Wenn Belastungen sich gegenseitig verstärken
Von Michael Carter*
„Eine höhere Viruslast und geringere ART-Adhärenz sind jeweils mit erhöhten Syndemiewerten assoziiert“, berichten Forscher aus den Vereinigten Staaten in der Online-Ausgabe von AIDS. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kombinationen aus Symptomen einer Depression, polyvalentem Substanzkonsum [paralleler Gebrauch verschiedener Drogen und anderer Substanzen, Anm. d. Red.] und sexuellem Risikoverhalten hohe Hürden für die Männer darstellen, die positiven Auswirkungen einer erfolgreichen HIV-Behandlung in vollem Umfang nutzen zu können, und dass diese Faktoren sich gegenseitig verstärken und so die negativen Folgen für die HIV-bezogene Gesundheit verschärfen.“
Je höher die Belastung, desto höher die Viruslast
Die Forscher glauben, dass ihre Ergebnisse wichtige Folgen für aktuelle Strategien zur Kontrolle der HIV-Epidemie haben, die darauf setzen, dass bei erfolgreicher HIV-Behandlung das Risiko einer HIV-Übertragung minimal ist („Therapie als Prävention“), da die Erhöhung der Syndemiewerte mit höheren Viruslasten und damit einem erhöhten Übertragungsrisiko verbunden war.
Auf Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), entfallen etwa zwei Drittel der neuen HIV-Diagnosen in den Vereinigten Staaten. Viele hegen große Hoffnung, dass der Einsatz der antiretroviralen Therapie zur Prävention die Epidemie in dieser Gruppe eindämmen kann. Unterdessen haben nur 28 Prozent der Menschen mit HIV in den USA eine Viruslast unter der Nachweisgrenze.
Forscher der Multicentre AIDS Cohort Study (MACS) vermuteten, es gebe erhebliche Barrieren für MSM mit HIV, die Viruslast unter die Nachweisgrenze zu senken und dort zu halten. Möglicherweise seien ineinandergreifende Gesundheitsprobleme wie widrige Umstände oder Traumata in der Kindheit mit Depressionen und Substanzkonsum in der Jugend verknüpft, was wiederum zu riskantem Sexualverhalten führen könne.
Um diese Hypothese zu überprüfen, werteten die Forscher die Korrelation zwischen Syndemien und der Adhärenz sowie der Viruslast bei 766 HIV-positiven MSM aus, die zwischen 2003 und 2009 antiretroviral behandelt wurden. Die Studie sollte dabei drei Fragen beantworten:
- Ist ein höherer Syndemiewert – die Zahl der syndemischen Faktoren, die gleichzeitig wirken – mit einer schlechteren Kontrolle der Viruslast assoziiert?
- Sind höhere Syndemiewerte mit schlechterer Adhärenz verbunden?
- Beeinflusst die Adhärenz die Beziehung zwischen Syndemiewert und Viruslast?
Die Ergebnisse zeigten, dass höhere Syndemiewerte signifikant mit einer geringeren Therapietreue verknüpft waren (p < 0.0001), ebenso wie die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit und niedriges Einkommen.
Weitere Faktoren: Zugehörigkeit zu ethnischer Minderheit und geringes Einkommen
Darüber hinaus gab es Hinweise, dass die Zahl gleichzeitig wirkender Syndemiefaktoren mit der Adhärenz verknüpft war: Individuen mit einem syndemischen Faktor wiesen eine schlechtere Adhärenz auf als Personen ohne syndemische Faktoren; Teilnehmer mit zwei syndemischen Faktoren hatte tendenziell eine schlechtere Adhärenz als Personen mit nur einem Faktor, und Männer mit drei Faktoren wiesen eine signifikant schlechtere Therapietreue auf als jene mit zwei Faktoren.
Die Syndemiewerte waren auch mit der Viruslast assoziiert (p < 0.001), ebenso wie die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit (p < 0.0001) und geringes Einkommen (p < 0.0001).
Bei Männern mit einem syndemischen Faktor lag der Median (Zentralwert) der Viruslast bei 248 Kopien/ml – ein signifikant höherer Wert als bei Männern ohne syndemische Faktoren (191 Kopien/ml). Bei Männern mit zwei Faktoren lag der Median der Viruslast bei 376 Kopien/ml, bei Männern mit drei Faktoren bei 1197 Kopien/ml.
Die Wahrscheinlichkeit einer Viruslast über der Nachweisgrenze stieg bei höheren Syndemiewerten.
Höhere Syndemiewerte waren also mit geringerer Adhärenz (p < 0.01) und in der Regel mit einer höheren Viruslast assoziiert.
Zwischen den Syndemiefaktoren gab es signifikante Wechselwirkungen. Polyvalenter Substanzkonsum korrelierte mit depressiven Symptomen (p < 0.0001) und Analverkehr ohne Kondom (p < 0.0001). Depressive Symptome korrelierten mit polyvalentem Substanzkonsum (p < 0.0001) und ungeschütztem Sex (p < 0.0001); Analverkehr ohne Kondom war signifikant mit polyvalentem Substanzkonsum (p < 0.0001) und depressiven Symptomen (p < 0.0001) assoziiert.
„Unsere Ergebnisse stützen die Forderung, strukturelle und verhältnispräventive Ansätze zu integrieren, um die Syndemie bei MSM unter antiretroviraler Therapie in den USA anzugehen“, schreiben die Autoren. „Wir empfehlen deshalb nachdrücklich die breite Einführung von HIV-Versorgungsmodellen, die möglichst aus einer Hand Angebote zur psychischen Gesundheit, zur Prävention sexuellen Risikoverhaltens und zur Behandlung von Drogenproblemen integrieren, um die Viruslastsenkung bei HIV-positiven MSM zu optimieren.“
Literatur
Friedman MR et al. Effects of syndemics on HIV viral load and medication adherence in the multicentre AIDS cohort study. AIDS, online edition. DOI: 10.1097/QAD.0000000000000657, 2015.
*Original: Inter-connecting health problems increase HIV risk for MSM, veröffentlicht am 19.5.2015 auf aidsmap.com; Übersetzung: Literaturtest
Vielen Dank an NAM/aidsmap.com für die Erlaubnis zur Veröffentlichung!
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