Global AIDS Update Report 2021

UNAIDS: Ungleichheiten behindern die Beendigung von HIV/Aids

Von Axel Schock
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© UNAIDS | Ausschnitt aus dem Titel des Global AIDS Update 2021 „Confronting inequalities – Lessons for pandemic responses from 40 years of AIDS

Der UNAIDS-Bericht 2021 sieht die 90-90-90-Ziele zwar verfehlt, jedoch nur knapp. Probleme bereiten vor allem Länder, welche die Erfolge durch ihr politisches Handeln sabotieren.

Die schlechte Nachricht: Die ehrgeizigen 90-90-90-Ziele von UNAIDS wurden nicht erreicht. Bis 2020 sollten 90 Prozent aller HIV-Infektionen diagnostiziert sein, 90 Prozent aller Diagnostizierten sollten Zugang zu HIV-Medikamenten haben und bei 90 Prozent der Behandelten sollte kein Virus mehr nachweisbar sein. Anders ausgedrückt: 90 Prozent aller Menschen mit HIV sollten diagnostiziert sein, 81 Prozent aller Menschen mit HIV Medikamente bekommen und bei 73 Prozent aller Menschen mit HIV sollte kein Virus mehr nachweisbar sein.

Ende 2020 lag die Welt bei 81-87-91 statt bei 90-90-90

Die tatsächlichen Werte lagen dem „Global AIDS Update Report 2021“ bei 81-87-91 oder umgerechnet 84, 73 und 66 Prozent aller Menschen mit HIV: Ende 2020 kannten weltweit 84 Prozent (31,6 Millionen) der 37,7 Millionen Menschen mit HIV ihren HIV-Status, 87 Prozent davon (27,4 Millionen) oder 73 Prozent aller Menschen mit HIV hatten Zugang zu HIV-Medikamenten und bei 91 Prozent davon (24,8 Millionen) oder 66 Prozent aller Menschen mit HIV war kein Virus mehr nachweisbar.

Trotz der weltweiten Selbstverpflichtung, die Zahl der aidsbedingten Todesfälle und der HIV-Neuinfektionen bis Ende 2020 auf weniger als 500.000 zu senken, starben im vergangenen Jahr 680.000 Menschen an den Folgen von HIV und Aids, darunter fast 100.000 Kinder unter 15 Jahren.

1,5 Millionen Menschen haben sich 2020 infiziert, das waren rund 4.000 jeden Tag. 60 Prozent der Neuinfektionen entfielen auf die Länder in Subsahara-Afrika, wo nach wie vor der Großteil aller Menschen mit HIV lebt. Unter den Neuinfizierten waren gut die Hälfte Frauen und zehn Prozent Kinder unter 15 Jahren.

Weltweit ist die Zahl der HIV-Neuinfektionen seit 2010 um 31 Prozent gesunken

Die gute Nachricht: Mindestens acht Länder mit unterschiedlichen geografischen, epidemiologischen und sozioökonomischen Gegebenheiten haben die 90-90-90-Test- und Behandlungsziele erreicht, viele weitere liegen nur wenige Prozentpunkte davon entfernt. Und: Antiretrovirale Medikamente, die einst als zu teuer und zu kompliziert für Menschen in ressourcenarmen Gebieten galten, sind heute für über 27,5 Millionen in aller Welt verfügbar.

Das HIV-Risiko ist für Schlüsselgruppen der Prävention stark erhöht

Global ist die Zahl der HIV-Neuinfektionen dadurch seit 2010 immerhin um 31 Prozent gesunken, die der aidsbedingten Todesfälle um 47 Prozent. In West- und Zentraleuropa sowie Nordamerika sanken diese Zahlen um 11 bzw. 30 Prozent, in Lateinamerika, dem Mittleren Osten und in Nordafrika dagegen deutlich geringer. Ein Gegentrend zementiert sich hingegen in Osteuropa und Zentralasien. Hier sind in den vergangenen zehn Jahren sowohl die Neuinfektionen (plus 43 Prozent) und die aidsbedingten Todesfälle (plus 32 Prozent) stark gestiegen.

Das Risiko, sich mit HIV zu infizieren, war auch 2020 für Schlüsselgruppen der HIV-Prävention stark erhöht:

  • für schwule Männer und andere Männer, die Sex mit Männern haben, war es 25-mal höher als für heterosexuelle Männer
  • für Sexarbeiterinnen war das HIV-Risiko 26-mal höher als für Frauen in der Allgemeinbevölkerung
  • für trans* Frauen war es 34-mal höher als für andere Erwachsene
  • für Menschen, die Drogen injizieren, war das HIV-Risiko 35-mal höher als für nicht intravenös Konsumierende.

