Auf dem Pornfilmfestival Berlin feiert „Max und die Anderen“ Deutschlandpremiere. Statt explizite Sexszenen zeigt Richard Rossmanns Dokumentarfilm die sexuelle Selbstverwirklichung dreier Männer sowie deren Leben mit HIV.

Sex kann ganz schön in Arbeit ausarten, zumal, wenn man damit auch sein Geld verdient. Max, Anfang 60, hat sich in seiner Kreuzberger Wohnung für den Sex eigens ein „Spielzimmer“ eingerichtet. Bevor er seine Escortkunden in seiner Wohnung empfängt, wird alles akribisch vorbereitet, die Ledermontur angelegt, der Sling aufgehängt.

Dieser ist ebenso handgefertigt wie die ansehnliche Peitschenkollektion, und selbst das Gleitmittel für die Fistspiele ist hausgemacht. Wenn der bullige Max in seiner praktischen Handwerkerlatzhose in seiner Küche steht, die Zutaten erläutert und mit dem Mixer verrührt, verwandelt sich der Dokumentarfilm in eine TV-Kochshow.

Doch der österreichische Filmemacher Richard Rossmann macht seinen Protagonisten keineswegs lächerlich. Diese kleine Episode ist ebenso wenig reißerisch wie die vielen anderen Momentaufnahmen aus Max’ Alltag, in dem Sex eine nicht unwesentliche Rolle spielt: beim Cruising in der Schwulensauna oder zu Hause im Spielzimmer mit Escortkunden oder Freunden.

Freunde wie Jan, mit dem ihn seit zwei Jahrzehnten auch eine sexuelle Freundschaft verbindet. Oder wie Dima aus Kiew: Den Mittdreissiger hat er über ein schwules Kontaktportal kennengelernt. Statt nur ein Sexdate hat Dima gleich seinen ganzen Berlin-Aufenthalt mit Max verbracht.

Frei von jeglichem Voyeurismus

Auch wenn „Max und die Anderen“ nach Screenings auf Festivals, unter anderem in Thessaloniki, Rom und Chicago, nun beim Pornfilmfestival Berlin Deutschlandpremiere feiert, sollte der Zuschauer explizite Sexszenen nicht erwarten. Rossmann, Jahrgang 1971, geht es vielmehr darum, ganz entspannt und frei von jeglichem Voyeurismus, Einblicke in die Lebensmodelle und sexuelle Selbstverwirklichung seiner drei Protagonisten zu geben. Und genauso unaufgeregt und offen wie man über das Sexleben spricht, wird auch das Leben mit HIV thematisiert.

Bei Jan wie bei Max ist die tägliche Tabletteneinnahme ein fixes Ritual. Max legt sich seine diversen Pillen auf einem Zinntellerchen zurecht. Der ist, wie die in seinem Kleiderschrank sorgfältig aufbewahrte Ausgehuniform, eines der wenigen Relikte aus seiner achtjährigen Dienstzeit bei der Bundeswehr. Seit 1999 ist er aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen berentet. Safer Sex ist sein unumstößliches Credo.

Jan lebt bereits seit 1996 mit seinem positiven Testergebnis, einige Jahre danach wurde bei ihm zudem eine Hepatitis-C-Infektion festgestellt. Die gesundheitlichen Probleme nahmen zu, bis er wegen HIV-bedingter Wahrnehmungsstörungen in Frührente gehen musste.

Auch Dima muss mit so einer Doppel-Infektion klarkommen, die bei einer Routineuntersuchung zufällig zutage kommt. Doch in seiner Heimat möchte er sich nicht behandeln lassen. Für Max ist dies das Signal, die Fernbeziehung in eine feste Lebensgemeinschaft samt eingetragener Partnerschaft zu verwandeln und Dima ganz nach Berlin zu holen.

Von Kiew nach Berlin

Der amtlichen Zeremonie auf einem Berliner Standesamt folgt bald ein Besuch bei Dimas Eltern in Kiew – Szenen der größtmöglichen Diskrepanz. So frei und offen Dima in Berlin seine Sexualität auslebt, so verschwiegen ist er gegenüber seiner Familie, auch von der HIV-Infektion weiß sie nichts. Die Küchengespräche sind befremdlich und wortkarg, und das nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Sprachen.

Auch in Hessen, in der streng religiösen Familie von Max’ Schwester ist man etwas überfordert, hier jedoch mehr von der Mitteilungsfreude des Sechzigjährigen – gerade was intime Angelegenheiten angeht. Hier wie dort kann der freundliche Umgang miteinander nicht verbergen, wie fremd man sich ist, wie unterschiedlich die Welten sind, in denen man lebt.

Nach der Deutschlandpremiere am 24. und 25. Oktober im Rahmen des Pornfilmfestival Berlin wird „Max und die Anderen“ auch am 19. November beim Queer Filmfestival Rollenwechsel Oldenburg zu sehen sein. Für 2015 sind weitere, reguläre Kinoeinsätze und die DVD-Veröffentlichung geplant.

Bis dahin wird die Dokumentation allerdings noch weiter zu Filmfestivals reisen. Besonders spannend dürfte Ende Oktober die Vorführung beim Internationalen Filmfestival Kiew werden.

„Max und die Anderen“. Österreich/Deutschland 2013. Regie Richard Rossmann. Mit Max Finger, Dmytro Lisnychyi, Jan Grosser. 78 min.

Offizielle Filmwebseite zu „Max und die Anderen“

 

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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