PATIENTENRECHTE

Aktiv gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen

Von Gastbeitrag
Keine Angst vor HIV
In Arzt- und Zahnarztpraxen wie auch anderen Gesundheitseinrichtungen sind HIV-positive Frauen und Männer immer wieder mit Diskriminierung konfrontiert. In einer Themenwerkstatt wollen Aktivisten dieses Problem angehen. Von Sophie Neuberg

Die Themenwerkstätten der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) richten sich in erster Linie an Menschen mit HIV. Zentrale Themen wurden dafür im Rahmen der letzten Selbsthilfekonferenz „Positive Begegnungen“ identifiziert und ausgewählt. Bei den zu entwickelnden Projekten sollen Partizipation und Selbsthilfe im Vordergrund stehen: Es geht um Mobilisierung der eigenen Ressourcen und Vertretung eigener Interessen. Die Themenwerkstatt „Abbau von Diskriminierung im Gesundheitswesen“ will etwas gegen die auch heute noch weit verbreitete Diskriminierung von HIV-Positiven im Gesundheitswesen unternehmen.

Bei den ersten Treffen haben sich bereits zwei Projekte herauskristallisiert, an denen die Teilnehmer arbeiten wollen: zum einen Schulungen für medizinisches Personal, zum anderen die Entwicklung eines Online-Bewertungsportals.

Schulungen für medizinische Fachkräfte

Verschiedene Aidshilfen führen bereits Schulungen für medizinische Fachkräfte durch. Das Werkstattprojekt will dieses Angebot ergänzen, um ganz gezielt Vorurteile und Unwissen in punkto HIV zu bekämpfen.

Für Heike Gronski, DAH-Referentin für den Bereich „Leben mit HIV“, ist entscheidend, dass HIV-Positive in den Schulungen nicht nur „schmückendes Beiwerk“ sind, damit man ihnen ein paar Fragen stellen kann, sondern dass sie das Angebot selbst gestalten und als gleichberechtigte Partner auftreten. Durch ihr Wissen und ihre Erfahrung können sie Ärzte, Krankenpflege- oder Altenpflegepersonal besser für ihre Anliegen sensibilisieren, so die Hoffnung.

Alexandra Frings, Mitarbeiterin der Aids-Hilfe Aachen im Bereich „Prävention“ und Teilnehmerin der Themenwerkstatt, hat festgestellt, dass der persönliche Kontakt hilft, Ängste abzubauen und die Auseinandersetzung mit dem Thema HIV zu vertiefen.

HIV-Positive können „aus erster Hand“ über Diskriminierung berichten

So ist Medizinstudenten beispielsweise zu vermitteln, was bei der Mitteilung der Diagnose „HIV-positiv“ zu beachten ist. „Wer das Testergebnis bekommt, interessiert sich nicht für Viruslast und CD4-Zahlen, sondern hat psychosoziale Anliegen“, sagt Alexandra Frings. Dies könne den Studenten in der Schulung erläutert und begreiflich gemacht werden. Auch könne man als HIV-Positiver „aus erster Hand“ berichten, was diskriminierende Erfahrungen mit einem Menschen machen.

Alexandra Frings geht es nicht nur darum, Wissen zu vermitteln. Vor allem gelte es, Stigmatisierung und Diskriminierung abzubauen. Aufgrund der Berichte, die sie als Interviewerin bei der Befragung „positive stimmen“ gehört und gesammelt hat, ist es ihr ein großes Anliegen, etwas gegen Diskriminierung zu tun. So erzählte ihr beispielsweise eine Schwangere, die Frauenärztin habe sie gefragt, ob sie überhaupt ein Kind bekommen dürfe.

Beim Zahnarzt kommen HIV-Positive oft als Letzte dran

Auch in Zahnarztpraxen steht nicht alles zum Besten, wie „positive stimmen“ gezeigt hat. HIV-Positive bekommen dort oft nur den letzten Termin des Tages, weil die Ärzte meinen, hinterher alles besonders gründlich desinfizieren zu müssen. In München ist es Zahnmedizinstudenten nicht erlaubt, HIV-Positive zu behandeln, weil die Universität befürchtet, sie könnten sich infizieren. Mitunter kommt es sogar vor, dass zahnärztliche Behandlungen ganz verweigert werden. Bei der Umfrage kam heraus, dass jedem fünften HIV-Positiven bereits eine medizinische Behandlung verweigert wurde, mit fatalen Folgen: Diese Menschen gehen später oft nicht zum Arzt, obwohl es nötig wäre.

„In der Werkstatt sollen zunächst einmal Modellschulungen entwickelt werden“, erklärt Heike Gronski. „Die am Projekt interessierten HIV-Positiven sollen dann im Rahmen der Erwachsenenbildung  Kompetenzen erwerben, die man braucht, um selbst oder gemeinsam mit Aidshilfe-Mitarbeitern eine Schulung durchzuführen.“ Kooperationspartner der Themenwerkstättler sind die regionalen Aidshilfen. Außerdem sollen Kontakte zur Ärztekammer, zu Pflegeschulen, Berufsverbänden und anderen Institutionen intensiviert werden, um das Projekt umzusetzen.

