SCHUTZ DURCH THERAPIE

HIV-Therapie ein wichtiges Element des Risiko-Managements

Von Gastbeitrag
Deutsche AIDS-Hilfe bekräftigt: Wirksame HIV-Therapie ist ein wichtiges Element des Risikomanagements
Roger Pebody, Dienstag, 21. April 2009, NAM

Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH), die größte HIV/Aids-Selbsthilfeorganisation in Deutschland, hat ein Positionspapier zur Rolle der HIV-Therapie in der HIV-Prävention veröffentlicht, das die bahnbrechende Veröffentlichung der Schweizer Eidgenössischen Kommission für Aidsfrage (EKAF) vom Januar 2008 zur Senkung des HIV-Übertragungsrisikos durch eine effektive HIV-Therapie aufgreift und unterstützt.

DAH: Übertragung unwahrscheinlich

Während die Schweizer aber formulierten, dass Menschen unter einer wirksamen Kombinationstherapie und ohne sexuell übertragbare Infektionen „sexuell nicht infektiös“ sind, also das Virus nicht weitergeben, spricht die DAH davon, dass eine HIV-Übertragung unter den genannten Bedingungen „unwahrscheinlich“ ist bzw. dass das Risiko „so gering wie bei Sex unter Verwendung von Kondomen“ ist.

Darüber hinaus verweist die DAH darauf, dass es nicht nur bei sexuell übertragbaren Infektionen, sondern auch aufgrund anderer Ursachen zu Schädigungen der Schleimhaut kommen kann, die das Risiko einer HIV-Übertragung erhöhen.

Das im Januar 2008 veröffentlichte Papier führender Schweizer HIV-Spezialisten argumentiert, dass HIV-Positive unter antiretroviraler Therapie mit nicht nachweisbarer Virusmenge im Blut und keinerlei weiteren sexuell übertragenen Infektionen HIV nicht auf ihre Sexualpartner übertragen.

Der Deutschen AIDS-Hilfe zufolge ist eine sexuelle Übertragung von HIV unwahrscheinlich, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die Viruslast des HIV-positiven Partners ist seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze.
  • Die antiretroviralen Medikamente werden konsequent eingenommen.
  • Bei den Sexualpartnern liegen keine Schleimhautdefekte vor.

Unter diesen Bedingungen sei das Risiko einer HIV-Übertragung vergleichbar gering wie bei konsequenter (100%ige) Verwendung von Kondomen: Beide Strategien böten eine ausreichende Sicherheit zur Vermeidung einer HIV-Infektion, das Restrisiko sei vernachlässigbar gering (und gehe bei Kombination beider Methoden sogar gegen Null).

Wie die Schweizer Eidgenössische Kommission für Aidsfragen erachtet auch die Deutsche AIDS-Hilfe diese Information als besonders wichtig für feste Partnerschaften, in denen einer der Partner HIV-positiv ist. Die DAH empfiehlt – nach einer gemeinsamen informierten Entscheidung [auf Kondome zu verzichten] – regelmäßige Arztbesuche, um die Wirksamkeit der Medikamente und die Abwesenheit von Schleimhautdefekten zu überprüfen.

STD’s erhöhen das Infektionsrisiko wieder

Sexuell übertragbare Infektionen erhöhen das Risiko einer HIV-Übertragung, indem sie die Viruslast (= Menge der Viren) beim HIV-positiven Partner erhöhen oder Geschwüre und Verletzungen verursachen, die es HIV erleichtern, in den Blutstrom einzudringen. Die Deutsche AIDS-Hilfe verweist aber darauf, dass nicht nur sexuell übertragbare Infektionen wie Syphilis oder Herpes, sondern auch andere Ursachen die Schleimhäute am Penis, im Darm oder in der Scheide schädigen können, z. B. eine geschwürige Darmentzündung, Morbus Crohn oder Fisteln von Scheide oder Darm/Anus.

Zwar geht das Papier auch auf Fälle ein, in denen bei HIV-Positiven trotz nicht nachweisbarer Viruslast im Blutplasma HIV im Sperma nachgewiesen werden konnte, und erwähnt den im August 2008 aus Deutschland berichteten Fall eines Mannes, der HIV auf seinen festen Partner übertragen hatte, obwohl seine Viruslast unter der Nachweisgrenze lag und bei keinem der Partner eine sexuell übertragbare Infektion vorlag.

Nichtsdestotrotz plädiert die Deutsche AIDS-Hilfe für einen realistischen Ansatz der HIV-Prävention, der davon ausgeht, dass der Einzelne nicht notwendigerweise „maximal präventiv“ ist, also alle Risiken komplett ausschalten will, sondern im Risikomanagement die Folgen einer möglichen Infektion z. B. mit dem Lustgewinn (also sexuellen Wünschen) ausbalanciert und je nach Situation und Prioritäten seine eigenen Entscheidungen trifft.

schwächere Datenlage bei MSM

Darüber hinaus erkennt die DAH zwar an, dass es zur Frage „Viruslast und Infektiosität“ für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), kaum Daten gibt und dass sich daran in den nächsten Jahre voraussichtlich nichts ändern wird. Sie argumentiert aber, es sei logisch naheliegend, dass auch bei HIV-positiven MSM unter erfolgreicher Therapie die Infektiosität drastisch reduziert sei und man bei der beschriebenen Strategie [Verzicht auf Kondome bei seit mindestens sechs Monaten nicht nachweisbarer Viruslast, regelmäßiger Medikamenteinnahme und Abwesenheit von Schleimhautdefekten bei beiden Partnern] mit einer vergleichbaren oder besseren Risikosenkung wie bei der Verwendung von Kondomen rechnen könne.

Das Papier stellt auch die Vor- und Nachteile des Kondomgebrauchs und der „Viruslastmethode“ einander gegenüber: Kondome können auch ohne Abklärung von Vorbedingungen eingesetzt werden, reduzieren darüber hinaus das Risiko für andere sexuell übertragbare Infektionen und bieten gleichzeitig einen Schutz vor ungewollter Schwangerschaft. Auf der anderen Seite sind Anwendungsfehler möglich, und ihre Effektivität sinkt bei nicht durchgehender Verwendung.

Die „Viruslastmethode“ hat den Vorteil, dass sie auch „kleine Risiken“ abdeckt, die sich durch das Kondom nicht reduzieren lassen oder bei denen Kondome normalerweise nicht verwendet werden (z. B. Spermaspiele mit Schleimhautkontakt). Außerdem ist eine Schwangerschaft möglich (falls gewünscht). Zu den Nachteilen dieser „Methode“ gehört, dass sie keinen Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten bietet, dass die Bedingungen für ihren Einsatz komplex sind und dass die Viruslast unbemerkt ansteigen kann, z. B. infolge eines Therapieversagens.

Übersetzung: Holger Sweers, DAH

Quelle: NAM

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