„Ich wollte die Geschichte in der Hand behalten“
Andreas, du hast dich im Dezember 2007 als positiv geoutet, nachdem du im Jahr zuvor dein öffentliches schwules Coming-out gehabt hattest. Was davon war schwerer?
Andreas: Beides war eine große Befreiung, aber ich habe mir vor meinem positiven Coming-out schon mehr Gedanken gemacht. Zumal beides ja nicht nur mich betraf, sondern auch Tess und Lina. Ich habe das vorher natürlich mit den beiden abgestimmt.
Wart ihr einverstanden?
Tess: Aber selbstverständlich! Für uns war das ja nichts Neues. Wir haben ihn wissen lassen, dass wir hinter ihm stehen und stolz auf ihn sind.
Andreas: „Ich habe die Sache an verantwortungsbewusste Journalisten herangetragen.“
Wie kam es eigentlich dazu?
Andreas: Ich wurde von Journalisten kontaktiert, die von meiner Infektion erfahren hatten und darüber berichten wollten. Da ich selbst bestimmen wollte, wer wann was darüber schreibt, habe ich die Sache kurzerhand selbst an Journalisten herangetragen, von denen ich wusste, dass sie verantwortungsvoll damit umgehen und mir daraus keinen Strick drehen würden.
Das bestimmte dann auch den Grundton der Berichterstattung: sachlich, nachrichtlich, unaufgeregt. Eher auf Seite 5 als auf Seite 1, auch in den internationalen Medien.
Andreas: Ja, was ich auch gut und richtig fand.
In Deutschland haben wir vor kurzem erlebt, wie eine Pop-Sängerin von der Staatsanwaltschaft und den Medien geoutet wurde. Weißt du, wer Nadja Benaissa ist?
Andreas: Seit ein paar Wochen, ja. Und genau das, was ihr passiert ist, wollte ich für mich vermeiden. Sie hat mein tiefes Mitgefühl. Der Umgang mit den Medien ist nicht einfach und mir war es damals sehr, sehr wichtig, offen und selbstbestimmt mit meiner Infektion umzugehen und die Geschichte in der Hand zu behalten.
Wie haben denn eure Fans reagiert?
Tess: Taktvoll und gelassen, aber einige auch mit Sorge. Die Andreas sehr schnell entkräftet hat.
Keine besorgten Mütter?
Tess: Warum sollten die sich Sorgen machen? Mein Sohn beispielsweise ist acht Jahre alt und wird ganz selbstverständlich in einer Welt groß, in der er von Heteros, Schwulen, Lesben, Negativen und Positiven umgeben ist, und ich finde das gut. Weil das alles normal ist und er es genau so erfährt.
Tess: „Meine Kinder wachsen ganz selbstverständlich mit Schwulen und Positiven auf.“
Hat deine Infektion euren Arbeitsalltag verändert?
Andreas: Nein. Mir geht es gut, ich achte auf mich, halte mich fit, lebe aber auch nicht groß anders als vorher. Ich muss jetzt ab und zu in Interviews darüber reden (lächelt), aber ansonsten unterscheidet sich mein Leben in dieser Beziehung nicht von dem von Tess oder Lina.
Hast du noch genauso viele Groupies wie früher?
Andreas: (lacht) Das geht dich gar nichts an. Aber da jetzt jeder, der mich angräbt, weiß, dass ich positiv bin, gibt es schon mal einen Stolperstein weniger.
Gibt es sonst noch positive Auswirkungen?
Andreas: Ja, und die finde ich viel wichtiger: Neulich kam eine Frau nach einem Konzert auf mich zu und hat sich bei mir dafür bedankt, dass ich meine Infektion öffentlich gemacht habe. Sie ist auch positiv und hat zwei Kinder. Und für die ist es sehr, sehr wichtig, dass sie jetzt noch jemanden kennen, der das gleiche hat wie ihre Mutter. Dass sie noch ein Gesicht haben, das sie damit in Verbindung bringen können. Das macht es normaler für sie. Und das war der Grund, warum ich schon vor zwei Jahren selbstbestimmt darüber reden wollte: Ich wollte zeigen, das HIV etwas Alltägliches ist, das viele Menschen auf der Welt betrifft.
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