HEPATITIS-C-BEHANDLUNG

„Ein ewiges Hin und Her!“

Von Christina Laußmann
Aus Angst vor Regressforderungen der Krankenkassen scheuen sich Ärzte, chronisch Hepatitis-C-Infizierten die neuen, sehr effektiven, aber enorm teuren Medikamente zu verschreiben. Andreas Bemeleit hat das erlebt – und ließ nicht locker.

Herr Bemeleit, Sie sind Bluter und wurden vor rund 30 Jahren durch Blutprodukte mit HIV und Hepatitis C infiziert. Wann haben Sie von den Infektionen erfahren?

Das war Mitte der Achtzigerjahre. Hepatitis C kannte man zu der Zeit noch nicht. Mein Arzt sagte mir damals, ich hätte eine Hepatitis non-A/non-B. Daraus haben sich zu dem Zeitpunkt aber keine Konsequenzen ergeben. Ich hatte die Hepatitis dann irgendwann total ausgeblendet – wegen der HIV-Infektion. Das war ja damals eigentlich das Bedrohliche.

Wann wurde die Hepatitis-Infektion Thema?

Das wurde erst in den Neunzigern zum Thema, als wir die HIV-Infektion in den Griff bekommen haben. Zu dem Zeitpunkt gab es aber noch keine geeigneten Therapien, und meine Leber-Werte waren relativ gut. Vor gut zwei Jahren sind die ersten Beschwerden aufgetreten, dann kam der starke Wunsch auf, die Hepatitis zu behandeln – auch vor dem Hintergrund, dass es jetzt wesentlich bessere Medikamente gibt.

„Mein Arzt meinte, ich sei noch nicht krank genug“

Was ist seitdem passiert?

Ich habe zwei verschiedene Genotypen einer Hepatitis C, das macht die Behandlung sehr kompliziert. Seit zwei Jahren gehe ich regelmäßig mit Fachberichten über neue Hepatitis-Medikamente zu meinem Internisten, der auch meine HIV-Infektion behandelt. Er sagte aber jedes Mal, diese Medikamente würden nicht passen, die seien nicht das Richtige für mich. Diesen Sommer kam Daclatasvir auf den Markt. Ich habe einiges darüber gelesen und hatte dann die Vermutung, dass es in der Kombination mit Sofosbuvir, das auch erst seit diesem Jahr zugelassen ist, auf meine Hepatitis C passen könnte.

Sieht Ihr Arzt das auch so?

Ich habe ihn dann gefragt: Ist das nun das Richtige für mich? Woraufhin er sagte, dass es genau die Medikamente sind, die ich bräuchte. Verschreiben wollte er sie mir aber nicht. Er meinte, ich sei noch nicht krank genug, denn die neuen Medikamente seien sehr teuer, und er habe Angst, dass er von der Krankenkasse in Regress genommen werden könnte.

Wie haben Sie da reagiert?

Ich war wie vor den Kopf gestoßen, sah aber keine Möglichkeit, einzuschreiten. Ich hatte außerdem noch das Ergebnis meiner letzten Leberuntersuchung im Kopf. Damals, vor einem Jahr, ergab der Fibroscan noch einen Wert von 5,3. Damit kann man sich noch beruhigt zurücklehnen und eine Therapie abwarten.

„Er redete von Regress und den wirtschaftlichen Folgen für seine Praxis“

Sie sagten doch aber, die HCV-Infektion mache Ihnen mittlerweile Beschwerden.

Seit ungefähr einem Jahr geht es mir wesentlich schlechter. In den Muskeln und Gelenken habe ich sehr starke Schmerzen. Ich habe eine Schmerztherapeutin aufgesucht und mir starke Betäubungsmittel verschreiben lassen. Seitdem bin ich dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen. Vor drei Wochen bin ich noch mal zu meinem Internisten gegangen und habe ihm gesagt, dass ich diese Medikamente jetzt brauche, und ihn gefragt, ob er mir die Therapie jetzt verordnen kann. Er redete aber wieder von Regress und den wirtschaftlichen Folgen für seine Praxis und davon, dass er sich in letzter Zeit mehr mit Juristerei beschäftigen würde als mit Medizin – ein ewiges Hin und Her!

Andreas Bemeleit (Foto: privat)
Andreas Bemeleit (Foto: privat)

Ihre Schmerzen waren kein Argument?

Nein, und das, obwohl mir mein Arzt bestätigt, dass diese Schmerzen von der Hepatitis kommen.

Käme denn eine Interferontherapie für Sie infrage?

