Besonders in der Hochphase der Aidskrise Ende der 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre protestierte die ACT-UP-Bewegung für eine wirksame Aidspolitik. Wir haben dazu eine Bildergalerie zusammengestellt
Es war die erste der spektakulären und medienwirksamen Aktionen von ACT UP – der „AIDS Coalition to Unleash Power“ (zu Deutsch: „AIDS-Koalition, um Kraft freizusetzen“), die kurz zuvor vom Schwulenaktivisten Larry Kramer und anderen gegründet worden war.
Die Gruppe hatte sich angesichts der katastrophalen Folgen der Aidskrise und aus Wut über die Tatenlosigkeit der Politik gegründet. Hier fanden Menschen mit und ohne HIV, unterschiedlicher sexueller Orientierungen und aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen zusammen, um öffentlichkeitswirksam Druck auf die Verantwortlichen auszuüben.
Im Anschluss gründeten sich auch in anderen Städten und Ländern ACT-UP-Gruppen, von denen einige bis heute aktiv sind.
Die folgende Galerie mit Bildern zur Geschichte von ACT UP in den USA und in Deutschland ruft wichtige Momente, Aktionen und Akteur_innen dieser Bewegung in Erinnerung:
Der Rosa Winkel, mit dem man in den NS-Konzentrationslagern Homosexuelle kennzeichnete, wurde in den 70er-Jahren als Symbol der Homosexuellenbewegung übernommen. Von Aidsaktivist_innen 1987 umgedreht (statt auf der Spitze stand das Dreieck jetzt auf der Basis) wurde es so, verbunden mit dem Slogan „Silence = Death“ (Schweigen bedeutet Tod), zum Logo von ACT UP.
Bereits kurz nach der Gründung 1987 gelang ACT UP in New York ein erster medienwirksamer Coup – mit einem „Die-In“, einem symbolischen „Sich-tot-Stellen“ in der Öffentlichkeit in der Wall Street. Protestiert wurde für einen freien Zugang zu den ersten HIV-Medikamenten, deren überhöhte Preise kritisiert wurden. (Abbildung: Ausschnitt aus der „New York Times“ vom 25. März 1987). Ein Beitrag zur Wall-Street-Aktion findet sich unter https://magazin.hiv/2012/03/24/die-kraft-der-wut/
US-Präsident Ronald Reagan schaute der Epidemie viel zu lange tatenlos zu und wurde dafür von ACT UP immer wieder hart angegriffen.
(Szene aus „How to Survive a Plague“ von David France)
Rund 1500 Menschen beteiligten sich am 11. Oktober 1988 bei einem „Die-In“ vor der Food and Drug Administration. Sie legten die für Arzneimittel zuständige US-Behörde für einen Tag komplett lahm. Ein Banner trug die Aufschrift „Federal Death Administration“, die Demonstrant_innen skandierten „Hey, hey, FDA, how many people have you killed today?“. 120 Aktivist_innen wurden an diesem Tag verhaftet. (Foto aus der Filmdokumentation „United in Anger“ von Jim Hubbard)
San Francisco 1993: ACT-UP-Aktivist_innen erinnern an die an Aids verstorbenen Menschen in ihrer Community. (Foto aus dem Film „We were here“)
„Wenn ich an Aids gestorben bin, vergesst die Beerdigung. Packt meine Leiche einfach auf die Stufen der F.D.A.“ Der US-Künstler und Aktivist David Wojnarowicz 1988 bei einer ACT-UP-Aktion vor der US-Arzneimittelbehörde F.D.A. Er starb vier Jahre später. Wojnarowiczs Lebensgefährte entleerte seine Urne in den Garten des Weißen Hauses. (Foto: Bill Dobbs)
Wie groß die aufgestaute Verzweiflung und Wut angesichts der tatenlosen US-Regierung waren, zeigte sich 1996 in einer beispiellosen Aktion: Aus Protest schütteten Hinterbliebene die Asche ihrer an Aids verstorbenen Angehörigen über den Zaun des Weißen Hauses – darunter auch jene des Künstlers und Aidsaktivisten David Wojnarowicz. (Foto aus „How to Survive a Plague“)
Der Filmhistoriker Vito Russo, Autor des grundlegenden Buches über das lesbisch-schwule Kino („The Celluloid Closet“, dt. „Die schwule Traumfabrik“), widmete seine letzten Lebensjahre ganz ACT UP. Er starb 1990 an den Folgen von Aids. (Foto: Rick Gerhardter aus Jeffrey Schwarz‘ Dokumentation „Vito“/HBO)
Bei ACT UP engagierten sich Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Wie in anderen Bereichen der HIV-Community solidarisierten sich auch viele lesbische Frauen. Beim International Dyke March in New York 1994 bildeten sie einen eigenen Block.
