WELT-AIDS-TAG

Soziale Kompetenz für Rabauken

Von Gastbeitrag
Der Welt-Aids-Tag ist für die rund 120 Mitgliedsorganisationen der Deutschen AIDS-Hilfe der Höhepunkt des Jahres. Sie setzen in dieser Woche mit vielfältigen Aktionen ein Zeichen für Solidarität und zeigen, wie sehr sich das Leben mit HIV verändert hat.  Marcel, einer der vier WAT-Boschafter, war mit der AIDS-Hilfe im Kreis Unna unterwegs und hat in einer Hauptschule Rede und Antwort gestanden. Ein Beitrag von Manuel Izdebski

Die Schüler der Achenbachschule löchern marcel Dams mit Fragen zu seinem Leben
Foto: Jens Krömer

Schwulsein und HIV-positiv! Geht das an einer Hauptschule im sozialen Brennpunkt einer Stadt?  Die Achenbachschule in Lünen liegt im verrufenen Stadtteil Brambauer, wo niemand gerne wohnen möchte. Der Migrantenanteil in der Schülerschaft liegt bei fast 60 Prozent. Wenn Schulsozialarbeiter Ulf Stelzer von seinen Schützlingen spricht, dann redet er von „seinen Rabauken“. Hier im Ruhrpott spricht man eine klare Sprache, das gilt allemal für diese Schule, die inmitten einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung liegt.

„Soziale Kompetenz“ steht am Montag auf dem Stundenplan. Kurz vor dem Welt-Aids-Tag hat die Aidshilfe des Kreises Unna zu einer Diskussionsrunde mit Marcel eingeladen, der sich als Botschafter der Kampagne „Positiv zusammen leben. Aber sicher!“ den Fragen der Schüler stellen will. Etwa 50 Jungen und Mädchen aus den zehnten Klassen haben sich versammelt.

Marcel ist mit seinen 22 Jahren nicht viel älter als die Jugendlichen, aber er ist schwul und lebt offen als HIV-Positiver. Kaum hat er sich den Kids vorgestellt, prasseln die Fragen auf ihn ein: Wie lebt es sich mit HIV? Wirst du mal an Aids sterben? Hast du den Typen angezeigt, der dich infiziert hat? Warum hast du kein Kondom benutzt? Wie viele Tabletten nimmst du am Tag? Muss man die Medikamente selbst bezahlen? Wann hast du gemerkt, dass du schwul bist? Hast du einen neuen Partner gefunden? Kann man sich beim Blasen anstecken?

Die anwesenden Journalisten von diversen Tageszeitungen, dem lokalen Hörfunk und dem WDR-Fernsehen schmunzeln. Doch Marcel hört geduldig zu und antwortet souverän. „Wie und wo kann man sich denn infizieren?“, will Manuel Izdebski von der Aidshilfe von den Schülern wissen. Die Antworten der Jugendlichen: „In der Beziehung, wenn man frisch verliebt ist – so wie Marcel. Beim One-Night-Stand oder wenn man in den Puff geht“. Dass Kondome vor HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten schützen, wissen die Schüler längst. „Aber bockt es auch mit Gummi?“, fragt ein Junge.

Wie im Flug vergeht die Doppelstunde mit dem Aufklärungsunterricht der anderen Art. Am Ende hat Marcel von den vielen Fragen Löcher im Bauch, aber alle Herzen im Sturm erobert. „Du bist echt süß!“, gibt ihm ausgerechnet ein türkischer Junge mit auf den Weg. Da lacht Marcel und schreibt für die Mädchen Autogramme. Jetzt wollen die Jugendlichen in der alten Zechensiedlung am Welt-Aids-Tag rote Schleifen verteilen.

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