Prinzessin Diana hat in ihren 36 Lebensjahren sehr viele Hände geschüttelt. Doch als sie diese Geste menschlicher Nähe am 9. April 1987 gegenüber Aidskranken wagte, waren weite Teile der Öffentlichkeit schockiert. Ein historisches Kalenderblatt von Axel Schock

Lady Di gibt Aidskrankem die Hand
Kleine Geste mit großer Wirkung (Ausschnitt aus einem Foto von Anwar Hussein/WireImage)

Kindergärten, Waisenhäuser, Krankenhäuser – wie viele soziale Einrichtungen Prinzessin Diana in ihrem kurzen Leben besucht oder eröffnet hat, dürfte kaum zu überblicken sein. Insofern hätte ihr Besuch des Londoner Middlesex Hospitals am 9. April 1987 auch nur eine unter ihren vielen öffentlichen Verpflichtungen sein können. Doch der Anlass war ein durchaus nicht alltäglicher: Die Princess of Wales eröffnete Großbritanniens erste speziell für diesen Zwecke gebaute Aids-Spezialambulanz.

Und dabei geschah etwas, was die britischen und kurz darauf auch internationale Medien zu panischen Meldungen antrieb: Diana schüttelte nicht nur dem medizinischen Personal die Hände, sondern auch zehn der zumeist schwulen Patienten – ohne Gummihandschuhe zu tragen.

Dianas Krankenhausbesuch wurde zu einer Weltnachricht

Dianas Besuch, der in keiner Nachrichtensendung des britischen Fernsehens unerwähnt blieb, trug ein Thema in sämtliche Haushalte des Landes, das bis dahin als „nicht salonfähig“ galt. Aids betraf Schwule und Drogensüchtige, Leute, die in den Augen vieler für ihr Schicksal selbst verantwortlich waren.

Dianas Berater hatten ihr vergeblich auszureden versucht, sich ausgerechnet für solche Menschen einzusetzen. Sie befürchteten, die Prinzessin (und womöglich künftige Königin) könnte Sympathien in Teilen des Volkes verlieren. Britische Kommentatoren bezeichneten das Verhalten der zweifachen Mutter denn auch prompt als verantwortungslos. Und eine deutsche Frauenzeitschrift fragte sogar: „Wird sie jetzt sterben müssen?“

Verständlich werden diese Reaktionen nur, wenn man sich die Stimmung jener Zeit in Erinnerung ruft. In der Gesellschaft der Thatcher-Ära herrschte eine homophobe Stimmung. Über die tatsächlichen HIV-Infektionsrisiken war die breite Bevölkerung nur unzureichend aufgeklärt. Stattdessen dominierten wilde Spekulationen, Mutmaßungen und Panik.

Ein symbolträchtiger Akt der Aufklärung in Sachen Aids

Prinzessin Dianas Geste war daher nicht einfach nur ein Zeichen des Mitgefühls für die Erkrankten, sondern ein symbolträchtiger, nachhaltig wirkender Akt der Aufklärung in Sachen Aids: Seht her, der soziale Umgang mit Aidskranken ist nicht ansteckend. Einen vergleichbaren Fall erlebte man in Deutschland einige Zeit später, als die damalige NDR-Moderatorin Lea Rosh in ihrer Talkshow demonstrativ aus dem Wasserglas eines HIV-infizierten Gastes trank.

„Sie zeigte der Welt, dass Menschen mit Aids nicht die Isolierung, sondern Zuwendung und Freundlichkeit verdienen. Sie hat damit dazu beigetragen, die Haltung der Welt gegenüber Aidskranken zu ändern, und gab den Menschen mit HIV und Aids Hoffnung“, würdigte Bill Clinton 2001 die Geste der Prinzessin.

 

Quellen/weiterführende Links:

Bericht über Dianas Besuch auf Youtube

Überblick über die Geschichte von HIV und Aids in Großbritannien von 1981 bis 1995 (in englischer Sprache)

Beitrag auf washingtonpost.com vom 1.12.2010 zur Geschichte der HIV-Epidemie (in englischer Sprache)

Eintrag auf princess-diana-remembered.com (in englischer Sprache)

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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