gummi beschädigt werden und später beim Sex womöglich reißen. Deshalb: Das Kondom stets langsam über den Penis abrollen und zuvor darauf achten, dass sich der Rollrand außen befindet, das Reservoir also nicht versehentlich verkehrt herum ausgestülpt ist.
Zwei Kondome werden übereinander gezogen. Hierdurch besteht das Risiko, dass sie abrutschen oder reißen – doppelt hält in diesem Falle definitiv nicht besser, sondern ist riskanter.
Langer oder heftiger Sex ohne Gummiwechsel: Wer beim Sex besonders ausdauernd oder heftig zugange ist, sollte sich ab und an mal eine kurze Pause gönnen und das Gummi wechseln. Kondome halten zwar ordentlich was aus, also auch härtere „Sessions“. Das heißt aber nicht, dass sie unkaputtbar sind. Deshalb: Immer schön vorsichtig damit umgehen.
Die Kondompackung wird mit den Zähnen aufgerissen oder mit der Schere aufgeschnitten. Hierbei kann das Gummi beschädigt werden. Auch spitze Gegenstände oder Fingernägel, selbst Sandkörner (Sex am Strand) oder starke Haarstoppeln (nach der Intimrasur) können einem Kondom schaden.
Falsche Aufbewahrung: Es ist zwar ratsam, für alle Fälle ein Kondom dabei zu haben, man sollte es aber nicht unbedingt in der Hosentasche oder im Portemonnaie aufbewahren – da wird’s im Zweifelsfalle schön plattgesessen. Auch der prallen Sonne sollte man das Gummi nicht unbedingt aussetzen.
Haltbarkeitsdatum beachten!
Und wie ist es dann beispielsweise mit „Lümmeltüten“ aus Kondomautomaten? Hans-Roland Richter kennt die Bedenken. „Die Automaten hängen in der Regel in geschlossenen Räumen, das heißt, sie sind weder der Winterkälte noch der Sommerhitze direkt ausgesetzt. Außerdem sind die Kondome luftdicht, ozondicht und lichtdicht in Siegelfolie verpackt“. Allerdings, so sein Tipp, sollte man immer einen prüfenden Blick aufs Haltbarkeitsdatum werfen. Im Supermarkt oder in der Drogerie kann man schon vorm Bezahlen das Ablaufdatum kontrollieren. Rund 80 Prozent der Kondome werden heute dort gekauft. Zum Vergleich: Auf Sexshops und Automaten entfallen nur noch 2 Prozent. Die Zeiten, in denen einem der Kauf von Kondomen noch peinlich sein musste (und Supermarktkassiererin Hella von Sinnen wie in dem legendären Aids-Aufklärungs-Spot einem Kunden die Schamesröte ins Gesicht treiben konnte), sind zum Glück lange schon vorbei.
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