Mein Arzt hat mir mehrmals Interferon angeboten, aber wegen der starken Nebenwirkungen habe ich diese Therapie abgelehnt. Zu diesen gehören unter anderem Depressionen; damit bin ich bereits vorbelastet. Außerdem lag die Heilungschance gerade mal bei 40 Prozent, bei einer Behandlungsdauer von einem Jahr. Ich hatte darüber auch mit meinem Hämatologen gesprochen. Er meinte, er würde mir Interferon auf keinen Fall verschreiben, weil ich die Therapie nicht durchstehen würde.

Warum sind Sie wegen der Hepatitis nicht zu einem anderen Arzt gegangen?

Ich wohne in der Nähe von Hamburg. Es gibt zwar eine große Auswahl von Ärzten, die im Bereich HCV und HIV tätig sind, aber ein großer Teil gehört zu der Praxisgemeinschaft meines Arztes. Und dann habe ich ja nicht nur die Hepatitis-C-Infektion und HIV, sondern auch noch die Bluterkrankheit. Es dauert immer sehr lange, bis ich einen Arzt gefunden habe, der diese drei Erkrankungen zusammenbringen kann. Es braucht viele Gespräche, um zueinander zu finden und Vertrauen aufzubauen.

Es geht noch teurer: ca. 700.000 Euro für Faktor VIII im letzten Jahr

Haben Sie anderes versucht?

Ich habe meine Krankenkasse angeschrieben und ihr meinen Fall geschildert. Sie hat mich dann angerufen und mir gesagt, dass mein Arzt mir die Medikamente verschreiben kann, wenn er die medizinische Notwendigkeit eindeutig begründet. Danach würden sie meinen Fall prüfen und gegebenenfalls bezahlen. Vor dieser Prüfung hat mein Arzt aber Angst, weil ein Veto meiner Krankasse für ihn die Insolvenz bedeuten würde.

Noch eine Sache finde ich hierbei wichtig: Meine drei chronischen Erkrankungen dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Die Muskel- und Gelenkschmerzen können auch von nicht sichtbaren Blutungen kommen. Bei so einem Verdacht muss ich mir zwingend den mir fehlenden Faktor VIII spritzen. Dieses Medikament ist wesentlich teurer als die neuen Hepatitis-C-Medikamente, die circa 1.000 Euro am Tag kosten, während für die Faktor-VIII-Spritzen auch mal mehr als 4.000 Euro am Tag anfallen. Mein Hämatologe sagte mir, dass meine Krankenkasse im letzten Jahr circa 700.000 Euro für den Faktor VIII bezahlen musste. Der Betriebswirt in mir sagt, dass die Therapie meiner Hepatitis C eine gute Investition für meine Krankenkasse ist.

Seit ein paar Tagen nehmen Sie nun aber die neuen, teuren Medikamente. Wie kam es dazu?

Meine Frau kam auf die Idee, noch mal meine Leberwerte messen zu lassen. Die 5,3 der letzten Messung ist ja nun schon ein Jahr alt. Ich bin also wieder zum Fibroscan, der diesmal einen Wert von 11,9 ergeben hat – das ist kurz vor der Zirrhose. Das war ein großer Schreck! Ich hätte nicht gedacht, dass sich innerhalb eines Jahres der Wert auf 11,9 verschlechtert.

„Ich gehe hier nicht ohne Rezept wieder raus!“

Und dann hat Ihnen Ihr Arzt die neuen Medikamente verschrieben?

Erst mal fing er schon wieder mit möglichen Regressforderungen an. Ich bin dann aber sehr deutlich und energisch geworden und habe gesagt, ich gehe hier nicht ohne Rezept wieder raus. Dann hat er mir widerstrebend das Rezept ausgestellt.

Ab welchem Wert wäre es Ihrem Arzt denn leichter gefallen, die Medikamente zu verschreiben?

Er sagte, bei einer Zirrhose könnte er mir die Medikamente verschreiben.

Was erwartet Sie in den nächsten Wochen jetzt nach Beginn der Therapie?

In zwei Wochen ist Blutkontrolle, da wird gemessen, ob die Medikamente wirken und ob die Therapie weitergehen kann.

Wie sehen die Heilungschancen aus?

Die liegen bei mehr als 90 Prozent, bei einer Behandlungsdauer von drei Monaten. Das finde ich schon sehr beeindruckend.

Und wie geht es Ihnen mit Ihrer HIV-Infektion?

Nach vielen Umstellungen der Medikation habe ich jetzt eine Therapie, die wirksam ist und mit deren Nebenwirkungen ich mich arrangieren kann.

Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute!

Gemeinsam mit seiner Frau hat Andreas Bemeleit im Jahr 2010 das Netzwerk Robin Blood gegründet, das sich für die Entschädigung der HIV- und HCV-Infizierten einsetzt, die in den 1980er-Jahren durch Blutprodukte infiziert wurden.

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