Forschung

Zugang zu HIV-Heimtests kann Testhäufigkeit bei schwulen Männern erhöhen

Von Gastbeitrag
eine Hand hält einen Teststreifen
Dieser Screenshot aus dem How-to-use-Video des Herstellers OraQuick zeigt den Oraltest vor der Anwendung.
In einer  Studie mit schwulen Männern in Australien haben leicht zugängliche HIV-Selbsttests die Testfrequenz deutlich erhöht. Die „Heimtests“ stellten dabei keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zu bestehenden Angeboten dar

Von Roger Pebody*

Vorgestellt wurden diese Ergebnisse im Sommer 2016 auf der 21. Internationalen Aids-Konferenz (AIDS 2016) im südafrikanischen Durban von Muhammad Jamil (Kirby Institute). Besonders stark nahm die Testhäufigkeit demnach bei Männern zu, die sich zuvor nur selten testen ließen.

Viele Männer mit erhöhtem Risiko lassen sich nur selten oder gar nicht testen

Australische Richtlinien empfehlen sexuell aktiven schwulen Männern, sich mindestens einmal im Jahr und bei erhöhtem HIV-Risiko alle drei bis sechs Monate auf HIV testen zu lassen. Trotzdem lässt sich etwa ein Drittel der Männer mit erhöhtem Risiko nur einmal im Jahr oder überhaupt nicht testen.

HIV-Selbsttests (Heimtests) sind in den USA, Großbritannien, Frankreich und anderen Ländern zugelassen. Die australische Politik hat es 2014 den Herstellern von Selbsttests ermöglicht, die Marktzulassung ihrer Produkte zu beantragen, doch hat bisher keine Firma diesen Schritt unternommen.

Die Studie „Frequency of Oral Rapid Testing at Home“ (FORTH) rekrutierte schwule und bisexuelle Männer mit einem erhöhten HIV-Risiko: Sie hatten entweder in den drei zurückliegenden Monaten mindestens einmal Analverkehr ohne Kondom oder in diesem Zeitraum mindestens fünf Sexualpartner gehabt.

In dieser randomisierten Studie erhielt die Hälfte der Männer jeweils vier Heimtest-Kits (den OraQuick HIV-Heimtest), weitere Tests konnten bei Bedarf angefordert werden. Die Anzahl der ausgegebenen Tests entsprach der australischen Empfehlung, dass Männer mit erhöhtem Risiko sich alle drei bis sechs Monate testen lassen sollten.

Die Männer in der Kontrollgruppe hatten lediglich Zugang zu den bestehenden Testangeboten, sollten aber nach einem Jahr Laufzeit ebenfalls kostenlose Selbsttests bekommen.

Insgesamt konnten in Sidney und Melbourne 362 Männer über Kliniken für sexuelle Gesundheit, Aids-Organisationen und die Sozialen Medien für die Studie gewonnen werden. Das Durchschnittsalter betrug 35 Jahre, zwei Drittel waren vollzeitbeschäftigt, ein Drittel hatte eine Hochschulausbildung. Die Hälfte hatte in den sechs Monaten vor der Befragung mehr als zehn Sexpartner gehabt, 60 Prozent hatten Analsex ohne Kondom mit Gelegenheitspartnern gehabt.

Für die Analyse wurden die Männer in zwei Gruppen aufgeteilt: „Test in jüngerer Zeit (in den zurückliegenden zwei Jahren)“ und „längere Zeit nicht getestet“. Die meisten Männer fielen in die erste Gruppe. Erhoben wurde die durchschnittliche Zahl der HIV-Tests pro Teilnehmer im ersten Jahr der Beobachtung.

  • Männer mit einem HIV-Test in jüngerer Zeit

Die Männer in der Interventionsgruppe [also die Männer, die vier Selbsttest-Kits bekamen; Anm. der Red.] ließen sich im Schnitt 1,8 Mal in Gesundheitseinrichtungen testen, die Männer in der Kontrollgruppe 2,1 Mal. Die Männer in der Interventionsgruppe nutzten zusätzlich durchschnittlich 2,4 Selbsttests.

