Eine Zwei-Monats-Spritze zum Schutz vor HIV mit dem HIV-Wirkstoff Cabotegravir hat sich laut Zwischenergebnissen einer Studie als hoch wirksam und sicher anwendbar erwiesen.

Für die medikamentöse HIV-Prophylaxe PrEP dürfte es also bald eine weitere Option geben: Neben der täglichen oder der anlassbezogenen Einnahme einer Tablette mit den HIV-Wirkstoffen Tenofovir und Emtricitabin kann man sich nach der Zulassung alle zwei Monate ein Depotpräparat in die Gesäßmuskulatur injizieren lassen.

HIV-Schutz per Spritze ins Gesäß

Erwiesen wurden Wirksamkeit und Sicherheit durch die Zwischenauswertung einer Studie mit dem Namen HPTN 083. Daran nehmen seit 2016 weltweit rund 4.600 cis Männer sowie trans* Frauen teil, die Sex mit Männern haben. Der Anteil der trans* Frauen liegt bei 12 Prozent, der Anteil der unter 30-Jährigen bei zwei Dritteln.

  • Eine Hälfte bekam zunächst neun Wochen lang täglich Cabotegravir als Tablette (um zu sehen, ob der Wirkstoff vertragen wird, und die Tabletten notfalls absetzen zu können) plus ein Placebo in Form der PrEP-Tablette; anschließend bekamen die Teilnehmer_innen alle acht Wochen eine Depotspritze mit Cabotegravir plus täglich eine Placebo-Tablette.
  • Die andere Hälfte bekam zunächst neuen Wochen lang täglich eine PrEP-Tablette mit den Wirkstoffen Tenofovir und Emtricitabin plus täglich eine Placebo-Tablette, anschließend dann alle acht Wochen eine Placebo-Spritze plus täglich eine wirksame PrEP-Tablette.

Bis Ende April 2020 wurden zwölf HIV-Infektionen in der Cabotegravir-Gruppe festgestellt und 38 in der gleich großen Gruppe, die Tenofovir plus Emtricitabin erhielt.

Studie HPTN 083 wegen erwiesener Cabotegravir-Wirksamkeit geöffnet

Aus diesem Grund und weil aufgrund der COVID-19-Krise elf der insgesamt 43 beteiligten Einrichtungen schließen mussten, wurde jetzt die Studie in der geplanten Form beendet. Den Teilnehmer_innen, die bisher eine Placebo-Spritze plus PrEP-Tabletten bekamen, werden künftig die Cabotegravir-Spritzen angeboten (man nennt dies Open-Label-Studie).

Die später begonnene Schwesterstudie HPTN 084 zur Wirksamkeit von Cabotegravir im Vergleich mit der Tenofovir/Emtricitabin-PrEP bei 3.200 afrikanischen Frauen mit erhöhtem Infektionsrisiko soll vorerst weitergeführt werden. Zwischenergebnisse könnten im November vorliegen.

Unterschiede in der Wirksamkeit könnten an der Therapietreue liegen

Ein Grund für die Unterschiede in beiden Studienarmen von HPTN 083 könnte in der sogenannten Adhärenz liegen, auf Deutsch „Therapietreue“. Gegenüber aidsmap.com teilte ein Sprecher des Cabotegravir-Herstellers mit, dass laut einer Untersuchung von 400 Teilnehmer_innen des Tenofovir/Emtricitabin-Arms wahrscheinlich 83 Prozent mindestens vier Tabletten pro Woche nahmen, was als ausreichender HIV-Schutz gilt (75 Prozent nahmen täglich eine Tablette).

Warum sich im Cabotegravir-Studienarm trotz 100-prozentiger Adhärenz 12 Teilnehmer_innen mit HIV infizierten, soll in den nächsten Monaten erforscht werden. Möglicherweise geschahen die Infektionen in der Anfangsphase, als Cabotegravir noch als Tablette verabreicht wurde und Tabletten vergessen oder ausgelassen wurden. Eine andere Vermutung ist, dass Cabotegravir bei Menschen mit geringerem Body Mass Index (BMI) schneller abgebaut wird.

Die eigentlich geplante dritte Phase der Studie HPTN 083 entfällt: In dieser Phase wäre 48 Wochen lang wieder auf die PrEP mit Tenofovir und Emtricitabin umgestellt worden, um das langwirkende Cabotegravir „auszuschleichen“.

Cabotegravir-Spritzen: 80 Prozent haben Nebenwirkungen, die aber meist erträglich sind

Die Cabotegravir-Injektionen sind offenbar nicht ohne Nebenwirkungen: 80 Prozent der Teilnehmer_innen aus diesem Studienarm klagten über Schmerzen und Druckempfindlichkeit an der Injektionsstelle, die zumindest zu einem Teil auf das Medikament selbst zurückzuführen ist – im Studienarm mit den Placebo-Spritzen waren es nur 31 Prozent. Allerdings haben nur zwei Prozent der Cabotegravir-Empfänger_innen deshalb die Studie abgebrochen.

Die neue PrEP-Option erweitert die Schutzmöglichkeiten

Im Wissenschaftsmagazin Science rückte Autor Jon Cohen die Zwei-Monats-Spritze in die Nähe einer Impfung: „Es ist kein Impfstoff gegen Aids, kommt dem aber bisher am nächsten.“

Cohen zitiert auch den Epidemiologen Jared Baeten: Baeten hofft, die neue Optionen könne mehr Menschen dazu bringen, die PrEP auszuprobieren.

Wann Cabotegravir zur HIV-Therapie und zur PrEP zugelassen wird, ist noch unklar. Der Hersteller plant nach eigenen Angaben, die Spritze auch in Ländern mit niedrigen Einkommen zur Verfügung zu stellen. Mögliche Preise sind ebenfalls nicht bekannt.

(ascho/hs)

Weiterführende Informationen:

Beitrag auf aidsmap.com

Pressemitteilung von ViiV

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Holger Sweers

Holger Sweers, seit 1999 als Lektor, Autor und Redakteur bei der Deutschen Aidshilfe, kümmert sich um die Redaktionsplanung des Magazins.

1 Kommentar

  1. Ach ja das gute Cabotegravir als Prep, nette Idee aber scheinbar wurde auch hier verschwiegen dass nach einem beenden der Prep noch über 48 Wochen Wirkstoffsspiegel zu beobachten sind, die unterhalb des therapeutischen Wirkspiegels liegt. In so einem Fall kann es zu einer Infektion kommen und das Risiko einer Resistenzentwicklung ist stark erhöht. Käme es in diesem Kontext dann zu einer Resistenz so ist die komplette Wirkstoffgruppe der Integraseinhibitoren dahin. Auch beim Hersteller scheint diese Problematik nicht bewusst gewesen zu sein in der ganzen Euphorie. Heißt am Ende Prep als Spritze bedeutet 2 Jahre Truvada im Anschluss.

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