FERNSEHEN

Das etwas andere Bildungsfernsehen

Von Axel Schock
Die erfolgreiche südafrikanische TV-Soap „Soul City“ ist einmalig auf der Welt: Woche für Woche hält sie mit fesselnden Geschichten die Zuschauer in Bann – und klärt nebenbei über HIV und Aids auf.

Alltagsdramen aus der südafrikanischen Wirklichkeit. Szene aus der TV-Serie „Soul City“ (Foto: Soul City Institute)

Für Lebo bricht die Welt zusammen, als ihr HIV-Routinetest, wie er für alle schwangeren Frauen empfohlen wird, positiv ausfällt. Doch anstatt sich um sie zu kümmern, wirft ihr Mann Zimele ihr in dieser schwierigen Situation Untreue vor. Damit nicht genug:  Zufällig begegnet Lebo in einer HIV-Gesprächsgruppe ausgerechnet jener Frau, mit der Zimele sie offensichtlich schon seit Längerem betrogen hat. Wut, Trauer, Eifersucht, Panik und Misstrauen – eine ganze Palette heftiger Gefühle kommen im Schicksal der jungen Lebo zusammen und machen sie zu einer starken Identifikationsfigur.

Eine TV-Serie als Medium der HIV-Prävention.

Über vier Millionen Zuschauer verfolgen in Südafrika Woche für Woche ihr Schicksal und das der anderen Figuren der seit 1996 laufenden Fernseh-Serie „Soul City“. Die Einschaltquoten sind auch in der zehnten Staffel noch gleichbleibend hoch. Was diese klassische TV-Soap-Mischung aus Drama, Spannung und großen Emotionen Serie allerdings weltweit wohl einmalig macht: Entwickelt wurde sie ursprünglich von Ärzten eines Township in Johannesburg als populäres Medium zur HIV-Prävention.

Produziert wird die Serie vom „Soul City Institute“, einer Nichtregierungsorganisation für Gesundheits- und Entwicklungskommunikation in Johannesburg. Neben der „Soul City“ werden unter anderem auch eine Kindersendung, Zeitungen und Radiobeiträge produziert, mit denen ganz im Sinne des „Edutainments“ ohne moralischen oder erzieherischen Fingerzeig Fakten und Handlungsanweisungen rund um Fragen der Gesundheit, Familie und zu sozialen Themen vermittelt werden sollen.

So haben in einer vorhergehenden Staffel die Zuschauer beispielsweise hautnah miterlebt, wie der HIV-Positive Sol erst seinen Job und dann seine Freundin verlor und schließlich aus der Familie ausgestoßen wurde. Ein Schicksal, wie es viele Südafrikaner aus ihrem eigenen Erleben kennen. In der Serie verfolgten sie es an Sols Beispiel in all seinen tragischen Facetten. Millionen Zuschauer litten mit dem jungen Mann – und haben, wenn die Rechnung der „Soul City“-Produzenten aufgegangen ist, ihren eigenen ausgrenzenden Umgang mit HIV-Positiven dadurch infrage gestellt.

Dass sich die Zuschauer in diesen aus der südafrikanischen Realität gegriffenen Geschichten wiederfinden, zeigt die Reichweite von „Soul City“. 87 % der Erwachsenen kennen die Serie in Südafrika, die auf dem populären Sender SABC 1 ausgestrahlt wird. Gesendet wird sie darüber hinaus auch in anderen Regionen Afrikas, Lateinamerikas, Südostasiens und in der Karibik.

Die Zahl der HIV-Tests und der Gebrauch von Kondomen sind seit der Serie angestiegen

Dass sie mit der Serie tatsächlich nachweisbare erzieherische Erfolge haben, will das Soul City Institute mit einer 2007  durchgeführten Studie belegt haben. So sei durch die Schilderung eines entsprechenden Falls die Bereitschaft, einen Aidskranken zu pflegen, in der Bevölkerung um stattliche 20 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der HIV-Tests und der Gebrauch von Kondomen sei gewachsen. Erreicht wird dies durch eine bestmögliche mediale Mehrfachverwertung. Die Geschichten der einzelnen Staffeln werden parallel auch als Radiohörspiel (und zwar gleich in neun verschiedenen offiziellen Sprachen Südafrikas) produziert. Außerdem erscheinen zu jeder Staffel drei Fotomagazine, die in einer Auflage von drei Millionen Exemplaren als Beilage in Zeitungen sowie über  Kliniken, Beratungseinrichtungen, Geschäfte und Schulen verteilt werden.

Nicht nur die Figuren werden auf diese Weise zu Vorbildern und Rollenmodellen, sondern auch die Schauspieler dieser mit Abstand beliebtesten Serie Südafrikas. „Ich habe Angst vor Aids. Jemand aus meiner Familie ist HIV-positiv“ verrät die Hauptdarstellerin Mbali Mlotshwa in einem Interview ihren Fans. „Soul City“ könne vor allem den jüngeren Zuschauern die Augen öffnen. „Ganz gleich, wie dein Lebenshintergrund ausschaut:  Sei stolz auf deinen Körper“, gibt sie den Menschen auf den Weg,

Längst stehen nicht nur konkrete Fragen und realistische Alltagsprobleme rund um HIV und Aids im Mittelpunkt der Geschichten. In „Soul City“ wurden mittlerweile auch Themen wie Vergewaltigung, Depressionen, Erwachsenenbildung und Analphabetismus, Gewalt in der Ehe  oder die Gesundheitsvorsorge für Mutter und Kind aufgegriffen. Die aktuelle Staffel beschäftigt sich wiederum schwerpunktmäßig mit Alkoholmissbrauch und den Folgen.

(Axel Schock)

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