Als Beispiele für Faktoren, die zu diesem erhöhten Risiko beitragen, nennt der UNAIDS-Bericht die Diskriminierung oder sogar Kriminalisierung etwa von gleichgeschlechtlichen Beziehungen, von Sexarbeit oder Drogenkonsum, aber auch Hürden beim Zugang zu Informationen, Präventionsangeboten und gesundheitlicher Versorgung oder das Fehlen solcher Angebote.

Unzureichende Maßnahmen machen Erfolge in anderen Ländern zunichte

Die Erfolge leistungsstarker HIV-Programme in einzelnen Ländern werden durch unzureichende Maßnahmen in anderen Ländern wieder zunichtegemacht.

In Estland zum Beispiel führte die Ausweitung umfassender Angebote zur Schadensminimierung zwischen 2007 und 2016 zu einem landesweiten Rückgang der HIV-Infektionen um 61 Prozent und zu einem Rückgang der Infektionen bei injizierenden Drogengebraucher*innen um 97 Prozent. Im benachbarten Lettland, wo im gleichen Zeitraum Nadel-Spritzen-Programme nur in begrenztem Umfang durchgeführt wurden, stiegen die HIV-Neuinfektionen insgesamt um 72 Prozent.

Simbabwe wiederum ist ein Vorreiter bei HIV-Tests und -Behandlung. Das Land hat dafür beträchtliche Finanzmittel mobilisiert und erhielt zudem internationale finanzielle wie technische Unterstützung. Das Ergebnis: Bei 82 Prozent der Erwachsenen mit HIV unterdrücken HIV-Medikamente erfolgreich die Virusvermehrung. Im benachbarten Mosambik, das unter anderem durch den Klimawandel, politische Konflikte, hohe Armut und eine schlechte Gesundheitsinfrastruktur belastet ist, sind es nur 44 Prozent.

Die Ungleichheiten wachsen und verschärfen sich

„Die Kluft zwischen denen, für die die HIV-Bekämpfung funktioniert, und denen, für die sie versagt, wächst“, sagt UNAIDS-Chefin Winnie Byanyima. Zum einen würden Schlüsselgruppen durch Gesetze und politische Maßnahmen kriminalisiert, ihre Marginalisierung werde angeheizt und Zugang zu Dienstleistungen werde ihnen verwehrt. Zum anderen erwiesen sich bestehende und wachsende Ungleichheiten – sei es durch Armut, mangelnde Schulbildung, Geschlecht oder Herkunft – als gewaltige Barrieren für die medizinische Versorgung und die HIV-Prävention.

Ein Beispiel: 2020 nutzten etwa 845.000 Menschen in mindestens 54 Ländern eine HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) zum Schutz vor einer HIV-Infektion – 43 Prozent mehr als 2019 und 182 Prozent mehr als 2018. Ursprüngliches Ziel für 2020 aber war, dass 3 Millionen Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen die PrEP erhalten sollten.

Bei genauerer Betrachtung aber zeigt sich: Die Mehrheit der PrEP-Nutzer*innen konzentriert sich nach wie vor auf einige wenige Länder, insbesondere auf die USA, Europa und das östliche und südliche Afrika, konkret: Kenia und Südafrika.

In weiten Teilen West- und Zentralafrikas sowie Asiens und des Pazifiks hingegen ist der Zugang zur PrEP nach wie vor schlecht. Und dort, wo diese medikamentöse Form der HIV-Prävention theoretisch erhältlich ist, ist der Zugang zum Beispiel aus sozioökonomischen, geografischen oder ethnischen Gründen nicht für alle Menschen gleichermaßen gewährleistet.

„Wir haben das Wissen und die Werkzeuge, um jede einzelne neue HIV-Infektion zu verhindern und jeden Aids-bedingten Tod zu vermeiden.“ – Winnie Byanyima

„Die HIV-Epidemie schreitet in jenen Ländern und Gemeinschaften weiter voran, in denen die Benachteiligten immer noch nicht von den Errungenschaften der Wissenschaft erreicht und ihnen Menschenrechte verwehrt werden“, so Winnie Byanyima.

40 Jahre nach den ersten Meldungen zu Aids, 25 Jahre nach der Gründung von UNAIDS und 20 Jahre, nachdem der Globale Fond zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ins Leben gerufen wurde, müsse sich die globale Aids-Bekämpfung verändern, erklärte die UNAIDS-Direktorin. „Wir müssen das, was funktioniert, nutzen und ausweiten und die noch sehr viel schwierigere Arbeit leisten, die in den Daten dieses Berichts deutlich sichtbaren Ungleichheiten zu beenden.“

Die neue globale Aids-Strategie und die ehrgeizige, neue politische Erklärung der UN-Generalversammlung seien eine wichtige Grundlage dafür. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich darin unter anderem, bis 2025 auch strukturelle Maßnahmen zu ergreifen, um jene sozialen, wirtschaftlichen, ethnischen und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten zu beenden, die die Aids-Pandemie weiter antreiben.

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