Die Männer in der Interventionsgruppe hatten also insgesamt durchschnittlich 4,2 Tests in einem Jahr – gegenüber 2,1 Tests in der Kontrollgruppe bedeutet das eine doppelt so hohe Rate (Risiko-Verhältnis 2,0, p < 00,1).

  • Männer, deren letzter HIV-Test mehr als zwei Jahre zurücklag

Die Ergebnisse bei den Männern, die sich länger als zwei Jahre nicht hatten testen lassen, waren sogar noch beeindruckender:

Die Männer in der Interventionsgruppe ließen durchschnittlich 0,8 Tests in Gesundheitseinrichtungen durchführen, die Männer in der Kontrollgruppe 0,7. Die Männer in der Interventionsgruppe machten zusätzlich durchschnittlich 2,1 Selbsttests.

Heimtests ergänzen herkömmliche Testangebote

Die Männer in der Interventionsgruppe hatten also insgesamt durchschnittlich 2,9 Tests in dem Jahr. Verglichen mit durchschnittlich 0,7 Tests in der Kontrollgruppe bedeutet das eine viermal so hohe Frequenz (Risiko-Verhältnis 3,95, p < 00,1).

Die gleich hohe Anzahl von Tests in Gesundheitseinrichtungen bei Männern aus dem Interventions- und Kontrollarm belegt, dass die Selbsttests die Tests in Gesundheitseinrichtungen nicht ersetzt, sondern ergänzt haben.

Die Forscher hatten befürchtet, der leichte Zugang zu Selbsttests könne dazu führen, dass weniger Männer aus der Interventionsgruppe sich auf sexuell übertragbare Infektionen testen lassen. Es gab aber keine Unterschiede zwischen der Zahl der Untersuchungen (zwei pro Jahr bei den Männern, die in jüngerer Zeit einen HIV-Test gemacht hatten, und eine pro Jahr bei den Männern, bei denen der letzte HIV-Test länger als zwei Jahre zurücklag).

HIV-Selbsttests kommen gut an

Auf die Frage der Forscher_innen, was ihnen an den Selbsttests gefiel, gaben die Männer der Interventionsgruppe folgende Antworten:

  • die Möglichkeit, sich selbst zu testen (92 %)
  • Bequemlichkeit (83 %)
  • nicht zu einem Arzt/einer Ärztin oder in eine Klinik zu müssen (75 %)
  • innerhalb weniger Minuten das Ergebnis zu bekommen (74 %)
  • den Zeitpunkt des Tests selbst bestimmen zu können (74 %)
  • Zeitersparnis (66 %)
  • Anonymität (62 %)
  • keine Blutprobe erforderlich (51 %)
  • die Möglichkeit, Partner zu testen (41 %)
  • weniger peinlich (26 %).

Die einzigen negativen Aspekte der Selbsttests, die von vergleichbar vielen Teilnehmern genannt wurden, waren,

  • dass man damit keinen kompletten Check der sexuellen Gesundheit machen kann (57 %) und
  • dass das Testergebnis weniger zuverlässig [als beim Labortest] ist (25 %).

Für Muhammad Jamil sind die Ergebnisse ein weiterer Beleg dafür, dass der Zugang zu kostenlosen Selbsttests die Testfrequenz bei schwulen und bisexuellen Männern mit hohem Infektionsrisiko erhöht.

In Großbritannien rekrutiert die SELPHI-Studie gerade 10.000 Männer, die Sex mit Männern haben. Diese Studie soll zeigen, ob der Zugang zu HIV-Selbsttests (die kostenlos über das Internet angeboten werden) zu mehr HIV-Diagnosen und Anbindung ans medizinische Versorgungssystem führt.

 

Literatur

Jamil MS et al. Access to HIV self-testing doubles the frequency of HIV testing among gay and bisexual men at higher risk of infection: a randomised controlled trial. 21st International AIDS Conference, Durban, abstract FRAC0102, 2016.

* Original: Access to HIV home tests doubles the frequency of HIV testing in Australian gay men; veröffentlicht am 24. Juli 2016 auf aidsmap.com; Übersetzung: Michael Tappe. Vielen Dank an NAM/aidsmap.com für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung!

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