schadensminimierung

Drug-Checking: Thüringen hat die Lösung!

Von Holger Sweers
© DAH | Bild: Renata Chueire

Psychoaktive Substanzen auf Inhaltsstoffe und deren Stärke testen, um Gesundheitsschäden zu minimieren: Drug-Checking ist endlich auch in Deutschland legal möglich – dank einer Lösung aus Thüringen.

Seit Jahren versuchen Aktivist*innen aus der Safer-Nightlife-Bewegung, Drug-Checking-Angebote zu etablieren, um die Risiken für Substanzgebraucher*innen beim Clubbing oder bei Partys und Raves zu minimieren. Dass das nötig ist, zeigt einmal mehr der sogenannte Rauschgiftlagebericht 2020 des Bundeskriminalamts und der Bundes-Drogenbeauftragten: 2020 sind in Deutschland über 150 Menschen nach dem Konsum von Amphetaminen („Speed“), Methamphetaminen („Crystal Meth“) oder verwandten Substanzen wie MDA, MDE oder MDMA gestorben.

Drug-Checking: Wissen, was und wie viel drin ist

Ursache für Drogennotfälle oder Drogentodesfälle ist häufig, dass die User*innen nicht wissen, was und wie viel davon in ihren Pillen, Pulvern oder Kristallen enthalten ist. Drug-Checking, die chemische Analyse von psychoaktiven Substanzen auf ihre Inhaltsstoffe und möglichst auch deren Gehalt, am besten im Rahmen eines Beratungsangebots, kann daher Leben retten. In anderen Ländern ist Drug-Checking seit Jahren etabliert, etwa in den Niederlanden (seit 1988 im Rahmen des Drugs Informatie en Monitoring Systeem/DIMS), Österreich (checkit Wien), der Schweiz (zum Bespiel im Drogeninformationszentrum DIZ der Stadt Zürich), Frankreich, Spanien oder Großbritannien.

Auch in Deutschland hat es schon früh Drug-Checking-Initiativen gegeben, etwa ein 1995 von Eve & Rave Berlin gestartetes Angebot, das allerdings schon 1996 eingestellt werden musste, nachdem gegen Mitglieder der Initiative wegen „unbefugten Umgangs mit Betäubungsmitteln“ ein mehrjähriges Justizverfahren angestrengt worden war.

Lebensrettendes Drug-Checking: In Nachbarländern längst erfolgreich etabliert

Seither ist es noch in keinem Bundesland gelungen, ein solches Angebot zu etablieren. Auch das zuletzt im Juni 2019 für Berlin angekündigte Drug-Checking-Projekt, das von der rot-rot-grünen Landesregierung bewilligt worden war und juristisch „wasserdicht“ sein sollte, ist im August 2021 immer noch nicht gestartet. Wie man hört, stellte sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, kurz BfArM, quer – es untersteht letztlich dem Bundesinnnenministerium.

Das Land Hessen ist deshalb gegen das BfArM vor Gericht gezogen, um auf diesem Weg ein geplantes Drug-Checking-Modellprojekt doch noch durchzusetzen – eine Entscheidung ist bisher nicht gefallen.

Drug-Checking in Deutschland: Hat Thüringen die Lösung?

Doch nun scheint Thüringen eine Lösung gefunden zu haben – im wahrsten Wortsinn. „SubCheck“, das Drug-Checking Pilotprojekt der SiT – Suchthilfe in Thüringen, hat im Landesauftrag an der Umsetzung von Angeboten der integrierten Substanzanalyse im Partykontext gearbeitet. Mit vollem Erfolg: Gemeinsam mit der „Drogerie“, dem Safer-Nightlife Projekt desselben Trägers, und dem Kooperationspartner „miraculix“ konnten Mitte Juli bis Anfang August bereits erste Drug-Checking Einsätze im Thüringer Nachtleben durchgeführt werden.

Der Clou: Die Partygänger*innen werden selbst zu Laborassistent*innen und bereiten die zu untersuchenden Proben vor, das heißt, sie wiegen die für die Analyse benötigte Menge mit einer Feinwaage ab und geben sie in eine chemische Lösung, welche die Substanzen aufspaltet und damit als Drogen unbrauchbar macht. Die Mitarbeiter*innen des Labors nehmen erst diese aufgelösten Substanzen entgegen, haben also keinen Umgang mit Betäubungsmitteln. Im Anschluss können sie ihre Untersuchungen nach allen Regeln der chemischen Kunst durchführen und die User*innen über die Inhaltsstoffe und Wirkmengen in ihren analysierten Proben informieren.

Die Lösung: Die analysierenden Chemiker*innen haben keinen Umgang mit Betäubungsmitteln

Hat Thüringen also im wahrsten Sinne die Lösung gegen den deutschen Drug-Checking-Stillstand gefunden? Die Hauptamtlichen von SubCheck, Patrick Krauße und Sebastian Franke, sind erst einmal froh, dass das Projekt gut angelaufen ist und das Vertrauen der User*innen gewinnen konnte: Beim ersten Einsatz Ende Juli 2021 konnten 18 und beim zweiten Einsatz Anfang August 13 Proben von Partydrogen-User*innen analysiert werden.

Hoffnung auf Fortsetzung des erfolgreich angelaufenen Projekts

Ergebnis: In manchen Proben konnte überhaupt keine psychoaktive Substanz gefunden werden, während ein Stoff neben der erwarteten Substanz MDMA auch Amphetamin und Methamphetamin enthielt oder eine Ecstasy-Pille extrem hoch dosiert war.

Die Partygänger*innen waren froh, ihren Konsum auf Grundlage dieser Ergebnisse bedenken zu können und den auf den Konsum zu verzichten oder die konsumierte Menge zu reduzieren.

SubCheck hofft nun auf die Fortsetzung des vorerst bis Ende des Jahres befristeten Pilotprojekts – gerade im Hinblick auf die Thüringer Haushaltsverhandlungen für 2022.

„Langfristig brauchen wir Drug-Checking-Angebote flächendeckend“

Die positiven Erfahrungen aus den ersten Einsätzen stimmen die Mitarbeitenden dabei trotz der schwierigen politischen Bedingungen optimistisch, zumal die Trägerorganisation des Projekts, die SiT – Suchthilfe in Thüringen gemeinnützige GmbH, eng mit dem Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) zusammenarbeitet und auch sonst gute Kontakte zu politischen und außerpolitischen Akteur*innen der Suchtprävention und Suchthilfe hat.

Großes Interesse an Thüringer Drug-Checking-Lösung

Auch über Thüringen hinaus ist das Interesse an der „Thüringer Lösung“ groß: Nach den ersten Meldungen auf der Homepage des Projekts und auf Seiten wie lucys-magazin.com und fazemag.de klingelt immer wieder das Telefon des Drogerie-Projektes, weil Leute aus anderen Safer-Nightlife-Projekten, Aids- und Drogenhilfen von der guten Nachricht gehört haben und Näheres wissen wollen.

Die Mitarbeitenden von SubCheck freut das sehr: „Das ist nur der erste Schritt, hoffen wir. Langfristig brauchen wir Drug-Checking-Angebote flächendeckend. Denn ein solches Angebot ist im Zweifelsfall lebensrettend“, sagt Sebastian Franke.

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