Der Berliner Journalist und Aktivist Andreas Salmen gründete die erste deutsche ACT-UP-Gruppe in Berlin. Unter dem Titel „Feuer unterm Arsch“ veröffentlichte er 1991 in der Reihe „AIDS-FORUM D.A.H“ eine Bestandsaufnahme der ACT-UP-Bewegung in Deutschland und in den USA. (Abb.: DAH)
Am 1. September 1991 kaperten ACT-UP-Aktivist_innen aus ganz Deutschland den Frankfurter Dom und protestierten so gegen die Haltung der katholischen Kirche zu HIV und Aids. Wenige Tage später sorgte eine ähnliche Aktion im Dom zu Fulda bundesweit für Aufsehen. (Foto Ulrich Würdemann)
29. September 1991: Zum Abschluss der Herbsttagung der Deutschen Bischofskonferenz protestieren Aktivist_innen gegen diffamierende Äußerungen des Fuldaer Bischofs Dyba. Demonstrant_innen werden von Kirchenbesucher_innen hinausgeprügelt, auch einige der anwesenden Pressevertreter_innen werden im Handgemenge verletzt. Die Gottesdienstbesucher_innen sind so aufgebracht, dass einer der Bistumsmitarbeiter um Leib und Leben der Demonstrierenden fürchtet. Zum ersten und wahrscheinlich einzigen Mal wird eine deutsche ACT-UP-Aktion in der 20-Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“ vermeldet.
Die Berliner ACT-UP-Gruppe protestierte 1989 vor dem Bürogebäude der Gesundheitssenatorin für eine bessere Finanzierung der HIV-Prävention und Versorgung der Erkrankten. (Foto: Johanes Aevermann)
22 ACT-UP-Protest im Rahmen des Welt-AIDS-Kongresses in Hamburg 1990 gegen die Preispolitik der Pharmaindustrie. (Foto: Florian Wuest)
Die 1992 erstmals in Berlin gezeigte Ausstellung „Auslöser“ vereinte Fotografien, die die öffentliche und politische Auseinandersetzung von Schwulen mit Aids und den gesellschaftlichen Folgen in Deutschland dokumentierte. Das Plakatmotiv stammt vom Fotografen Jürgen Baldiga. Die vom ACT UP-Aktivisten Patrick Hamm kuratierte Schau wurde in den Folgejahren in vielen weiteren Städten gezeigt. Das 1997 erschienene Begleitbuch (mit einem Covermotiv des 1993 verstorbenen Jürgen Baldiga) ist auf aidshilfe.de abrufbar:
https://www.aidshilfe.de/shop/archiv/ausloser-schwule-kampf-gegen-aids-seit-1983
Die jüngste ACT-UP-Gruppe formierte sich 2016 in Dublin. Sie engagiert sich insbesondere für einen besseren Zugang zur PrEP und fordert vom Pharmahersteller Gilead eine Senkung des Verkaufspreises. (Foto: GCN Mag)
Weitere Informationen zu ACT UP finden sich hier:
Internetseite von ACT UP New York mit zahlreichen Dokumenten zur Geschichte und den Zielen von ACT UP.