Es gibt bereits Fortschritte zu verzeichnen: Bausteine einer Schulung für Pflegekräfte sind erarbeitet, erste Kontakte zu möglichen Partnern wurden geknüpft, ein Entwurf für einen Flyer liegt vor. Die ehrenamtlichen Teilnehmer sind alle mit großem Engagement und Begeisterung dabei.

Ein Bewertungsportal speziell zu HIV-bezogener Diskriminierung und Fachkompetenz

Das zweite Werkstatt-Projekt ist der Aufbau eines Bewertungsportals speziell zu HIV-bezogener Diskriminierung und Fachkompetenz. Bewertet werden sollen Ärzte, Krankenhäuser, Pflegedienste und andere Gesundheitseinrichtungen. Außerdem soll auf Ärztinnen und Ärzte hingewiesen werden können, die HIV-Positiven mit Akzeptanz begegnen und zugleich in Sachen HIV versiert sind. „Gynäkologen müssen beispielsweise im Blick haben, dass HIV-positive Frauen ein höheres Risiko für ein Zervixkarzinom haben“, erklärt Heike Gronski. „Und Augenärzte müssen um die Gefahr von Infektionen des Auges bei fortgeschrittener HIV-Infektion wissen.“

Bevor ein solches Bewertungsportal online gestellt werden kann, sind rechtliche Fragen zu klären. Aber das dürfte laut Heike Gronsi nicht so schwierig sein. Komplizierter wird wahrscheinlich die Entwicklung einer geeigneten Bewertungsmatrix sein, die gut genutzt werden kann. Damit Bewertungen aussagekräftig sind, müssen möglichst viele Menschen welche abgeben.

Das Bewertungsportal soll bei der Suche nach einer diskriminierungsfreien medizinischen und pflegerischen Versorgung helfen. Zusätzlich soll die Website darüber informieren, wo man sich bei negativen Erlebnissen hinwenden kann. Zum Beispiel gibt es bei der DAH eine „Kontaktstelle zu HIV-bedingter Diskriminierung“, wo Ansprechpartnerin Kerstin Mörsch Diskriminierungsfälle sammelt sowie Beratung und Unterstützung anbietet (Kontakt: gegendiskriminierung@dah.aidshilfe.de).

Hilfe im Diskriminierungsfall ist nur möglich, wenn Betroffene davon berichten

Die Aidshilfen wiederum können Kontakt zu Ärzten aufnehmen, um Probleme anzusprechen, und sich an die Krankenkassen oder auch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden, um Fälle von Diskriminierung anzuprangern. Das ist aber nur möglich, wenn Betroffene die Aidshilfen über ihre Erfahrungen in Kenntnis setzen. Über die geplante Website ließen sich noch mehr Menschen erreichen, die wegen HIV diskriminiert wurden, um ihnen aufzuzeigen, was sie dagegen tun können.

Was das Bewertungsportal angeht, steht die Themenwerkstatt noch ganz am Anfang. Bisher wurden die möglichen Inhalte der Website diskutiert, eine Bewertungsskala erarbeitet und Fragen für die Bewertungsmatrix gesammelt (z. B. „Wurde mit Ihrer HIV-Infektion vertraulich umgegangen?“).

Das Projekt ist umfangreich, gibt Heike Gronski zu (Kontakt: heike.gronski@dah.aidshilfe.de). Wer mitarbeiten möchte, kann jederzeit einsteigen. Das nächste Treffen der Themenwerkstatt wird vom 23. bis 25. Mai 2014 in Wuppertal stattfinden.

Vom 11. bis 13. April 2014 wird es in Berlin eine Fortbildung für diejenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer geben, die Schulungen für medizinisches Personal anbieten möchten. Und auf den nächsten Positiven Begegnungen, veranstaltet vom 21. bis 24. August 2014 in Kassel, soll sich die Themenwerkstatt dann einem größeren Publikum vorstellen.

1 Kommentare

alivenkickn 4. Februar 2014 12:07

„Während der Telefonaktion hatte ich ein längeres Gespräch mit eine Praxismanagerin einer großen Praxis in Dresden von denen es einige gibt. Sie sagte mir das was das Problem des WissenTransfer im Kontext zu Aus wie auch Weiterbildung von ZmedF zum Thema HIV – Infektionskrankheiten generell betrifft “einiges im Argen liegt”. Zum einen wird die Information zum Thema Infektion und Hygiene denjenigen die solche Veranstaltungen besuchen “vor die Füße geknallt “. Trockenes Auswendige lernen – Ablesen aus Infobroschüren. Zudem sind die Weiter – Fortbildungsveranstaltungen Kosten und Zeitintensiv. D.h. sie müssen idR selbst bezahlt werden und finden oftmals in der Freizeit statt. Bzgl der schulischen Ausblidung die sind schlicht und einfach eine Katastrophe. Das Thema “Infektion und Hygiene” wird sehr stiefmütterlich behandelt. Dies kommunizierte mir auch ein Mitarbeiter vom RKI.“

http://alivenkickn.wordpress.com/2013/05/30/der-zwinger-die-frauenkirche-dresdner-christstollen-und-dann-gibts-auch-in-dresden-zahnarzte/

Das ist nur eines der Probleme . . .

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