Sexuell übertragbare Infektionen

Syphilis in der Praxis

Von Axel Schock
Nahaufnahme von Arzt und Patient
In Deutschland steigt die Zahl der Syphilis-Fälle kontinuierlich an – vor allem bei schwulen Männern. Wie spiegelt sich das im ärztlichen Alltag wider? Ein Gespräch mit dem Allgemeinmediziner und Infektiologen Dr. Christoph Schuler

Herr Schuler, zu Ihrem Patientenstamm gehört auch ein großer Prozentsatz schwuler Männer. Inwieweit spielt Syphilis in Ihrem Praxisalltag eine Rolle?

Wir haben sicherlich im Schnitt jede Woche einen neuen Fall in unserer Praxis, und das bereits seit einigen Jahren. Die Zahl der Fälle ist in den letzten Monaten nicht unbedingt gestiegen, aber sie hält sich schon über einen langen Zeitraum sehr konstant auf hohem Niveau.

Können sie aus Ihrer Erfahrung Patientengruppen ausmachen, die besonders betroffen sind?

Wir entdecken sehr viele Syphilis-Infektionen bei unseren HIV-Patienten, allein schon deshalb, weil diese regelmäßig auf sexuell übertragbare Infektionen [STIs, Anm. d. Red.] gescreent werden.

Das heißt, dadurch werden neue Infektionen automatisch und bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt entdeckt.

Richtig. Zum anderen sind da aber viele nichtpositive Patienten, die wegen verdächtiger Symptome zu uns kommen oder von sich aus einen STI-Routinetest machen lassen. Manche haben sich auch anderswo testen lassen, zum Beispiel in schwulen Beratungseinrichtungen, und haben uns dann nach der Diagnose aufgesucht. Und nicht zuletzt gibt es auch Männer, die von ihrem Sexpartner erfahren haben, dass bei diesem Syphilis diagnostiziert wurde, und sich deshalb nun selbst auch untersuchen lassen wollen.

Trotz Kondom ist eine Übertragung von Syphilis möglich

Kommt es auch vor, dass dieselben Patienten sich immer wieder infizieren?

Das gibt es in der Tat, allerdings ist es gerade bei Syphilis sehr schwer zu unterscheiden, ob es sich um eine Neuinfektion oder um das Wiederaufflammen einer unzureichend behandelten Infektion handelt.

Dr. Christoph Schuler (Foto: privat)
Dr. Christoph Schuler (Foto: privat)

Könnte der Anstieg der Syphilis-Fälle womöglich auf ein verändertes Sexualverhalten zurückzuführen sein? Nämlich dass schwule Männer wieder mehr Sex ohne Kondom haben?

Ich sehe da keine direkte Verbindung. Natürlich wird häufiger auf das Kondom verzichtet, weil die HIV-Behandlung effektiv ist …

… und deshalb das HI-Virus nicht mehr übertragen werden kann.

Aber auf der anderen Seite ist Safer Sex mit Kondom keine Praxis, mit der man eine Syphilis-Infektion gänzlich ausschließen kann. Man kann sich eben auch beim Küssen oder beim Oralverkehr infizieren. Es gibt aus unserer Erfahrung in der Praxis aber sicherlich Szenen, in denen Syphilis-Infektionen eher auftreten, zum Beispiel bei Männern, die sexuell aktiver sind oder auf Sexpartys gehen. Wenn hier neue Infektionen auftreten, werden diese dann auch schnell weitergegeben. Umso wichtiger ist es, dass man seine Sexpartner darüber informiert, wenn bei einem selbst eine Infektion festgestellt wurde, damit der Partner mitbehandelt werden kann.

Syphilis als Stigma

Syphilis scheint moralisch belastender zu sein als andere sexuell übertragbare Infektionen. Fällt es den Patienten tatsächlich leichter, zum Beispiel wegen eines Trippers um Arzt zu gehen?

Das ist in der Tat so. Gerade Patienten, die zuvor noch nie mit einer STI zu tun hatten und nur gelegentlich sexuelle Kontakte haben, fühlen sich ziemlich vor den Kopf gestoßen und sind manchmal auch ein wenig schockiert. Das ist eindeutig auf den stigmatisierenden Charakter zurückzuführen, den die Syphilis nach wie vor hat. Auch wenn die Syphilis behandelt wird: die Infektion bleibt im Blut ein Leben lang sichtbar. Aber auch die Behandlung unterscheidet sich von der vieler anderer STIs: Die Spritzen können durchaus schmerzhaft sein und müssen – je nachdem, wie spät die Infektion entdeckt wurde – gegebenenfalls im Wochenabstand wiederholt werden. Wenn man Allergien hat, sind möglicherweise auch tägliche Infusionen oder eine mehrwöchige Tabletteneinnahme notwendig. Die Behandlung eines Trippers oder von Chlamydien ist dagegen weitaus einfacher und unkomplizierter.

Anders als etwa bei Hepatitis A ist man nach einer ausgestandenen Syphilis nicht automatisch vor einer neuen Infektion geschützt. Wie gehen Leute damit um, wenn es sie nicht nur einmal erwischt?

Ich erlebe in letzter Zeit immer häufiger den Fall, dass Patienten deshalb sehr frustriert sind und sagen: „Ich mach jetzt nichts mehr.“ Denn nicht nur die Zahl der Syphilis-Fälle ist angestiegen, sondern auch Gonorrhö und Chlamydien sind weiter verbreitet. Manchen ist deshalb ganz offensichtlich die Lust am Sex vergangen, zumindest was den Sex in öffentlichen Räumen angeht.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Informationen zu Syphilis (Verlauf, Übertragung, Schutz, Diagnose und Therapie) finden sich unter www.aidshilfe.de/syphilis.

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