„ACT UP in Deutschland: Vier Jahre des Protests“ (magazin.hiv, Dezember 2017): Rezension des Buchs „Schweigen = Tod, Aktion = Leben“, in dem der HIV-Aktivist Ulrich Würdemann die Geschichte von ACT UP in Deutschland nachzeichnet
„Bei ACT UP ging es nicht um bedauernswerte Opfer“ (magazin.hiv, November 2017): Interview mit Robin Campillo, ACT-UP-Aktivist, Regisseur und Drehbuchautor, dessen gefeiertes Spielfilmdrama „120 BPM“ Ende November 2017 in die Kinos kam
„120 Schläge pro Minute“ (magazin.hiv, November 2017): Besprechung des Films „120 BPM“ von Robin Campillo, der mit emotionaler Wucht und nah an der Realität die Auswirkungen der Aidskrise Anfang der 1990er-Jahre und den couragierten Kampf der Pariser ACT-UP-Aktivist_innen zeigt
„Randalierende Aids-Positive“ (magazin.hiv, September 2016): Kalenderblatt zum 29. September 1991, als zum Abschluss der Herbsttagung der Deutschen Bischofskonferenz im Dom zu Fulda ACT-UP-Aktivist_innen gegen diffamierende Äußerungen des Fuldaer Bischofs Dyba protestierten
„So jung und schon so böse!“ (magazin.hiv, Dezember 2015): Elmar Kraushaar erinnert an den Schwulen- und Aidsaktivisten Andreas Salmen, Gründer der ersten deutschen ACT-UP-Gruppe in Berlin
„Aids-Geschichte wird gemacht“ (magazin.hiv, Mai 2015): Beitrag zu einem Abend mit dem ehemaligen ACT-UP-Aktivisten Peter Staley in der Humboldt-Universität zu Berlin und zur Frage, wie die Geschichte der Aidsbewegung bewahrt werden kann
„Ein Leben lang Aktivist“ (magazin.hiv, Februar 2013): Beitrag zur Filmdokumentation „Vito“ zum Leben und Wirken von Vito Russo (1946–1990), Begründer und Motor einer ganzen Reihe schwul-lesbischer Organisationen in den USA und einer der bedeutenden Köpfe von ACT UP
„Die Kraft der Wut“ (magazin.hiv, März 2012): Interview mit der Politologin und Journalistin Corinna Gekeler, die viele Jahre auf europäischer Ebene für ACT UP aktiv war und zu den ACT-UP-Vorbereitungsteams der Welt-Aids-Konferenzen in Amsterdam (1992) und Berlin (1993) gehörte
„Die singende Nervensäge“ (magazin.hiv, Dezember 2011): Porträt des Schriftstellers und Aids-Aktivisten Larry Kramer, der 1982 die New Yorker Gay Men’s Health Crisis (GMHC) gründete, eine der ersten schwulen Aids-Selbsthilfeorganisationen, und 1987 zu den Mitbegründern von ACT UP gehörte
Fotoband „Auslöser“ (von 1993, zur Online-Ansicht auf aidshilfe.de): Der Band ist eine Fotodokumentation der Ausstellung ‚Auslöser- Schwule im Kampf gegen AIDS‘ von 1992 und zeigt über 100 Fotos von Aktivist_innen und Aktionen gegen AIDS der ersten 10 Jahre.
80 Jahre wäre er jetzt. Doch Klaus Nomi starb 1983 als einer der ersten Prominenten an den Folgen von Aids. Monika Hempel erzählt in „Klaus Nomi. Stimme im Orbit“ erstmals seine Geschichte auf Deutsch.
Die AfD inszeniert sich als „Partei der kleinen Leute“. In Wirklichkeit aber verfolgt sie einen zutiefst unsozialen Kurs. Ihr Rassismus und ihre Menschenverachtung sind dabei nicht zu übersehen.
Tag für Tag erleben BIPoC in Deutschland rassistische Diskriminierung – auch im Gesundheitswesen. Hier trifft es sie in besonders vulnerablen Situationen. Studien belegen dringenden Handlungsbedarf.